Sie sind die letzten großen Abenteurer unserer Tage: Weltraumreisende. Doch Ihr Leben da oben im All ist nicht immer abenteuerlich wild-romantisch, es kann auch ganz schön alltäglich sein. Autor: Johannes Roßteuscher
Besonders schwierig im All: Duschen. Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Der Astronaut steht nackt in der Dusche und versucht, eine vorbeischwebende Pfütze zu ergreifen und sich damit einzureiben. Die nicht gefangenen Pfützen allerdings machen sich einstweilen auf den Weg durchs Raumschiff, wo sie zum Beispiel die Elektronik zerstören.
Besonders befriedigend im All: Handarbeit. Zitat des deutschen Astronauten Thomas Reiter: "Wenn man mit Schraubenschlüssel und Lötkolben das komplizierte Bordsystem einer Raumstation wieder funktionsfähig macht, dann ist das ein echtes Erfolgserlebnis." Mit vermutlich leuchtenden Augen spricht der blonde Vorzeige-Raumfahrer von seiner Zeit auf der russischen Raumstation Mir. Ein halbes Jahr war Reiter dort stationiert - derlei Erfolgserlebnisse hatte er vermutlich viele zu verbuchen.
Schrauben nachziehen!
In ihren 15 Jahren im All zählte die Mir 1600 Pannen. Rein statistisch müssten in Reiters Zeit im All also mehr als 50 Pannen passiert sein - alle 3,4 Tage eine. Meistens sind es Computerpannen, mal ist die Toilette kaputt, dann brennt's, etliche Male fällt die Sauerstoffversorgung aus, schließlich kracht ein Versorgungsraumschiff in die MIR und reißt ein Loch in den Rumpf; Ein ganzes Modul der Raumstation wird unbrauchbar. Von Anfang an undicht ist die Ausstiegsluke. Eine Crew versucht, sie abzudichten und knallt die Muttern so an, dass die Luke zwar immer noch nicht dicht ist, aber auch nie wieder aufgeht. Eine andere Crew versucht die Luke zu öffnen, und bricht dabei alle passenden Schraubenschlüssel ab, die Luke bleibt zu.
Niet- und nagelfest?
Mehrmals ziehen die Pannen lebensgefährliche Situationen nach sich, die Besatzung entscheidet sich aber jedes Mal fürs Dableiben und Reparieren.
Fairerweise muss man allerdings sagen, dass die Pannen sich vor allem am Ende häufen, als die MIR schon doppelt so lange im All ist, wie eigentlichgeplant.
Als das sowjetische Prestige-Projekt 1986 von Kasachstan aus in den Kosmos geschossen wird, ist Als die Mission 15 Jahre später endet, ist Vladimir Putin Präsident der russischen Föderation.
Herunter muss die Mir, weil sie so marode ist, dass ihr Unterhalt unbezahlbar wird. Der Rat der russischen Raumfahrt-Konstrukteure beschließt im Herbst 2000, die Mir aus der Umlaufbahn kontrolliert auf die Erde stürzen zu lassen.
135 Tonnen wiegt die ganze Konstruktion, nach den Berechnungen der Ingenieure würden ungefähr zwei Drittel in der Erdatmosphäre verglühen. Umkehrschluss: mehr als 40 Tonnen verglühen nicht, sondern prasseln auf die Erde nieder - im Idealfall im Südpazifik, also über unbewohntem Gebiet. Aber wer weiß das schon so genau -angesichts von bisher 1600 Pannen? Die Bundesregierung, jedenfalls, setzt einen Krisenstab ein, der Katastrophenschutz-Maßnahmen vorbereitet. Doch, oh Wunder, alles geht gut, sogar besser als geplant. Ein Raumfrachter wird an die Mir angekoppelt, am 23. März 2001 zündet er nacheinander drei Triebwerke gegen die Flugrichtung. Vor allem das dritte funktioniert hervorragend: Die riesige Station macht eine Vollbremsung, verliert schnell an Höhe und tritt in die Erdatmosphäre ein. In 80 Kilometern Höhe bricht sie auseinander. Rund 100 Tonnen verglühen über dem Südpazifik zwischen Neuseeland und Chile, der Rest fällt ins Wasser - ganz wie geplant. 90 Sekunden lang ist über den Fidschi-Inseln ein prächtiges Feuerwerk am Himmel zu sehen.