Der Eine wirft die Flaschenpost in der Hoffnung auf Rettung von einsamer Insel nach Schiffbruch. Der Andere macht eine Wissenschaft draus und spamt die Meere mit Flaschen zur Erkundung von Strömungsmustern. Autor: Ulrich Trebbin
Ja, Zeit müsste man haben! Nicht immer hetzen und hasten, sondern träumen und rasten! Doch vor die Zeit haben die Götter die Geduld gestellt, die Muße und das Warten-Können. Nach dem Motto: Zeit hat man nicht, sondern man nimmt sie sich.
Lernen können wir da vom Geophysiker und Polarforscher Georg von Neumayer. Der hatte nun wirklich Geduld und Muße. Am 14. Juli 1894 hat er nämlich vor Kap Horn an der untersten Spitze Südamerikas eine leere Rumflasche ins Meer geworfen. Das soll jetzt nicht heißen, dass Neumayer zuvor einen tüchtigen Sundowner gegluckert hätte und dann im Suff und so weiter... Nein, die Rumflasche hatte selbstverständlich einen wissenschaftlichen Auftrag. Sie war nämlich mit Korken und Siegellack gut verschlossen und nicht ganz leer. In ihr steckte ein datiertes Formular: Der Finder sollte es doch bitte an Neumayer schicken und ihm mitteilen, wann und wo die Flasche an Land gegangen war.
Flasche an Land
In Wirklichkeit hat natürlich einer seiner Helfer die Flasche geworfen, aber der Kopf dahinter war doch der Geophysiker höchstselbst. Er wollte nämlich herausfinden, wie die Strömungen des Meeres verlaufen. Und dafür war ihm keine Zeit zu lang. Ganze drei Jahre hat es gedauert, bis die Antwort bei ihm in Hamburg eintrudelte: Seine südamerikanische Rumflasche war endlich in Australien ans Ufer gespült worden. Davon hat Neumayer sich aber keineswegs entmutigen lassen. Im Laufe seines Lebens und noch lange danach ist in seinem Auftrag noch 6500 Mal eine Flaschenpost von Bord gegangen! Immerhin 10 Prozent der darin zusammengerollten Formulare sind dann auch in Hamburg eingetroffen, und Neumayer konnte jedes Mal einen Strich in eine Strömungskarte einzeichnen. Auf einer solchen Karte aus dem Jahr 1897 ist zum Beispiel ganz deutlich der Golfstrom zwischen Amerika und Europa zu erkennen. Kleiner Nebeneffekt: Die größte Flaschenpostsammlung der Welt liegt derzeit in Hamburg.
Flasche leer schwimmt gut
Heute werden die Meeresströmungen natürlich moderner erforscht. Da funken die Treibkörper zum Beispiel gleich noch ihre augenblickliche Position nach Hause und geben Auskunft über Tiefenströmungen, Erwärmung der Meere, und das Zusammenspiel der Ozeane mit der Atmosphäre.
Ganz unfreiwillig in den Dienst der Wissenschaft getreten sind übrigens Anfang der 90er Jahre knapp 30 tausend Quietschtierchen. Aus Versehen sind sie einem Frachter mitten im Pazifik von Bord gerutscht. Die ersten kamen nach 8 Monaten in Alaska an, andere landeten in Australien, Indonesien oder Chile. Ganz verwegene Entchen haben es - Klimawandel sei Dank! - sogar ins Nordpolarmeer geschafft, sind nördlich um Amerika und Grönland herumgeschwommen, um dann an der amerikanischen Ostküste an Land zu gehen oder sogar in Schottland und England - nach über zehn Jahren!