Schöne, alte Dinge bewahren vor dem Vergessenwerden und Verstauben – das will Stephen C. Blumberg und klaut quer durch die USA Bücher aus Bibliotheken. Um diese eben in Sicherheit zu bringen. Bei sich zuhause. Autor: Xaver Frühbeis
Viele Menschen lieben Bücher. Gelegentlich kaufen sie sogar welche. Es gibt aber auch Menschen, die lieben außerordentlich viele Bücher. Alte Bücher und seltene Bücher. Und weil das ins Geld gehen würde, kaufen sie die nicht, sondern stehlen sie. Einer der ausdauerndsten Bücherdiebe der Kriminal- und Literaturgeschichte war der US-Amerikaner Stephen C. Blumberg.
Mitgehen lassen…
Als man ihn am 20. März 1990 verhaftet hat, hat man in seinem Haus in Ottumwa im Bundesstaat Iowa knapp vierundzwanzigtausend Bücher gefunden, dazu an die zehntausend alte Manuskripte. Gesamtwert: fünfeinhalb Millionen Dollar. Gestapelt in metallregalen, siebzehn Zimmer voll bis zur Decke, gestohlen bei mehr als 270 Universitäten und Archiven in 45 amerikanischen Bundesstaaten plus zwei Provinzen in Kanada.
Aber wieso?
Warum, fragt man sich, hat Blumberg das gemacht? Auf keinen Fall, weil er damit reich werden wollte. Er wollte die Bücher vielmehr beschützen. Blumberg hatte einen Tick. Schon als Jugendlicher hat er alte Sachen vor dem Verderb gerettet. Auf dem Schulweg hat er Türklinken und bunte Glasfenster von leerstehenden, alten Herrenhäusern abmontiert, die demnächst abgerissen werden sollten. Und jetzt: die Bücher. Blumberg behauptete, Museen und Bibliotheken würden die armen Bücher in finstere Keller wegsperren, der normale Bürger könne sie nie sehen, und das sei eine Verschwörung der Regierung gegen Bücherliebhaber.
Und so ist Blumberg fünfzehn Jahre lang quer durch die USA gereist und hat Bücher befreit. Und das nicht wahllos, sondern zielgenau. Blumberg hat Listen angefertigt von öffentlichen Bibliotheken mit interessanten Sammlungen. Wochenlang fuhr er mit seinem Cadillac, in dem er auch schlief, von einer Stadt zur anderen, tagsüber gab er sich als Professor aus und erforschte die Sicherheitslage, nachts kam er zurück und klaute.
Blumberg setzte Alarmanlagen außer Kraft, schraubte Bodenfenster auf, kroch durch Lüftungsschächte und Mauerschlitze, fälschte Magnetkartenausweise, stahl Schlüssel und tauschte Sicherheitsschlösser aus. Nur wenige der bestohlenen Bibliotheken schlugen Alarm. Den meisten war es peinlich, zugeben zu müssen, dass bei ihnen Schlüssel und Bücher abhanden gekommen waren. Viele merkten auch gar nicht, dass etwas fehlte. Trotzdem war letztlich das FBI hinter Blumberg her. Ein Kleinkrimineller, der früher auf Blumbergs Raubzügen dabei gewesen war, hatte ihnen sein Wissen verkauft. In den Bibliotheken wurden Steckbriefe verteilt, und bald darauf erkannte ihn eine Angestellte der Nachtausleihe.