Ein Begeisterungstaumel brach in den jüdischen Gemeinden Europas im 17. Jahrhundert aus, als durchsickerte, dass im Heiligen Land ein Messias aufgetaucht war! Doch dieser Schabbetai Zwi trat zum Islam über. Autorin: Yvonne Maier
Man weiß ja nicht genau, wie man überhaupt Messias wird. Der jüdische Religionsgelehrte Schabbetai Zwi jedenfalls war zunächst Prophet - zumindest hat er das seinen Freunden erklärt. Doch weil ein Prophet auch im 17. Jahrhundert im eigenen Lande nichts galt, geschah, was geschehen musste: Schabbetai Zwi wurde aus der jüdischen Gemeinde seiner Heimat Ismir an der türkischen Küste hinausgeworfen. Der Erfolg stellte sich erst ein, als er glaubte, Stimmen zu hören und sich, ermutigt vom Rabbiner Nathan Aschkenazi aus Gaza, zum Messias erklärte.
Auf deutschem Boden war zu diesem Zeitpunkt gerade erst der 30-jährige Krieg vorbei. Eine Zeit, in der nicht nur die christliche Zivilbevölkerung gelitten hatte. Auch die kleinen, verstreut liegenden jüdischen Gemeinden wie in Franken hatten wenig zu Lachen gehabt - wie so oft in ihrer Geschichte.
Man wähnt und munkelt
Und jetzt: Gerüchte über Gerüchte. Nathan Aschkenazi sandte Briefe in die ganze Welt hinaus und Anhänger und Reisende verbreiteten die Sensation: Es gibt einen jüdischen Messias im Gelobten Land! Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die gute Nachricht im kriegsgebeutelten europäischen Abendland.
Zahlreiche jüdische Gemeinden wurden ergriffen vom Messias-Taumel, Amsterdam, Hamburg, aber wohl auch die Gemeinde aus Fürth in Franken. Es wird berichtet von einer großen Unruhe, die die jüdischen Gemeinden erfasst hatte. Die einen tanzten und sangen ohne Unterlass für den Messias, für das Gottesreich. Die anderen beklagten sich, dass sich vor lauter Begeisterung um das Kommen des Erlösers nicht einmal mehr die nötigen zehn Männer zum Gottesdienst einfanden. Wieder andere waren eher von Furcht ergriffen, was das messianische Reich wohl für sie bereit hielt. Beten und die heiligen Schriften studieren, von früh bis spät, tagein, tagaus, das war ihre Strategie.
Hauptsache hin!
Doch zum Schluss gab es für viele Juden in Europa nur eine schlüssige Reaktion auf das Kommen des Messias: Hinfahren, fort aus dem Land der dunklen Wälder, nach Palästina, ins Gelobte Land, wo Milch und Honig fließen und wo der Messias ist.
Man erzählt sich, dass zahlreiche Fürther Juden ihr Hab und Gut auf Ochsenkarren gepackt und ihre Häuser verkauft haben.
Der letzte Abend im armseligen Franken, in leeren, trostlosen Zimmern, auf einzelnen Stühlen mit einer letzten Kerze, voller Erwartung auf die rosige Zukunft. Und dann - Ende November ging es los. Doch wer den November in Franken kennt, weiß jetzt schon, wie beschwerlich diese Reise wohl gewesen sein muss. Schlamm, Matsch, Regen und Kälte - der Weg ins messianische Reich ist nicht leicht. Schon das Wetter ist kaum auszuhalten. Und dann kommen da noch die Räuber und Wegelagerer, die die Auswanderer mit ihren sperrigen Ochsenkarren, beladen mit Hausrat, unterwegs mit Alten und Kindern, ins Visier genommen hatten. Mit allem, was sie dabei hatten, setzen sie sich zu Wehr, mit Stöcken und Messern, fast machtlos gegen die Feuerwaffen der christlichen Banditen. Doch die Überzahl kam ihnen zu Hilfe - die erste Hürde war überwunden! Ein Zeichen, dass Gott will, dass sie nach Palästina kommen?