Es darf geballert werden, gehüpft, abgetanzt, geautorennfahrert - das Wohnzimmer wird zum wundersamen Spieleland. Möglich macht das die "Playstation" von Sony. Doch als die Konsole bei uns auf den Markt kommt, scheiden sich die Geister: Ist das kindgerecht oder Teufelswerk?
Fast zwei Dutzend Jumbos machen sich damals angeblich auf den Weg von Japan nach "Good old Europe", um die Menschen auch in der "alten Welt" zu beglücken. An Board: eine High-Tech-Fracht, unscheinbare mausgraue Kisten, die es aber in sich haben. Sie sollen auch in europäischen Wohnzimmern dafür sorgen, dass verbeulte Bleche, geplatzte Reifen und zerdepperte Leitplanken in sorgfältig gezackten Polygonen virtuos über die Bildschirme segeln. Dass wir Wüstenlandschaften unbekannter Planeten betreten, aus denen bunte Riesenroboter auf uns zujagen - oder dass wir in dunklen, muffigen Gemäuern endlich verwunschene Geister erlösen können.
Denn im Affentempo Vielecke errechnen und daraus dreidimensionale Welten von verblüffender Suggestivkraft erschaffen, das konnte sie erstaunlich gut - Sonys neue Spielmaschine, genannt "Playstation" - mit diversem Zubehör, um die Geschicke in den virtuellen Welten auch lenken zu können: von "Joypads", "Joysticks" über "Lichtpistolen" bis hin zu "Tanzmatten".
Im nächsten Level ...
Und während die junge Kundschaft in den Wohn-, pardon "Kinderzimmern", große leuchtende Augen bekommt, ist das Aufsichtpersonal zunehmend schockiert über das, was es da zu sehen bekommt: Aus harmlosen Autorennen werden auf einmal Blutbäder. Ein kleiner Fehler und schon hat eine fiese Gestalt aus der Unterwelt einen am Wickel und verspritzt Blut auf dem Bildschirm.
Für Kids, die sich in die Materie vertiefen, ist die Geisterbahn auf dem Volksfest bald eine ziemlich öde Veranstaltung. Und die Debatten darüber, ob genau diese brutalen Ballerspielchen eine Generation von potentiellen Gewaltverbrechern heranwachen lassen, werden fortan nicht verstummen.
Bei der Kundschaft selbst sorgen derweil "Congratulations", dass man am Ende eines Trips sämtliche Gegner in Rekordzeit atomisiert hat und sich in der Highscore-Liste verewigen darf, einfach nur für ungeahnte Glücksgefühle.
Die scheinbar gefährlichen Spielchen beglücken paradoxer Weise gerade mit der Fähigkeit, eine Welt ins Haus zu bringen, die eben nicht weh tut:
Trotz Geballer keine Platzwunden, keine blaue Augen oder Beulen, die man verarzten müsste. Die Hände bleiben sauber - selbst im Blutrausch. Und falls man im "Kampf ums Dasein" versehentlich doch mal die eignen Fähigkeiten überschätzt und den falschen "Level" gewählt hat, rettet man sich einfach per "Reset-Taste".
Game over gibt´s nicht
Doch ein Phänomen kann man selbst damit nicht stoppen: Die Spiele erschaffen ihre eigenen Super-Helden mit dem Zeug zum Pop-Star. Z.B. eine gewisse Lara. Lara Croft. Eine Action-Lady die sich durch düstere Tempel und Burgen schießt und boxt, um am Ende geheimnisvolle Zauberschlüssel zu finden. Lara schafft es mit ihrem knackigen Busen sogar auf die Titelseite der Magazine. Star-Desiger aus dem Haus Givenchy schneidern Kleidchen für sie. Eine Art "Indiana Jane" mit "Pamela-Anderson-Ausrüstung" - die dank soundoptimierten "Puhhh"-Ausruf männliche Spieler bisweilen sogar einen Orgasmus erahnen lässt.
Und die Piloten in ihren zwei Dutzend Jumbos? Wären die sofort abgedreht oder gar notgelandet, wenn sie geahnt hätten, was sie da eigentlich nach "Good Old Europe" einschleppen? Kein Mensch weiß es. Und es ist auch zu spät.
Am 29. September 1995 hatte die Playstation Verkaufsstart in Europa.