Eben mal ein ganzes Land trockenlegen – kann funktionieren, bringt aber vielleicht nicht den gewünschten Erfolg. Die Prohibition bescherte den USA nicht weniger Alkoholkonsum, nur weniger Saloon-Besucher. Autor: Martin Trauner
Drinnen im guten, alten Saloon: So viel wurde hier wohl noch nie getrunken. Es ist ja auch das letzte Mal. Alles muss raus. Jedes Bierfass, jede Weinflasche, der ganze Schnaps. - Ein Jahr lang hat man gehofft, dass es so weit nicht kommen wird. Doch jetzt: das letzte große Gelage. - Man macht Witze: Eine Leber lang hat man gesoffen, aber um Mitternacht wird Schluss sein. For ever.
Schluss mit Lustig
Und draußen. Vor dem Saloon. Da warten sie, die "Trockenen". Die Temperancler.
Sie warten nur auf den 12 Uhr Schlag. Und dann: Unter tosendem Applaus und läutenden Kirchenglocken schütten die Freunde der Prohibition Bier, Wein und Schnaps in die Gosse. Amerika ist fortan "dry" - Doch wie konnte es so weit kommen, dass ein Land trocke gelegt wird?
Es ist der zunächst einmal letzte kollektive Rausch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Denn ein Jahr zuvor, am 16. Januar 1919 hatte Nebraska den 18. Verfassungszusatz unterzeichnet. Und damit war die Zweidrittelmehrheit für ein absolutes Alkoholverbot erreicht. Und jetzt, genau ein Jahr später tritt die Prohibition tatsächlich in Kraft. Aber wer ist schuld daran?
Sigmund Freud und die Erbsünde
Natürlich die Frauen. Da waren sich die libertinären Alkoholbefürworter einig. Schon Sigmund Freud bemerkte: Unter dem Einfluss der Frauenherrschaft wolle man allen Menschen alle Reiz-, Rausch- und Genussmittel entziehen. Und zur Entschädigung: da bekommt man die Gottesfurcht.
Tatsächlich hat Freud mit den Frauen recht. Wenigstens ein bisschen:
Denn schon seit über 50 Jahren hatten sie sich in der "Woman's Christian Temperance unio" Frauen zusammengefunden, um für nüchterne Ehemänner und nebenbei für ein Frauenwahlrecht zu kämpfen. Aber so einfach ist das nicht mit der Schuldfrage. Es gab nämlich noch die männlich dominierte Anti-Saloon-League. Die agierte gegen, wie schon der Name der Vereinigung sagt, gegen die Saloons. Dem Hort des Bösen und Verderblichen, wo sich die Unterschicht zum allabendlichen Absturzsaufen traf.
Packen wir's an!
Und es wird noch komplizierter: Denn es war keineswegs, wie Freud zu glauben meinte, ein Kampf der lustfeindlichen evangelikalen Frauen gegen die fortschrittlichen liberalen Männer. Oder die Spannung zwischen Landbevölkerung und Stadtbewohner. Vielmehr gingen die Fronten durch alle Gruppierungen. Die Gewerkschaften hielten den Alkohol für verderblich, weil er die Arbeitnehmer unterjocht. Die Arbeiterbosse ihrerseits verdammten den Alkohol, weil er die Angestellten am Arbeiten hinderte. Und selbst die Kirchen zeigten sich uneins: Die einen glaubten, Schnaps und Bier versperrten den Weg zu Gott, aber es gab durchaus einige strenggläubige Baptisten, die Anti-Temperancler waren: fest davon überzeugt: der liebe Gott habe dem Menschen den Alkohol geschenkt. Hat nicht auch Jesus Wasser in Wein verwandelt? Hallelujah!
Hallelujah!
Nun gut: Diese Allianz von Frauen und Männern, Weißen und Schwarzen, Christen und Progressiven führte nolens volens zum 18. Verfassungszusatz. Der galt bis 1933. Wirklich weniger wurde in dieser Zeit freilich auch nicht gesoffen. Nur: Dem Staat entgingen Milliarden Dollar an Alkoholsteuern. Aber vor allem: der gute alte Saloon war passe.