Das kommerzielle Potenzial des Nachrichtenhandels erkennt der Verleger Bernhard Wolff, als 1849 die Telegrafie aufkommt. Seine Idee ist erfolgreich: die erste Nachrichtenagentur Deutschlands. Autorin: Christiane Neukirch
Es war einmal eine ferne Zeit, da hatten die Menschen keine Satellitentechnik. Trotzdem galt auch damals das Prinzip: eine schnelle Nachricht ist eine gute Nachricht. Viele Jahrtausende lang aber war die Übermittlungsdauer an die biologischen Grenzen der Überbringer gekoppelt. Zum Beispiel: im alten Rom. Der jeweils regierende Imperator war sehr interessiert daran, immer auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein. Denn das Römische Reich wuchs. Roms Legionen eroberten Stück für Stück den europäischen Kontinent. Der Militärchef musste gut informiert sein, um die Lage vom Machtzentrum der Hauptstadt aus zu überblicken und zu steuern. Doch Meldungen kamen nur zu Fuß oder zu Pferde voran. Ein Botenritt über den ganzen Kontinent samt Überquerung der Alpen dauert ein paar Wochen, ein Fußmarsch gut doppelt so lang. Ganz zu schweigen von Botschaften, die den Empfänger gar nicht erst erreichten, weil eine Gletscherspalte oder ein feindlicher Nachrichtenhäscher dazwischenkam.
Nachrichtlücke, weil Felsspalte…
Dies alles zeigt, was wir in Zeiten eines Überangebots an Information vielleicht vergessen haben: Nachrichten sind wertvolles Gut. Sie entscheiden über Wohl und Wehe einer Gemeinschaft, ermöglichen Verarbeitung und Reaktionen auf Geschehnisse. Ein römischer Kaiser kann sich seinen Nachrichtendienst schon etwas kosten lassen. Ein reicher Geschäftsmann auch – so wie Jakob Fugger im 15. Jahrhundert. Privatleute sehr lange nicht.
Dann kommt die Zeit des Buchdrucks, der Aufklärung, die wachsende Wissensgesellschaft. Anfang des 19. Jahrhunderts sind Fortschritt und Wissensdurst so weit gediehen, dass das erste moderne Massenmedium in Erscheinung tritt: die Tageszeitung. Nachrichten werden jetzt täglich frisch verlangt. Wissen ist Geld und somit Macht jetzt auch an der Börse.
Damit das Neueste stets warm aus dem Ofen kommt, beschäftigen große Blätter ein Netz aus Korrespondenten, die alles zusammentragen, filtern und berichten. Doch die kleineren Verlage stöhnen unter den Kosten für diesen Luxus.
Man könnte doch, wenn man wollte…
Da schleicht sich eine Idee in die Köpfe findiger Geschäftsleute: Was, wenn man ein Unternehmen gründet, das Nachrichten recherchiert, produziert, sortiert und den Medien gegen Geld zur Verfügung stellt? In Frankreich und den Niederlanden entstehen die ersten solcher Dienstleistungsbetriebe. Es ist die Geburtsstunde der Nachrichtenagenturen. Eine brandneue Verbreitungstechnik erweist sich als maßgeschneiderte Hilfe: die Telegrafie. In Deutschland wird das Telegrafennetz erst 1849 für die private Nutzung freigegeben. Der Berliner Zeitungsbetreiber Bernhard Wolff zögert nicht lange: am 27. November desselben Jahres gründet er das "Telegraphische Correspondenz-Bureau", Deutschlands erste Nachrichtenagentur.