Eines der weltweit bekanntesten Gebäude und das Wahrzeichen der Stadt Pisa: der schiefe Turm, dessen Grundstein am 9. August 1173 gelegt wurde. Autorin: Brigitte Kohn
Als am 9. August 1173 der Grundstein für den Schiefen Turm von Pisa gelegt wurde, hatten die Bauherren natürlich sehr präzise Pläne. Ein Glockenturm sollte es werden, freistehend neben dem Dom, 100 Meter hoch, prächtig und rund und mit tollen Säulengalerien aus weißem Carrara-Marmor, ein Schmuckstück für die Stadt und in Zeiten der Gefahr eine Trutzburg für den Klerus, der darin Zuflucht vor Feinden finden sollte.
Schief gelaufen
Senkrecht war der Turm gedacht, so senkrecht, wie man es sich von Türmen nicht anders erwartet. Der Stadtstaat Pisa wollte im 12. Jahrhundert seine Macht und seinen Reichtum zur Schau stellen und hatte ganz bestimmt keine architektonischen Scherze im Sinn.
Doch statt seine repräsentative Aufgabe anzunehmen, zog der Turm es vor, dem ehrwürdigen klerikalen Rahmen der Piazza dei Miracoli einen Spaßfaktor beizumischen. Er geriet nämlich völlig schief und posiert heute für Fotos, auf denen die Touristen so tun, als wollten sie ihn stützen und aufrichten. Und die Gigolos, die ihn auf der Suche nach weiblicher Aufmerksamkeit umrunden, wirken noch verwegener als anderswo.
Ausgesessen
Verantwortlich für die Schieflage war übrigens der Boden aus Lehm und Sand, zu locker für ein so schweres Bauwerk. Beim dritten Stockwerk merkte man, hier läuft was schief, im wahrsten Sinne des Wortes, und legte eine Pause ein, die hundert Jahre währte. Ob die architektonische Herausforderung zu groß war oder ob politische Unruhen vom Bauen ablenkten, wissen die Historiker nicht genau. Jedenfalls, während der unfertige Turm seinen Dornröschenschlaf hielt, nutzte der Boden die Zeit, um sich zu verdichten. Es gibt eben Probleme, die lösen sich auch mal durch Nichtstun, wenn man es nur lange genug durchhält.
Die Pisaner machten also weiter und bauten die folgenden Ebenen im entgegengesetzten Neigungswinkel, um den Turm doch noch einigermaßen gerade zu kriegen. Aber das störrische Bauwerk ignorierte alle Berechnungen und blieb, wie es war, standhaft schief. Da verzichtete man lieber auf das Hundert-Meter-Ziel, setzte dem Turm schon nach der Hälfte die Glockenstube obendrauf und nahm den größten Individualisten unter den Türmen so hin, wie er bis heute eben ist.