Die einen verfahren sich, er hat sich sozusagen verschwommen: Ein weißer Wal, der plötzlich im Rhein auftaucht und da sicher nicht sein will, schon allein ob der damals wahrlich gruseligen Wasserqualität. Autorin: Regina Fanderl
Es war eh ein Mords-Bohei, aber man mag sich gar nicht vorstellen, was los wäre, wenn das Ereignis, von dem im Folgenden die Rede sein wird, heute passierte! Raufereien unter Medienvertretern um Kamera-Standorte und eloquente Experten! Eine Sondersendung nach der anderen! Ein Hype im Internet! Und warum das Ganze?
Am 18. Mai 1966 schwimmt doch tatsächlich ein weißer Wal, von Rotterdam kommend, den Niederrhein hinauf. Fern seiner arktischen Gewässer tummelt er sich in der trüben Brühe des damals komplett verseuchten Rheins. Die Besatzung eines Schleppers entdeckt das rund vier Meter lange und dreieinhalb Tonnen schwere Tier bei Stromkilometer 778,5 in Höhe von Duisburg-Neuenkamp.
Wal in Sicht!
Nur sehr schwer lässt sich die Duisburger Wasserschutzpolizei von der Echtheit der Beobachtung überzeugen. Erst als der Alkoholtest bei den Schiffern eindeutig negativ verläuft, rufen sie den neuen Leiter des Duisburger Zoos. Der Mann mit Namen Wolfgang Gewalt verfolgt den Beluga-Wal stundenlang auf einem Polizeiboot. Er will ihn mit Netzen eines Duisburger Tennis-Clubs fangen. Moby Dick, wie ihn die Presse nennt, wäre eine super Attraktion für seinen Tierpark! Umweltaktivisten versuchen die Jagd zu stören, indem sie von einem Luftschiff aus Orangen in den Rhein werfen!
Entsetzt beobachten die Schaulustigen an den Rheinufern, wie Dr. Gewalt nun versucht, das Tier mit einer Betäubungspistole zu treffen. Weil das nicht gelingt, wird ein Scharfschütze angefordert. Der trifft, aber Moby überlebt und schwimmt weiter den Rhein hinauf, begleitet von Kleinbooten voller Journalisten. Die Bild-Zeitung hat gar einen Zeppelin gemietet. In Bonn sprengt der weiße Wal eine Bundespressekonferenz zur Nato-Politik. Alle Beteiligten rennen neugierig ans Ufer.
Moby, Du schaffst es!
Während an rheinischen Stammtischen noch Wetten über den Ausgang der Jagd laufen, schafft es Moby Dick, nach 23 Tagen in der Kloake Rhein, durch die Schleusen vor Rotterdam zurück ins Meer. Bei Hoek van Holland wird er zuletzt gesehen.
Später stellt sich heraus, dass das Tier mit dem netten runden Kopf ursprünglich in einen englischen Zoo gebracht werden sollte. Bei einem Orkan war es vom Transportschiff in die Nordsee gespült worden.