Heute ist sie Schutzheilige des Fernsehens - dabei wäre sie besser Patronin des Feminismus geworden. Denn durchgesetzt hat sich Klara von Assisi gegen die männlichen Kirchenoberen - vehement und erfolgreich!
Peinlich, peinlich, wenn der Opa plötzlich in Muscle-Shirt und bunt karierten Boxershorts durch den Garten stapft, um mit der hübschen neuen Nachbarin zu flirten. Ähnlich geht es bisweilen altehrwürdigen Institutionen, wenn sie sich auf Teufel komm raus modern geben wollen. Der einundachtzigjährige Papst Pius XII. erklärte 1958, wenige Monate vor seinem Tod, die heilige Klara von Assisi zur Patronin des Fernsehens - mit einer Begründung, die zum Himmel schreit, wo sich Klara unzweifelhaft befindet: Als alt gewordene Ordensfrau war Klara lange Zeit ans Bett gefesselt und konnte an der Christmette nicht teilnehmen. Doch der liebe Gott schickte ihr - sozusagen als Weihnachtsgeschenk - eine Vision: Der komplette Gottesdienst in der wenige Kilometer entfernten Kirche zog an ihrem geistigen Auge vorüber - was bei klassischen Heiligen freilich nichts Besonderes ist und auch bei der telepathisch begabten Resl von Konnersreuth vorgekommen sein soll. Eine Vision sei ja eigentlich nichts anderes als Fern-sehen, befand Papst Pius, und seither ist Klara die Schutzpatronin aller Fernsehmacher und Fernsehgucker - keine besonders mächtige Schutzfrau, wenn man sich das Programm so anschaut.
Besser Schutzheilige des Feminismus
Dabei hätte Chiara, "die Leuchtende" heißt das auf deutsch, derlei alberne Publicity überhaupt nicht nötig gehabt. Denn die taffe Adelstochter aus Assisi wusste genau, was sie wollte, und veränderte das innerkirchliche Klima damals im 13. Jahrhundert ähnlich nachhaltig wie ihr Freund Franziskus. Papst Pius hätte sie besser zur Patronin weiblichen Selbstbewusstseins oder zur Schutzheiligen der feministischen Bewegung machen sollen, die 1958 schon kräftig von sich reden machte. Gewiss, Chiara bewunderte den zwölf Jahre älteren Francesco wegen seines unbekümmerten Charismas und der Tollkühnheit, mit welcher er seinem betuchten Vater die schönen Kleider vor die Füße warf: Ab sofort wolle er nur noch auf den Vater im Himmel hören, den Menschen von Gott erzählen und in den Dörfern heruntergekommene Kirchen reparieren.
Aber Chiara - später Klara, in edlem Kirchenlatein - wollte Francesco - später Franziskus - keineswegs einfach nachahmen. Wanderpredigerin hätte sie auch kaum werden können, das war nichts für Frauen, erst recht nichts für Adelstöchter. Chiara gründete zunächst, mit Freundinnen zusammen, ein Klösterchen und dann ein weibliches Pendant zum Franziskanerorden, das sich von allen anderen spirituellen Gemeinschaften der Epoche durch den radikalen Verzicht auf Eigentum unterschied. Nicht nur die einzelnen Schwestern waren arm, auch das Kloster besaß nichts, überhaupt nichts, keine Grundstücke, keine Häuser, keine Bücher.
Besser ohne Anverwandte
Doch bevor sie die Kirche umkrempeln konnte, musste Chiara mit ihrer Familie brechen, denn die hatte natürlich längst eine standesgemäße Partie für sie im Auge. In der Nacht zum Palmsonntag 1212, es war ein 19. März und alle im Haus schliefen, schlüpfte die achtzehnjährige Chiara durch die sogenannte Totenpforte der Adelsburg, durch die man die Verstorbenen hinauszutragen pflegte und die man abzuschließen vergessen hatte, und lief im fahlen Mondlicht über gottverlassene Straßen zu einem Kapellchen namens Portiuncula. Hier warteten Francesco und seine Gefährten. Chiara vertauschte ihr kostbares Gewand mit einem einfachen Wollkleid, Francesco schnitt ihr die schönen Haare ab - Zeichen für ein gottgeweihtes Leben -, und die Flucht ging weiter zu den Benediktinerinnen von San Paolo delle Abbadesse.
Als sie ihre wütenden Verwandten dort aufspürten, hielt sich Chiara - das heilige Asylrecht nutzend - am Altar fest, riss sich das Kopftuch herunter und zeigte der entsetzten Familie den kahl geschorenen Kopf. Ein Drama. Ein Skandal. Aber Sankta Chiara wurde die erste Frau in der Kirchengeschichte, die ihre eigene Ordensregel schrieb - und, ja richtig, sie ist auch die Schutzpatronin des
TV-Publikums.