Im Kerker ungewiß und sorgend durchgemacht,
Ward morgen ins Verhör gebracht.
Der Richter war ein schalkscher Mann,
Der jeden mit Vergnügen schraubte,
Und doch—(wie man sich irren kann!)
Von seiner Frau das beste glaubte.
"Sie ist ein Ausbund aller Frommen,
Und nur einmal in Wald gekommen,
Den Pater Eremit zu sehn.
Einmal! Was kann da viel geschehn?"
So denkt der gütige Herr Richter.
Denk immer so, zu deiner Ruh,
Lacht gleich die Wahrheit und der Dichter,
Und deine fromme Frau dazu.
Nun tritt der Eremit vor ihn.
"Mein Freund, wollt Ihr von selbst die nennen,
Die—die Ihr kennt, und die Euch kennen:
So könnt Ihr der Tortur entfliehn.
Doch"—"Darum laß ich mich nicht plagen.
Ich will sie alle sagen.
Herr Richter, schreib Er nur!" Und wie?
Der Eremit entdecket sie?
Ein Eremite kann nicht schweigen?
Sonst ist das Plaudern nur den Stutzern eigen.
Der Richter schrieb. "Die erste war
Kamilla"—"Wer? Kamilla?" "Ja fürwahr!
Die andern sind: Sophia, Laura, Doris,
Angelika, Korinna, Chloris"—
"Der Henker mag sie alle fassen,
Gemach! und eine nach der andern fein!
Denn eine nur vorbei zu lassen"—
"Wird wohl kein großer Schade sein",
Fiel jeder Ratsherr ihm ins Wort.
"Hört", schrieen sie, "erzählt nur fort!"
Weil jeder Ratsherr in Gefahr,
Sein eigen Weib zu hören war.
"Ihr Herren", schrie der Richter, "nein!
Die Wahrheit muß am Tage sein;
Was können wir sonst für ein Urteil fassen?"
"Ihn", schrieen alle, "gehn zu lassen."
"Nein, die Gerechtigkeit"—und kurz der Delinquent
Hat jede noch einmal genennt,
Und jeder hing der Richter dann
Ein loses Wort für ihren Hahnrei an.
Das Hundert war schon mehr als voll;
Der Eremit, der mehr gestehen soll,
Stockt, weigert sich, scheut sich zu sprechen—
"Nu, nu, nur fort! was zwingt Euch wohl,
So unvermutet abzubrechen?"
"Das sind sie alle!" "Seid Ihr toll?
Ein Held wie Ihr! Gestehet nur, gesteht!
Die letzten waren, wie Ihr seht:
Klara, Pulcheria, Susanne,
Charlotte, Mariane, Hanne.
Denkt nach! ich laß Euch Zeit dazu!"
"Das sind sie wirklich alle!" "Nu—
Macht, eh wir schärfer in Euch dringen!"
"Nein keine mehr; ich weiß genau_—
"Ha! ha! ich seh, man soll Euch zwingen"—
"Nun gut, Herr Richter,—Seine Frau"—
*
Daß man von der Erzählung nicht
Als einem Weibermärchen spricht,
So mach ich sie zum Lehrgedicht,
Durch beigefügten Unterricht:
Wer seines Nächsten Schande sucht,
Wird selber seine Schande finden!
Nicht wahr, so liest man mich mit Frucht?
Und ich erzähle sonder Sünden?