Ein Sperling hatte ein Stückchen alter Brotrinde erhascht und flog damit auf das Gesimse eines Hauses dicht an ein offenes Fenster heran. Da gewahrte er in einem Käfig, welcher auf dem Brette desselben stand, einen Kanarienvogel. Dieser hüpfte bald zur Rechten, wo zwischen den Drähten ein Zwieback steckte, dann zur linken nach einem Apfelschnitt und ließ sich die Leckerbissen munden. Mit Neid schaute der Spatz auf den Begünstigten. "Ich muß mich mit einer so elenden, schmutzigen, gemeinen Rinde begnügen, und dieser Kerl schwelgt in allen Genüssen!" Er ließ die Brotrinde fallen und schalt weiter. "Nein, da will ich lieber hungern, als diese ekelhafte Speise genießen." Aber das Bedürfnis nach Nahrung war doch zu stark, er nahm einen Schnabel voll, schielte aber dabei gierig nach dem Zwieback und schimpfte innerlich weiter.
"Das ist eine schlechte Fabel", denkst du, mein Leser, "so töricht ist doch ein Tier nicht, daß es sich den Genuß dessen, was es besitzt, durch Neid auf fremden Besitz vergiftet." Du hast recht, vollkommen recht. So töricht können ja nur Menschen sein.