Es kommt nicht oft vor, dass Künstler große Selbstvermarkter sind. Doch vor Damien Hirst ziehen auch Manager den Hut. Am 29. August 2007 bringt sein Diamant-Totenschädel 75 Millionen Euro ein. Und Hirst hat wieder mal gewonnen.
Ein Hai macht den Anfang. Ein Tigerhai. Konserviert in einem mächtigen, gläsernen Tank schwappt er seit den frühen 1990ern durch die Museen dieser Welt. Der fahle Fischkadaver mit dem weit aufgerissen Maul war der Beginn einer atemberaubenden Karriere und ist heute geradezu ein Markenzeichen geworden: Der Hai im Tank steht für Damien Hirst - britischer Skandal-Künstler und Marketing-Genie in einem.
Riecher für Skandale
Das Meerestier hat inzwischen etliche Nachfolger bekommen. Weitere Tierkadaver sind hinzugekommen: eingelegte Kühe, Schafe und sogar ein Zebra. Mal im Stück, mal halbiert, mal zersägt in schmale Streifen - allesamt eingesargt in raumfüllende Formaldehyd-Aquarien. Ein bisschen Schock, ein bisschen Grusel, ein bisschen Biologie-Unterricht.
Die Idee sei ihm gekommen, weil er als kleiner Junge so gern die ausgestopften Tiere im Naturkundemuseum seiner Heimatstadt Leeds betrachtet habe. Als Jugendlicher hat Hirst Spaß an heimlichen Schnappschüssen im anatomischen Institut: Der junge Damien als grinsender Teenager in Schwarz-Weiß, Wange an Wange mit einem abgeschnittenen menschlichen Kopf. Die eilig geknipsten Doppel-Porträts auf dem Obduktionstisch fallen heute unter die Kategorie "Frühwerk".
Längst ist Damien Hirst in den renommierten Museen dieser Welt angekommen. Kluge Menschen schreiben kluge Aufsätze über ihn. Er füllt goldene Vitrinen mit ausgedrückten Zigarettenstummeln und reißt Tausenden von Schmetterlingen die Flügel aus, um damit überdimensionale Leinwände zu bekleben. Er lässt Heerscharen von Fliegen im hellen Blitz eines stromführenden Insektentöters verenden und schleppt blutige Kuhschädel in Galerien, die dort so lange vor sich hin faulen, bis die Maden kommen. Noch nie hat Kunst so gestunken - und war gleichzeitig so teuer.
Das Arbeiterkind aus Leeds hat also buchstäblich einen guten Riecher. Wenige Grundideen, monströs aufgeblasen und heldenhaft vermarktet. Hirsts Auftritte sind legendär. Er drückt der Künstlergruppe der Young British Artists seinen Stempel auf und gewinnt als Förderer den steinreichen Kunsthändler Charles Saatchi. Hirst verkauft zu Sensationspreisen und stellt gleichzeitig die Regeln des Kunstbetriebs auf den Kopf: "Ich mag keine Museen, wenn man da ausgestellt wird, ist man tot!"
Hirst kauft Hirst
Ein Künstler, aber immer auch sein eigener Unternehmer: Am 29. August 2007 kommt ein Werk unter den Hammer, das für besonders viel Wirbel sorgt: ein über und über mit echten Diamanten besetzter Platinabguss eines Totenschädels - 8.601 lupenreine Kristalle bis tief in Augenhöhlen und Nasenöffnung.
Der funkelnde Schädel, der unter massivem Sicherheitsaufwand in einer abgedunkelten Londoner Galerie ausgestellt wird, soll einem den Atem verschlagen. Hirst findet den Anblick "erbauend". Die wahnwitzige Vanitas-Kunst, deren reiner Materialwert mit rund 15 Millionen Euro zu Buche schlägt, wird von einer Käufergemeinschaft für umgerechnet 75 Millionen Euro ersteigert. Der höchste Preis, der je für die Arbeit eines lebenden Künstlers bezahlt wurde.