Es war kalt, es lag sogar Schnee, und die Patente waren noch nicht ausgereift. Deshalb wagten sich beim ersten Autorennen in den USA, am 28. November 1895, auch nur sechs Fahrer an den Start. Das Ziel erreichte kaum einer.
Irgendwie können sie einem schon leid tun, unsere Ur-Ur-Omas und
Ur-Großonkel. In Filmen und Dokus rennen sie mit aufgelöstem Haar vor dem Anblick der ersten Eisenbahnen und Luftschiffe davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Und abends raunen sie ihren Anverwandten im Schein der Petroleumfunzel zu, was für Ungetüme aus einer Alptraumwelt ihnen begegnet sind.
Große Pioniere - kleine Pannen
Oder ist das alles gar nicht wahr? Die rauchenden, dampfenden, knatternden Prototypen der schnellen Fortbewegung lösten nicht nur Panik aus, sondern auch eine Menge Interesse. Bei den ersten Autorennen in Frankreich und den USA säumten Tausende staunender Fans die Strecken. Die Bildberichte in Illustrierten und Abendblättern wurden vom Publikum verschlungen.
Und überhaupt, das Auto ist nicht erst Ende des 19. Jahrhunderts erfunden worden, wie man immer denkt. 1769 gab das Pariser Kriegsministerium eine dampfgetriebene Zugmaschine in Auftrag, um Kanonen schneller vom Fleck zu bringen. Ein gewisser Nicholas Joseph Cugnot entwickelte so ein Kanonenfahrzeug auf drei Rädern, das es immerhin auf eine Geschwindigkeit von vier Stundenkilometern brachte. Bei der Probefahrt baute Cugnot dann auch gleich den ersten Autounfall der Weltgeschichte: Weil sich das Gefährt mit dem tonnenschweren Dampfkessel über der Vorderachse kaum steuern ließ, endete die Tour an einer Kasernenmauer. Und der Dampfkessel war nach gerade mal zwölf Minuten leer.
Besessene Erfinder lassen sich von solchen lächerlichen Missgeschicken nicht schrecken. 1813 konstruierte der Schweizer Isaac de Rivaz einen Handwagen mit Explosionsmotor: Ein Gemisch aus Kohlegas, Wasserstoff und Luft trieb einen Kolben in die Höhe. Allerdings musste jede Zündung per Hand ausgelöst werden. 1881 präsentierte der Franzose Gustave Trouvé das erste richtige Elektro-Auto. Erst 1886 drängte sich dann der deutsche Ingenieur Carl Friedrich Benz mit seinem "Patent-Motorwagen Nr. 1" in die Industriegeschichtsbücher; sein Auto war besonders praxistauglich.
Im Juni 1895, also ein Jahr früher schon, hatte drüben in Amerika der Zeitungszar Herman Kohlsaat die Idee, die Auflage seiner Blätter mit einem völlig neuartigen Event zu steigern: Er kündigte "America´s First Horseless Carriage Race" an, auf deutsch ein Rennen für Fortbewegungsmittel ohne Pferde. 5000 Dollar konnte derjenige Tüftler gewinnen, der für dieses Rennen das schnellste Gefährt für zwei Personen - Fahrer und Schiedsrichter - konstruieren würde. Die Strecke von Chicago nach Evanston war 87 Kilometer lang, und im Lauf der Monate meldeten sich 79 hoffnungsvolle Erfinder an.
Rennen als Slapstick-Nummer
Doch als es dann so weit war, am 28. November 1895, herrschte grässliche Kälte, und in Chicago lagen 15 Zentimeter Neuschnee. Nur noch sechs ganz Mutige folgten dem Startschuss. Zwei Elektroautos schieden bald aus, ihre Batterien hatten den Geist aufgegeben. Der stolze Besitzer eines Benz-Motors blieb mit durchdrehenden Reifen im Schnee stecken. Ein zweiter Benz aus New York stieß gleich zweimal mit Pferdefuhrwerken zusammen. Nummer fünf erreichte nach mehr als zehn Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von
11 Stundenkilometern die Ziellinie und hätte eigentlich disqualifiziert werden müssen, weil er die Strecke verlassen und seinen Steuerknüppel repariert hatte, aber weil eh kaum einer bis ins Ziel gekommen war zeigten sich die Preisrichter gnädig.