Zug um Zug soll sich zeigen, wer seinen König besser zu schützen weiß und wer weniger Bauernopfer hinnehmen muss: Die Paarung der Partie lautet Mensch gegen Maschine. Der Ausgang überrascht. Autor: Xaver Frühbeis
Ein Mann: denkt nach. Er bewegt eine kleine Figur, drückt auf eine Stoppuhr und macht sich Notizen. Ein anderer Mann, ihm gegenüber, schaut auf einen kleinen Schwarz-Weiß-Monitor. Von dem liest er ab, welche Figur er wohin ziehen soll. Der Monitor gehört zum besten Schach-Computer der Welt: "Deep Blue", entwickelt von IBM.
200 Millionen Schachzüge pro Sekunde im Voraus zu berechnen, ist für ihn kein Problem. Aber: Deep Blue ist nicht wirklich klug. Aus Fehlern lernen: kann er nicht. Er spielt so, wie man es ihm beigebracht hat. Der Mann dagegen setzt Intuition ein und Fantasie.
Mensch vs. Maschine
Deep Blues Gegner ist der russische Schachweltmeister Garri Kasparow. Im Jahr zuvor haben die beiden schon gegeneinander gespielt. Damals hat Deep Blue ein Spiel von sechsen gewonnen. Mittlerweile haben die Leute von IBM Deep Blue aufgerüstet und mit neuen Daten gefüttert.
Kasparow spielt also genau genommen nicht gegen einen Computer, sondern gegen eine Menge Schachprofis, die dem Computer beibringen, wie er rechnen soll. Es gibt Leute, die finden das unfair. Die Gegenseite argumentiert: Der Computer sei doch benachteiligt. Er muss warten, bis seine Schöpfer ihn klüger machen. Der Mensch könne auch während des Spiels dazulernen.
Zug um Zug
Und jetzt sitzt Kasparow am Spieltisch und ist verwirrt. Sein Gegner spielt wie man es von einem Computer erwartet. Zwischendrin jedoch macht er Züge, die Kasparow nicht versteht. Ein sinnloser Zug in Spiel 1, als der Computer schon am Verlieren ist.
In Spiel 2 ignoriert der Computer eine Falle, die Kasparow ihm gestellt hat, und tut einen grandiosen Zug, der ihm den Sieg bringt. Kasparow ist irritiert.
Der Computer spielt manchmal wie ein Mensch. Was geht hier vor? Ist Deep Blue gar nicht so stark? Greifen die IBM-Leute zwischendurch selber ins Spiel ein und machen dabei Fehler?
Kasparow jedenfalls kann seinen Gegner nicht mehr einschätzen. Und das ist schlecht für ihn. Spiel Nummer 6, am 11. Mai 1997, wird eins der kürzesten Spiele in Kasparows Karriere . Nach nur 19 Zügen gibt er sich geschlagen. Die Welt staunt. Zum ersten Mal ist ein amtierender Schachweltmeister von einem Computer besiegt worden.