Lange geigte Albert Einstein im stillen Kämmerlein vor sich hin, zur Entspannung und für neue naturwissenschaftliche Ideen. Einmal aber trat er doch auf – und rettete damit jüdischen Kollegen das Leben. Autor: Xaver Frühbeis
Damals, als kleines Mädchen, hatte sie sich in ihn verliebt, weil er so schön Geige spielen konnte. Und später, als sie seine Frau geworden war, war sie niemals eifersüchtig auf seine beste Freundin. "Lina" nannte er sie, nach dem Wort "Violine". Und wo immer er ging, hatte er sie mit dabei. In der Akademie der Wissenschaften sah man ihn selten ohne den Geigenkasten unterm Arm. Und beim Spielen hielt er es wie Sherlock Holmes. Wenn es mit seinen Berechnungen mal nicht recht vorwärtsgehen wollte, musizierte er einfach ein wenig auf der Geige. Nach ein paar Minuten Mozart oder Bach kamen ihm dann die neuen Ideen. Noch als er längst den Nobelpreis erhalten hatte, half ihm seine Geige. ((Und erst im hohen Alter, als seine linke Hand unsicher wurde, musste er aufhören damit. Die allergrößte Freude in meinem Leben, sagte er, hat mir immer meine Geige gegeben.))
Geigen im stillen Kämmerlein
Nur öffentlich auftreten - das kam ihm nie in den Sinn. Ihm war klar, dass sein Spiel nicht konzertreif war. Und deshalb war der 17. Januar 1934 ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag hatte ein auserlesenes Publikum in New York die Freude, den Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein Geige spielen zu hören. Der Grund dafür waren Adolf Hitler und die Nazis. Einstein war Jude, Einstein war Pazifist, beides hat er öffentlich kundgetan, und konsequenterweise ist er 1933 von einer Vortragsreise in den USA nicht nach Deutschland zurückgekehrt. Im Konsulat in Brüssel hatte er seinen deutschen Reisepass zurückgegeben, aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften war er ausgetreten, seinen Antrag auf Ausbürgerung haben die deutschen Behörden zwar abgelehnt, aber nur, um ihn später "strafausbürgern" zu können. Einsteins Name landete auf einer Attentatsliste mit Kopfgeld, eine deutsche Zeitschrift veröffentlichte seinen Namen mit dem Vermerk "noch nicht gehängt".
Spielen für Frieden und Freiheit
In den USA dagegen war Einstein sicher. In Princeton, wo er auch lehrte, nahm er sich eine Wohnung, und da tauchte eines Tages die englische Pianistin Harriet Cohen auf. Musikalische Prominenz ersten Ranges, und auch sie: Jüdin.
Cohen kam zu ihm mit einer Idee. Auf ihren Konzertreisen durch Europa waren ihr die vielen Menschen aufgefallen, die vor Nazideutschland auf der Flucht waren. Seitdem setzte sie alle Hebel in Bewegung, diesen Leuten zu helfen. Und weil seinerzeit in Berlin Einstein beim Tee halb im Scherz zu ihr gesagt hatte: "Madame, wir sollten unbedingt einmal zusammen auftreten", fand sie es jetzt an der Zeit, das in die Tat umzusetzen.
Und so standen am 17. Januar 1934 die Pianistin Harriet Cohen und der Atomphysiker Albert Einstein auf einer Wohltätigkeitsgala in New York gemeinsam auf der Bühne. Das Konzert fand statt im Haus des Mäzens und Kupferkönigs Adolph Lewisohn, vor dreihundert handverlesenen Gästen, darunter der Finanzstaatssekretär Henry Morgenthau oder die Präsidentengattin Eleonore Rosevelt. Einstein spielte - zusammen mit dem weltberühmten Geiger Toscha Seidel - das Doppelkonzert von Bach, danach gab's ein Streichquartett von Mozart, und Miss Cohen brachte ein paar Choralvorspiele von Bach zu Gehör. Das Publikum war entzückt, und auf die gespannte Frage anderntags: "Und, wie hat er denn gespielt?" war die schönste Antwort: "Seine Freude war genau so groß wie die unsrige".