Die Errichtung eines eigenen Imperiums gehört zu den Standardaufgaben eines gestandenen Diktators. Gemeinhin sind die Herrschaften Diktatoren jedoch weit weniger gestanden, als sie sich wähnen. Ergo sind die meisten Imperien schon bei Errichtung dem Untergang geweiht.
Ein Weltreich errichten! Ein Imperium! Du meine Güte ... Wir wissen, was Obelix dazu gesagt hätte: "Die spinnen, die Römer". Nur waren ja aber die Römer bei weitem nicht die einzigen, die meinten, möglichst vielen Völkerschaften das Licht ihrer Zivilisation bringen zu müssen. Die ganze Weltgeschichte auf und ab haben größenwahnsinnige Feldherren und machtbesessene Diktatoren ihre Herrschaftsbereiche so lange aufgebläht, bis diese - schier naturgesetzmäßig - wieder in sich zusammenfielen. Nehmen wir als Beispiel Benito Mussolini, den Führer der faschistischen Partei Italiens. Seit er im Oktober 1922 die Macht ergriffen hatte, träumte er davon, das Römische Reich wieder herzustellen,
in seiner alten Größe und in seinem alten Glanz.
Irgendwie verkennend, dass die Römer nie dorthin gekommen waren, ließ er 1935 fast 200.000 italienische Soldaten in Äthiopien einmarschieren. Das war die größte nicht-afrikanische Streitmacht, die jemals auf dem schwarzen Kontinent gekämpft hatte, und sie ging mit äußerster Brutalität vor. Hunderttausende wehrloser Zivilpersonen - Bauern und Viehhirten die meisten - fielen Bombenabwürfen und Senfgasangriffen zum Opfer.
Der Krieg ist zu Ende
Am 9. Mai 1936, sieben Monate nach Beginn der Offensive, konnte sich der Duce auf den Balkon des Palazzo Venezia in Rom stellen und bekanntgeben, dass der Krieg zu Ende sei. Italien herrschte nun über Äthiopien, Eritrea und ausgedehnte Gebiete an der somalischen Küste, ferner über Libyen und Teile der Ägäis. Damit sei, so verkündete Mussolini, das antike Imperium Romanum wiedererrichtet.
Es versteht sich, dass das die Verpflichtung mit sich brachte, die unterworfenen Barbaren zu zivilisieren. Eine gigantische Aufgabe! Um sie zu bewältigen, sollten sechseinhalb Millionen Italiener in Ostafrika angesiedelt werden. Eine faschistische Idealgesellschaft sollte entstehen. Dazu hieß es zunächst einmal: Städte bauen, mit Regierungs- und Verwaltungsgebäuden, mit Schulen, Spitälern, Kirchen, Kinos und ... ja, doch, auch das: mit Unterkünften für die einheimische Bevölkerung. Letztere natürlich außerhalb, ohne direkten Zugang zu den Innenstädten. Schließlich hatte der Duce gesagt, dass man kein Imperium erobere, um sich zu entarten, und dass er kein gemischtes Blut wolle.
Afrika ist im Neubau
Asmara, die jetzige Hauptstadt Eritreas, nahm man sich als erstes vor.
Eine Ansiedlung, in der 45.000 Einheimische lebten, wurde platt gemacht und an ihrer Stelle eine Stadt europäischen Zuschnitts aus dem Boden gestampft, mit Gebäuden im Stil der klassischen Moderne - ein piccola Roma! Che bello!
Das war´s dann aber schon. Der Zweite Weltkrieg durchkreuzte die weiteren hochfliegenden Pläne. 1941 vertrieben die Briten die italienischen Besatzer aus Äthiopien, setzten Haile Selassie wieder als Kaiser ein und machten dem Traum vom Africa Orientale Italiana ein Ende. Was dieser Traum gekostet hat - an Menschenleben, an materiellen Ressourcen - das ist nicht zu ermessen. Genau betrachtet war er von vorn herein zum Scheitern verurteilt - so, wie es die imperialen Träume von Diktatoren grundsätzlich zu sein pflegen.