Eine Liebe in Afrika habe ich nie gehabt. Afrika, wie schön wäre es, mit der Eisenbahn von Addis Abeba bis zum Endpunkt in den Nordwesten zu fahren und dort einen Spaziergang in
Dschibuti bis zur Tadjoura-Bucht zu machen; von der Bucht hinaus aufs Meer zu schauen und die unzähligen Sterne über Äthiopien zu bewundern. Kalt wäre es in der Nacht, doch wärmen könnte mich Newaya. Sein Vater besäße eine kleine Schaf- und Ziegenherde, dessen Felle er an Händler in Dschibuti oder in Ali Sabieh verkaufen würde. Teilweise würden diese dann am Flughafen oder am Hafen nach Dubai exportiert, für weitaus mehr Geld, als das, was sein Vater, sein Name wäre vielleicht Mahamoud, dafür bekommen hätte. Doch sein Vater wäre froh über das Geld, dass der Händler ihm böte, denn es gibt viele Menschen, die von den Fellen ihrer Tiere leben in Holhol, der Stadt in der er wohnte. Sein Sohn würde ihm bei der Arbeit helfen, sein Nachfolger werden. Newaya hätte dunkle Augen, die so schwarz wären, wie der Himmel über Dschibuti. Er hätte unheimlich große, schlanke Hände, die mir Trost spenden könnten in der Nacht und mich am Morgen sanft aus dem Schlaf streichelten. Seine Stimme würde in meinen Ohren klingen, wie der Wind an einem Felsen, in der Bucht von Tadjoura. Wir würden nächtelang wach liegen und uns verstehen lernen, ohne Worte, denn Newaya könnte kein Deutsch, könnte kein Englisch. Ich kann kein Französisch. Wir hätten uns kennen gelernt bei einem Freund von mir, dessen Vater ein Kaffeehändler aus Dschibuti wäre, ganz zufällig und doch so vertraut. Seine Art zu leben wäre mir fremd, doch würde ich sie erfühlen wollen mit all meinen Sinnen, ihn spüren mit meiner ganzen Seele. Seine warme Haut würde mich die Welt vergessen lassen, die Stadt in der ich lebe. Doch vergessen werde ich sie nie, denn in Afrika bin ich niemals gewesen.