"Viktor-Charlie-Charlie" für "Alpha-Sierra-Foxtrott" - Welche Nation oder Organisation wann welches Wort wählt, um was für einen Buchstaben auszudrücken? Das hängt von vielen - politischen - Faktoren ab. Autor: Ulrich Trebbin
Ein Erfinder kann sich bei seinen Mitmenschen nur dann beliebt machen, wenn seine Erfindung im Alltag auch eine Erleichterung bringt, einen Nutzen oder zumindest ein besonderes Vergnügen. Nicht durchgesetzt haben sich deshalb zahllose eher sinnlose oder umständliche Erfindungen - als da wären: an den Schuhen befestigte Regenschirme, ein Ventilator an asiatischen Essstäbchen, der die Nudeln kühl wedelt, eine Windel für Wellensittiche oder ein auf dem Kopf befestigter Papierrollenhalter, der immer Taschentücher bereithält.
Nützlichkeit ist eine Zier
Aber auch tendenziell nützliche Erfindungen bergen bisweilen manche Klippe, für deren Umschiffung dann schon mal eine weitere Erfindung vonnöten ist. Das Telefon zum Beispiel hat ohne Frage enorme Erleichterungen über die Menschheit gebracht: Man muss sich nicht mehr aus dem Haus bewegen, um einem anderen Menschen wichtige - oder für wichtig befundene - Informationen zukommen zu lassen. Nachteilig wirkt sich jedoch immer wieder die schlechte Tonqualität des Telefons aus, zumal der Zuhörer die Lippenbewegungen seines Gesprächspartners nicht optisch aufnehmen und damit die akustischen Signale ergänzen kann. Weil am Telefon also die Verständlichkeit litt, wurde die so genannte "Buchstabiertafel" erfunden: Für jeden Buchstaben ist seither ein allgemein bekanntes Wort oder ein Vorname festgelegt, mit dem man schwer verständliche Wörter buchstabieren kann. Wer also zum Beispiel Maier heißt, buchstabiert seinen Nachnamen mit Martha Anton Ida Emil Richard. Oder er sagt: Maier mit A wie Anton.
E wie Emil - Emil Martha Ida Liebe, Lotte, Lachs, Lauch?
In deutschen Telefonbüchern war ab 1903 eine allgemein verbindliche Buchstabiertafel abgedruckt. An die hatten sich alle zu halten - geht ja nicht, dass da jeder seine eigenen Wörter benutzt, ein bisschen Ordnung muss schon sein! Die hat dann auch dreißig Jahre lang gehalten. Dann aber fiel einem aufmerksamen Telefonteilnehmer auf, dass es mit der Ordnung nicht weit her war! Am 22. März 1933 schreibt er an das Postamt in Rostock: "In Anbetracht des nationalen Umschwungs in Deutschland halte ich es für nicht mehr angebracht, die in der Buchstabiertabelle des Telefonbuchs aufgeführten jüdischen Namen wie David, Nathan, Samuel et cetera noch länger beizubehalten. Ich nehme an, dass sich geeignete deutsche Namen finden lassen. Ich hoffe, in der nächsten Ausgabe des Telefonbuchs meinen Vorschlag berücksichtigt zu sehen."
Die Rostocker Postbeamten schicken das Schreiben auf dem Dienstweg an die Oberpostdirektion Schwerin, und die überstellt es der Oberpostdirektion Berlin. Dort tragen die Verantwortlichen allerdings Bedenken, schließlich handle es sich doch um biblische Namen, die seit Jahrhunderten auch von christlichen Menschen getragen würden. (Man merkt, der Nationalsozialismus steht hier noch am Anfang, da ist man noch zimperlich und wägt ab. Das sollte sich bald geben, wie wir wissen.) Die Beamten diskutieren die Frage noch ein paar Monate auf dem Schriftweg. Doch dann hat man dank aufgeschlossener Beamter ein Einsehen, und so wird im Telefonbuch von 1934 eine "arisierte" Buchstabiertafel abgedruckt: