Tom Saywers Freund Huck… Nein, kein Vorbild für die amerikanische Jugend. Allein schon diese Gossensprache, pfui, - mit der Mark Twain den "Grundstein der amerikanischen Literatur" legte. Autorin: Christiane Neukirch
So weit ist es jetzt also gekommen, dass ich im Bayerischen Rundfunk reden soll. Reden ist nicht so mein Ding. Ich bin immer ein Mann der Tat gewesen. Hab nie ein Abenteuer gescheut. Aber es stimmt schon: zu erzählen hab ich viel. Und offenbar interessiert es die Leute, was ich erlebt hab. Sonst wäre ich nicht hier, nach über 130 Jahren. Das Erzählen hat aber dann zum Glück ein gewisser Mark Twain übernommen. Der hat meine Abenteuer prokotolliert (sic!). Er wollte sogar mein ganzes Leben aufschreiben. Gott bewahre! Ich bin froh, dass ich ihn überreden konnte, es bei meiner Jugend zu belassen. Die war ja aufregend genug. Er hat versprochen, alles so zu schildern wie es war. Erst hab ich mir gedacht: ist vielleicht gar nicht so gut, wenn das alles ans Licht kommt. Denn ich hab ja nicht so gelebt, wie die Leute das gerne gehabt hätten. Ich hab eine Sünde nach der anderen begangen. Schule schwänzen, Weglaufen, Diebstahl, Fluchthilfe, Nichtwaschen, Nichtbeten und sowas alles. Aber Mr. Twain hat gesagt, das macht nichts. Er versicherte mir, dass ich dafür nicht ins Gefängnis komme, sondern vielleicht sogar berühmt werde. Damit hat er ja dann recht gehabt.
Auf der Flucht
Für den Fall, dass es noch nicht gesagt wurde: ich bin Huckleberry Finn, genannt Huck. Ich wurde vor ziemlich vielen Jahren in St. Petersburg geboren. Das kennt ja jeder, der nicht ganz hinterm Mond lebt. Der Ort, wo der ewige Mississippi rauscht und die großen Raddampfer vorbeifahren. Mein Paps war leider oft betrunken und dann wurde er fies. Daher musste ich weglaufen. Und so begannen meine Abenteuer - die ich zum Glück nicht allein durchstehen musste: denn auf der Flucht traf ich Jim, den "Nigger" von Mrs. Watson.
Und damit ging der Ärger schon los. Nicht mit Jim: der wurde mein Freund. Und auch nicht mit meinem Sündenregister. Das fanden die Leser nachher gar nicht so schlimm. Aber mit meiner Sprechweise. Mr. Twain meinte, es macht gar nichts, wenn ich die Geschichte in meinem Heimatdialekt erzähle. Einen anderen hab ich ja nicht.
Die "Kritiker", also so gelehrte Leute, haben dann aber gesagt: Das geht nicht, in einem Buch so eine Sprache zu benutzen. Das wäre echter Müll, nur was für die Slums und nichts für reskeptable (sic!) Leute. Ich hab Mr. Twain vorgeschlagen, dass er es umschreibt, aber er hat nur gelacht: "Das erhöht uns die Verkaufszahlen bestimmt um 25.000."
Das "N-Wort"
Aber dann das mit dem "Nigger". Ich hab in dem Buch 219-mal das N-Wort benutzt. Weil das alle taten damals in meiner Stadt. Da kannte man’s nicht anders. Das ist natürlich nicht nett. Das weiß ich heute. Aber damals hab ich’s halt gesagt. Jetzt haben die Gelehrten vor ein paar Jahren das Buch umgeschrieben. Da heißt der Jim jetzt "Sklave". Mr. Twain konnte diesmal nichts dazu sagen. Er war da schon 90 Jahre tot. Ich aber lebe immer noch, trotz allem. Jemand namens Hemingway hat sogar gesagt, meine Geschichte hätte den "Grundstein zur amerikanischen Literatur gelegt".