Schnelle Hilfe, die ankommt? Barbara und ein paar Freundinnen wollen das wuppen und rufen eine Rubrik ins Leben. In der ZEIT bitten sie in den Nachkriegsjahren um konkrete Sachspenden für Flüchtlinge. Autor: Hartmut E. Lange
Egal ob Kreisbote oder überregionales Nachrichtenblatt, eine Leserbrief-Ecke hat jede Zeitung. Hier findet man Anregungen oder Kritik, oft auch Zustimmung und Lob. Aber Hilferufe? Doch, so was gibt’s auch!
Am 29. Juli 1953 erscheint zum ersten Mal auf der Leserbrief-Seite der Wochenzeitung DIE ZEIT die Rubrik "Barbara bittet". Wer ist Barbara? Und worum bittet sie?
Nach dem niedergeschlagenen Volksaufstand in der DDR im Juni 1953 nimmt die Zahl der Flüchtlinge dramatisch zu, tausende Menschen sehen keine Zukunft mehr im Arbeiter- und Bauernstaat. Das Notaufnahmelager Marienfelde in West-Berlin und auch die Behelfsunterkünfte im Bundesgebiet stoßen an die Grenzen ihrer Kapazität.
Als Barbara so ein Lager in Hamburg-Wandsbek besucht hat sie den Eindruck, auf einer Insel des Unglücks zu stehen, von der die Menschen draußen im Land nichts ahnen. Jeder Flüchtling will möglichst schnell auf eigene Beine kommen, oft fehlt dafür nur eine Kleinigkeit oder etwas Besonderes, das staatliche Behörden nicht bieten können.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Barbara Oster ist schlimmstes Leid in einer Diktatur widerfahren, man hat ihr den Vater genommen; wegen seines Widerstands gegen das Hitler-Regime wurde er 1945 von den Nazis ermordet. Nun steht sie Opfern einer anderen Diktatur gegenüber und beschließt: Ich will helfen!
Gemeinsam mit einem Dutzend Damen aus der gehobenen Hamburger Gesellschaft gründet sie den Flüchtlings-Starthilfe e.V. Viele von ihnen wissen aus eigener Erfahrung was es bedeutet, noch einmal bei null anfangen zu müssen, sie haben 1945 ihre Heimat verloren. Eine von ihnen ist Marion Gräfin Dönhoff. Die Chefredakteurin ermöglicht den kostenlosen Abdruck der Rubrik "Barbara bittet" auf der Leserbriefseite der ZEIT. Ab jetzt werden in jeder Ausgabe einige Schicksale geschildert und die Leser um Hilfe gebeten.
Ein Musiker konnte bei einer Tournee fliehen, jedoch ohne Instrument. Wer hat eine orchestertaugliche Klarinette?
Ein Kellner braucht einen Frack, um seinen neuen Job antreten zu können.
Zwei Frauen wollen eine Änderungsschneiderei eröffnen, wer kann eine Nähmaschine entbehren?
Ein fünfjähriges Mädchen verliert auf der Flucht ihr liebstes Spielzeug, sie wünscht sich sehnlichst eine neue Puppe, mit langen blonden Haaren.
Das können wir!
Durch diese kleine Notiz in der ZEIT haben die inzwischen 76 Frauen ein landesweites Netzwerk geknüpft. Sie schreiben Briefe, packen Pakete, sammeln, ordnen und verteilen Kleidung und Hausrat. Neben Privatpersonen helfen auch Firmen: die Reederei Laeisz stellt Büro- und Lagerräume kostenlos zur Verfügung.
Die engagierten Damen tragen insgesamt 12 Millionen Mark und Sachspenden vom gleichen Wert zusammen. Unschätzbar ist der Wert der vielen Hilfeleistungen in Form von Beratungen, denn für alle Flüchtlinge ist der Westen eine völlig unbekannte Welt. Die Starthelferinnen arbeiten ehrenamtlich, fast im Verborgenen; keine sitzt in einer Talkshow, keine steht für Interviews zur Verfügung. Sie alle haben nur eins im Sinn - schnell und unbürokratisch helfen.