Die Briten und ihr Königshaus - ein Auf und Ab. Die Geschichtsbücher jedenfalls sind voller Intrigen, Skandale und durchaus Unappetitlichem ... um an die Krone zu kommen, musste da schon mal der Kopf ab!
Noch nie hatte London einen neuen Monarchen so eisig empfangen. Eine stumme Menge sah am 10. Juli 1553 zu, wie eine Flotille geschmückter Boote mit festlich gewandeten Höflingen über die Themse glitt. Keiner jubelte, als Lady Jane Grey ihrem Schiff entstieg und feierlich in den Tower einzog. Niemand tanzte in den Straßen, als die Herolde sie zur Königin ausriefen. Was ziemlich lange dauerte, weil sie erstmal ausführlich erklären mussten, wer diese Jane Grey eigentlich war und warum König Eduard VI. sie zur Nachfolgerin bestimmt hatte und nicht seine ältere Schwester Mary, obwohl doch jeder wusste, dass sein Vater Heinrich VIII. und das Parlament die Thronfolge so festgelegt hatten. In die Grabesstille hinein rief ein junger Mann, die Krone gehöre Mary. Er wurde sofort verhaftet, und zur Strafe schnitt man ihm beide Ohren ab.
Da könnte ja jeder auf den Thron kommen
Eins war den Untertanen klar: diese Thronfolge besiegelte das Regime des verhassten Herzogs von Northumberland. Er war der mächtigste Mann in England, der wahre Herrscher hinter dem minderjährigen König Eduard, ein ehrgeiziger Aufsteiger, der einen Rivalen gestürzt und geköpft und sich selbst an die Spitze des Reichs gesetzt hatte. Als Eduard mit fünfzehn Jahren im Sterben lag, gelang dem Herzog der große Coup: Er brachte Eduard dazu, seine Halbschwestern Mary und Elizabeth zu übergehen und seine ebenfalls erst fünfzehnjährige Cousine Jane Grey zur Thronerbin zu bestimmen. Die hatte der Herzog hastig mit seinem Sohn verheiratet, und schon wähnte er sich als Begründer einer neuen Dynastie. Sein Sohn würde mit Jane gekrönt werden und er selbst auch in Zukunft die Fäden ziehen.
Aber der Herzog hatte die Rechnung ohne die Frauen gemacht. Jane Grey war von ihrem Aufstieg nicht weniger überrascht als ihre Untertanen: am Sonntagmorgen hatte sie noch keine Ahnung, dass sie Königin werden sollte, und am Montagmittag zog sie in London ein.
Aber sie gewöhnte sich blitzschnell an ihre neue Lage, ließ kistenweise Juwelen aus dem Kronschatz heranschaffen, bestellte goldene Zahnstocher und weigerte sich mit eiserner Entschlossenheit, ihren Gatten krönen zu lassen. Wenn schon Königin, dann richtig.
Königin kann schließlich nicht jede
Und Mary Tudor dachte nicht daran, einfach aufzugeben. Während die Boten von London ausschwärmten, um auf den Marktplätzen des Reichs Königin Jane zu proklamieren, galoppierten andere Reiter von Stadt zu Stadt und riefen die Engländer auf, ihre rechtmäßige Königin Mary zu verteidigen. Und sie kamen.
Zu Tausenden versammelten sie sich vor Marys Burg in Ostengland. Der Herzog von Northumberland zog an der Spitze einer Armee gegen sie aus, aber Marys Streitmacht war dreimal größer. Seine Soldaten desertierten. In London ließ ihn der Kronrat im Stich und proklamierte Mary als Königin. An diesem Abend brannten Freudenfeuer in allen Straßen, die Kirchenglocken läuteten und Bier floss in Strömen.