Der Regen prasselte monoton auf den Asphalt. Das Wasser sammelte sich bereits auf der Straße in großen Pfützen, obwohl ständig Autos vorbeifuhren, die es mit ihren Reifen in Fontainen wieder verteilten. Trotz des Wetters herrschte hier ein reger Verkehr. Nur an Fußgängern mangelte es zurzeit.
Vielleicht wäre bei Sonnenschein jemand vorbeigekommen, der auf dieses kleine Fenster eines Kellerraumes aufmerksam geworden wäre. Doch was hier Grausames geschah, ging im Geschehen des Alltages unter. Motorengeräusche und Hupen übertönten quälende Menschenschreie.
Und während draußen der Regen floss, floss drinnen Blut.
Einen Tag später: Die Leiche bot den grauenvollen Anblick, den man erwarten konnte, wenn ein Mensch sich aus über 15 Metern von einer Brücke gestürzt hatte. Arme und Beine des auf dem Bauch Liegenden befanden sich in einer grotesken Pose und der verdrehte Hals verriet das gebrochene Genick. Der deformierte Kopf ließ vermuten, dass er einen völlig zertrümmerten Schädel beinhaltete. Eine Unmenge Blut war aus einigen aufgeplatzten Stellen ausgetreten und bereits in den Boden gesickert.
Der uniformierte Polizist, Michael Lochner, musterte den Mann und suchte nach Hinweisen zu der Frage, die sich ihm in solchen Fällen immer als erstes stellte: Was hatte den armen Teufel dazu gebracht, dass er als Ausweg nur noch diesen letzten Hechtsprung wusste? Modische Turnschuhe und Frisur, sowie Kleidung, wie sie die Teenager trugen, deuteten auf einen recht jungen Menschen hin. Michael, selbst ein Mann von 41 Jahren, Vater von zwei Kindern, für die er seit drei Jahren Alimente an seine geschiedene Frau bezahlte, schüttelte den Kopf. Höchstens zwanzig, dieser Bengel dürfte höchstens zwanzig Jahre alt sein. Bestimmt lebte er noch bei seinen Eltern. Denen musste nun jemand die wohl schlimmste aller Nachrichten bringen. Der Wachtmeister versuchte sich auszumalen, wie er reagieren würde, brächte man ihm diese Botschaft bezüglich seiner ältesten siebzehnjährigen Tochter. Schnell verdrängte er allerdings diese Gedanken wieder. Seine "Kleine", wie er das gut aussehende Mädchen noch immer nannte, fühlte sich bei ihrer Mutter wohl und auch zu ihm hatte sie ein noch immer familiäres Verhältnis. Er pflegte mit seiner Ex-Frau noch regen freundschaftlichen Kontakt und sie sprachen oft miteinander über ihre Kinder. In diesen Augenblicken konnte Michael sich nicht davon abhalten, seine Geldbörse hervorzunehmen, um sich die Bilder seiner "Süßen" kurz anzusehen. Wenige Sekunden später räusperte er sich und steckte das Leder wieder ein. Persönliche Gefühle störten ihn bei seiner Arbeit, auf die er sich nun wieder konzentrierte.
In der hinteren Hosentasche des Toten steckte ein Geldbeutel. Michael nahm ihn heraus und fand auch gleich das Gesuchte: den Personalausweis. Thorsten Neumüller, 18 Jahre jung. Wieder schüttelte er den Kopf und seufzte. "Feiges Arschloch!", murmelte er, während er die Leiche ein wenig inspizierte. An einer Handinnenfläche fand sich ein verschmierter schwarzer Strich, als habe der Junge kurz vor seinem Tod noch etwas festgehalten, dessen Farbe sich gelöst hatte. Die freigekrempelten Arme zeigten keine Einstiche. Es handelte sich also nicht um einen Drogensüchtigen. Eine weitere grobe Untersuchung ergab nichts Auffälliges, nichts bis auf die Fußspuren direkt an dem Körper, schätzungsweise Größe 43. Jemand hatte sich der Leiche genähert. Michael hatte sofort gesehen, dass es sich um frische Abdrücke handelte. War das vielleicht der anonyme Anrufer, der auf dem Revier angerufen hatte? Oder ...? Michael schaute zur Brücke hoch.
Seine beamteten Kollegen hatten den Platz abgeriegelt, um nicht bei der Arbeit behindert zu werden. Nun trat der Notarzt ein. Der stellte wie erwartet den Tod fest. Michael beachtete den Mediziner gar nicht, da er ihm eh nichts Neues berichten konnte. Er verfolgte die verdächtige Fußspur. Eigentlich hatte Michael damit gerechnet, dass sie ihn auf den nahe gelegenen Parkplatz führte. Doch stattdessen ging er ihr bis zur Treppe nach, die hoch zur Brücke führte. Der Unbekannte hatte also von oben herunter geschaut, vermutete er. Zwar standen an der geschätzten Absprungstelle einige Polizisten, dennoch lief er die Stufen hoch, um sich auch von dort einen Eindruck vermitteln zu können. Etwas keuchend am Ziel angekommen, bemerkte er zwischen zwei Uniformierten einen schäbig gekleideten Mann, vermutlich ein Obdachloser, der ihnen mit wilden Gesten etwas berichtete. Neugierig begab sich Michael zu dem Trio, wo ihm eine mächtige Alkoholfahne entgegen kam. "Ein Zeuge?", fragte er seine Kollegen und schaute dem Kerl kurz auf die Schuhe. Einer nickte mit einem leichten Augenverdrehen, womit er andeuten wollte, dass er der gehörten Geschichte nicht sonderlich viel Glauben schenkte. "Herr Weiß behauptet, er hätte den Vorfall beobachtet."
"Ja", bestätigte der Mann mit heiserer Stimme. "Der Bursche ha...hat da o...oben geschdandn. Dann ... da... dann is´ noch ´n Typ gekommen. Un´ bei dem ha...hat sich der Bursche richtig aus...ausgeheult." Aha, jemand wollte ihn vom Selbstmord abhalten und ihn in ein Gespräch verwickeln, kombinierte Michael. Aber warum hatte sich der vermeintliche Helfer unten noch den Toten angesehen? "Un´ ... un´ dann ha...hat der ihm ein Te...Tele...fon gegeben. Un´ plötslich is´ der Kerl voll ausgetickt, hat d´n armen Burschen ei...einfach von der Brücke geschuppst." "Sie haben also deutlich gesehen, dass der Mann nicht selbst gesprungen ist?", fragte der protokollierende Polizist nach. Da stieß ihn der Obdachlose gegen die Schulter. "Hey, lassen Sie das!" "Ja, so ha... hat er ihn gestoßen, mi...mit beiden Händen."
"Sie meinen, er hat ihn über das Geländer gestoßen?", mischte sich Michael ein. Sofort wandte sich der angetrunkene Zeuge an ihn, der ihm offensichtlich glaubte. "G´nau, kopfüber ... kopfüber ist er runtergefallen."
"Das würde erklären, warum er mit dem Kopf zur Brücke liegt und nicht mit den Füßen." Dieser Überlegung konnten die anderen beiden Uniformierten nicht folgen. "Ein Selbstmörder klettert doch über das Geländer, blickt vielleicht noch ein paar Mal runter, hält sich dabei aber noch fest. Dann fasst er seinen Mut zusammen und springt. Im Flug macht er dann ungewollt entweder eine Rolle vorwärts oder rückwärts. Landet er also mit dem Bauch müssten die Füße zur Brücke zeigen. Dieser hier liegt aber mit dem Kopf zur Brücke." Diese Simulation im Hinterkopf untersuchte Michael das Geländer. "Das haben wir schon getan, nichts", meinte sein Kollege. "Ist eine saubere Stelle an einer verdreckten Stange nichts?", fragte Michael etwas erzürnt über diese Schlampigkeit und deutete auf das oberste Rohr des Geländers. Dieses war mit Dreckspritzern übersäht, bis auf eine kleine Stelle. "Hier hat er ihn drübergestoßen. Herr Weiß, wie hat der Mann ausgesehen?" "Och, etwa so groß wie der andere, braune Haare", beschrieb Herr Weiß stolz. "Kleidung?" "´ne blaue Hose und ´ne schwarze Jacke, mehr konnt´ ich nich´ seh´n." "Danke, nehmt die Aussage zu Protokoll und bittet Herrn Weiß mit aufs Revier", ordnete er an. Beide Beamten nickten. Dann eilte Michael wieder die Treppe herunter. Wenn eine Spur von der Treppe zur Leiche führte, musste sie ja auch weiterführen. Denn irgendwohin war der Unbekannte ja verschwunden. Und tatsächlich wiesen die besagten Abdrücke den Weg, wie nun schon andere Ermittler festgestellt hatten. "Der Irre ist ins Wasser gesprungen", hörte er jemanden rufen.
"Dann ruft die Jungs mit den Booten!", befahl Michael. "Wir suchen einen Mann mit braunem Haar, etwa ein Meter und achtzig groß. Er trug zuletzt blaue Hose und eine schwarze Jacke. Die sollen aber zuerst dort suchen, von wo ein Schwimmer die nächste Gelegenheit hätte, ans Ufer zu kommen. Und das ganze zackig, wahrscheinlich handelt es sich nicht um Selbstmord." "Die nächste solche Stelle ist fünf Minuten mit dem Wagen von hier", kam als Antwort zurück. "Dann schwing dich rein und gib bescheid! Wir fahren hin, vielleicht erwischen wir ihn noch." Der junge Polizist, der einen solchen Einsatz bestimmt noch nicht miterlebt hatte, gehorchte, sprintete zum Wagen, startete den Motor und gab per Funk das Vorhaben durch. Als sein Beifahrer eingestiegen war und die Tür geschlossen hatte, fuhr er mit Blaulicht los. Michael schüttelte den Kopf.
"Was ist das für eine Welt? Ein junger Kerl von 18 Jahren will sich das Leben nehmen, ein anderer spricht mit ihm und stößt ihn runter. Dann schaut der noch nach, ob der wirklich tot ist und ruft bei uns an und springt in den Fluss, um zu entkommen. Hoffentlich kriegen wir dieses Arschloch, sonst gibt´s wieder Druck von oben."
"Ich wäre da etwas vorsichtig. Immerhin ist der Zeuge, den ich da oben gesehen habe, nicht gerade nüchtern gewesen", widersprach sein jetziger Partner. Michael winkte ab. "Ja, ist ja gut. Auf jeden Fall müssen wir versuchen, ihn zu erwischen. Meine Nase sagt mir aber, dass er schon weg ist."
"Das Wasser ist kalt, schnell kann auf diese Distanz nicht schwimmen. Ich glaube, wahrscheinlicher ist es, dass er ertrinkt." Michael grinste. "Ja und dann heißt es wieder, dass wir es hätten verhindern können. Also schalte das Horn ein und drück das Pedal durch!" "Aber damit würde ich ihn doch warnen." "Ja, aber das Wasser ist kalt. Wenn er weg ist, ist er weg. Aber da du so sicher bist, dass er das nicht schafft, ist er vielleicht gerade am Ufer angekommen mit seinen kalten Muskeln. Verstecken kann er sich nicht, also dürften wir ihn leicht kriegen. Ist er noch im Wasser unterwegs, erledigt das unser Wassertrupp. Und wenn alle zwei Varianten nicht zutreffen, haben wir ein Problem. Ein mächtiges Problem. Vor Jahren einmal hatten wir mal drei Tote in der Stadt, junge Mädels, bestialisch zugerichtet. Den Zoff, den es damals gab, möchte ich noch einmal erleben, Junge!"
Michael Lochner sollte recht behalten. Allerdings war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Ausmaß der Probleme bewusst. Der Gesuchte hatte einen völlig anderen Weg gewählt als angenommen. Als der Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene an der besagten Stelle ankam, wo sie auf den vermutlichen Mörder treffen wollten, entfernte der sich mehrere Kilometer entfernt nur mit Socken an den Füßen vom Ufer und betrat wieder den asphaltierten Dschungel der Stadt. Dort zog er zuerst wieder seine Schuhe, der in der Hand getragen hatte, an. Zufrieden schaute er kurz zum Fluss zurück und grinste. Er wusste, dass die Polizei seine Spur finden und verfolgen würde, aber fürs erste hatte er sich einen kleinen Vorsprung herausgearbeitet. Das gab ihm Zeit, die letzten Ereignisse zu verinnerlichen. Müde setzte er sich auf den Bordstein, stützte die Ellenbogen auf die angewinkelten Knie und weinte. Schreckliche, düster blutige Bilder rebellierten in seinem Kopf, Bilder von Schandtaten, die des Teufels Handschrift trugen. Tränen quollen ihm unentwegt aus den Augen. Seine Anwesenheit blieb allerdings nicht lange unbemerkt. Nur einige Meter entfernt öffnete sich plötzlich die Tür eine schäbigen Kneipe und ein großer, mächtig nach Alkohol stinkender Kerl kam herausgetorkelt. Er schleuderte dem Gebäude noch einige schamlos ordinäre Kraftausdrücke entgegen. Dann fiel sein Blick auf das winselnde Etwas auf dem Bürgersteig. In der Erwartung, vielleicht noch einen Schluck Schnaps abzubekommen, ging er auf es zu. "Ey Kumpel, was geht?", sprach er den Unbekannten an. "Lassen Sie mich bitte in Ruhe!", gab der gleich zurück und wischte sich durchs Gesicht. Doch so leicht wollte der Hüne die Hoffnung nicht aufgeben und trat an den Fremden heran. "Hey, keine Sorge, ich will dir nichts tun." Da sprang der Mann, der noch vor einer Sekunde in gebeugter Haltung dagesessen hatte, ungewöhnlich flink auf die Beine. Nun sahen sich die beiden Menschen an. Doch während der Kneipengänger einfach nur leicht erschrak, verwandelte sich das Gesicht des Flüchtigen zu einer dämonischen Fratze des Entsetzens. Seine Augen wurden tellerrund. "Retro Satanas." Mit diesen Worten ballte er die Fäuste, bereit den grausamen Bildern in seinem Kopf noch welche hinzuzufügen.
Inzwischen hatte Michael Lochner seinen gewaltigen Irrtum bemerkt und war selbst zurück zum Tatort unter der Brücke gefahren. Sein Partner stieg leichenblass aus dem Wagen, als die Reifen auf dem Rasen zum Stehen kamen. Michael allerdings kümmerte sich darum nicht, sondern lief zum Fluss. Hier sah er, dass die Wiese nicht bis zum äußersten Rand des Ufers reichte. Hier führte eine Stahlbetonmauer nach unten, breit genug, um auf ihr laufen zu können. "Fuck!", fluchte er. "Herbert, ich brauch jemanden, der mit mir hier entlanggeht." Wieder wurde ihm der junge Beamte von vorhin zur Seite gestellt. Gemeinsam gingen sie am Ufer entlang. "Halte Ausschau nach Spuren. Der Kerl hat die Schuhe ausgezogen und ist hier entlanggelaufen", erklärte Michael. "Sollten wir das nicht lieber der KriPo überlassen? Immerhin haben die den Fall schon übernommen", gab sein Gehilfe zu bedenken. "Siehst du einen von der KriPo, der sich diese Mühe hier macht? Die hätten gleich die Spürhunde mitbringen sollen. Außerdem lass dir mal was von einem erfahrenen Kollegen beibringen. Ein Mann schuppst einen Jungen übers Geländer, vergewissert sich danach noch nach dessen Tod und verschwindet dann auf solch eine raffinierte Weise. Das ist nicht die Tat eines Menschen, der im Affekt übertrieben hat. Da steckt mehr dahinter." Ohne es zu ahnen, näherten sich die Beiden dem Schauplatz, an dem gleichzeitig ein weiteres Verbrechen geschah. Der scheinbar wahnsinnige Mörder hatte den Hünen mit scheinbar unmenschlicher Kraft und Brutalität angegriffen. Seine Fäuste arbeiteten mit der Wucht eines Dampfhammers und der Erbarmungslosigkeit eines von Hass zerfressenen Geistes. Dennoch setzte sich der Koloss instinktiv zur Wehr. Irgendwann musste diese Prügelei doch bemerkt und unterbrochen werden, hoffte er.
Noch tappten seine etwaigen Retter allerdings völlig im Dunkeln und untersuchten den Rasen nach frischen Abdrücken. Dabei verschwendeten sie keine Zeit, denn sie waren sich bewusst, dass sie dem Täter auf der Spur waren. Doch innerhalb kürzester Zeit würden sie auf das Gesuchte stoßen. Michaels Gefühl drängte ihn zur Eile. Irgendetwas in seinem Bauch sagte ihm, dass sie sich beeilen mussten. Mittlerweile befanden sie sich außer Sichtweite der Leute unter der Brücke. "Schau ja richtig hin. Es kann nicht mehr weit von hier sein", ermutigte er seinen Gehilfen.
Plötzlich drang ein markerschütternder Schrei einer Frau zu ihnen hin. Sofort rannten sie vom Ufer weg auf die Straße. Dort erwartete sie ein Anblick, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die hysterische, zierliche Person stand an einem Gebäude. Mitten auf dem Asphalt lag die grässlich zugerichtete Leiche des Hünen in einer breiten Blutlache. Michael lief augenblicklich zu der Frau, nahm sie in seine Obhut und lehnte sie gegen ein Auto, damit sie das schreckliche Bild nicht mehr sah. "Beruhigen Sie sich, holen Sie Luft. Tief einatmen." Obwohl sein jüngerer Helfer ebenfalls geschockt war, gab er, wie er es gelernt hatte, einen kurzen Lagebericht über das Funkgerät durch.
Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts der unbekannte Täter auf. Zielsicher hatte er den jungen Polizisten gepackt und schlug ihm auf den Hinterkopf, dass er bewusstlos zu Boden fiel. Erneut kreischte die Passantin. Diesmal klappte sie in sich zusammen. Michael ignorierte alle Sicherheitsbestimmungen, knöpfte seinen Waffenhalfter auf und legte mit der entsicherten Pistole an.
"Keine Bewegung!", brüllte er.
Sein Gegner hob friedfertig die Hände.
"Langsam umdrehen!"
Der Mörder befolgte den Befehl und wandte Michael das Gesicht zu. Er grinste breit.
"Haben Sie schon einmal auf einen Menschen geschossen?"
"Auf die Knie!"
"Also nicht! Nun ..."
"Ich sagte: AUF DIE KNIE!", brüllte Michael. Seine Hand und seine Knie zitterten.
"Wenn Sie wüssten, was ich weiß ..."
"Zum letzten Mal! Runter!"
"Nein! Schießen Sie doch! Ich bin unbewaffnet. Wenn Sie jetzt abdrücken werden Sie eine Menge Probleme bekommen."
"Ich würd´s an deiner Stelle nicht darauf ankommen lassen."
"Tu ich aber!", entgegnete der mysteriöse Mann. "Und ich nehme jetzt mein Telefon heraus." Langsam griff er in die Jackentasche.
"Beide Hände hoch, dass ich sie sehen kann!"
Aber schon hatte der Verbrecher das Instrument hervorgenommen und klappte es auf. Michael wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht auf diesen Typen schießen. Also nahm er all seinen Mut zusammen und ging mit angehaltener Pistole auf ihn zu.
Da schoss auf einmal blitzschnell die Hand des Kriminellen die Waffe, die davonflog, zur Seite und eh der Staatsdiener sich versah, traf ihn ein mächtiger Schlag an der Kinnspitze, der ihn zu Boden schickte. Die Benommenheit dauerte allerdings nur wenige Augenblicke an. Dann stießen die beiden Männer aufeinander und rangen. Michael konnte kaum glauben, welche Kraft ihm da entgegengebracht wurde. Darüber hinaus wusste sein Gegner auf all seine Attacken, mit denen er schon so manchen Straftäter überwältigt hatte, eine Antwort. Im Gerangel passiert es plötzlich. Ein Haken trifft ihn erneut am Kinn. Direkt im Anschluss folgt ein mächtiger Kniestoß auf seine kurzen Rippen, der ihm die Luft aus den Lungen presst und ein Schlag auf den Hinterkopf, der ihn erneut zu Boden schickte.
Der Unbekannte eilte zur Pistole, hob sie auf und richtete sie auf den Besiegten. "Wollen Sie wissen, was das alles soll? Sind Sie bereit für eine Wahrheit, die so entsetzlich ist, dass sie all dies rechtfertigt?" Michael hustete, zu schwach und benommen, um gleich wieder aufzustehen. "Geben Sie mir die Waffe!", befahl er so bestimmt es ihm unter diesen Umständen möglich war. Dieser Wahnsinnige könnte jederzeit abdrücken. Und er schätzte ihn so irre ein, diese kleine Bewegung mit dem Finger auch auszuführen. Doch im Augenblick las der Mann nur sein Mobiltelefon, das während des Kampfes hingefallen war, wieder auf. Er tippte wild und konzentriert auf der Tastatur herum. "Nichts rechtfertigt die Ermordung zweier Menschen", fuhr Michael fort, um Zeit zu gewinnen. Vielleicht konnte er ein Gespräch anzetteln. Die Kollegen waren bestimmt schon auf dem Weg. Mühselig quälte er sich auf die Beine. Doch da hielt sein Gegenüber ihm das Display des Mobiltelefons mit den Worten "Retro Satanas" entgegen. Augenblicklich erstarrte der Beamte zu einer Statue. Gebannt stierte er auf das Gerät, während ihm das Blut aus dem Gesicht lief. Was er da erblickte, ließ ihn erschaudern. Mit dieser Reaktion hatte der Mörder jedoch nicht gerechnet. Völlig verblüfft und beängstigt distanzierte er sich von dem Geistesabwesenden, dessen intensiven Blicke von dem Instrument nicht lassen konnten und dessen Miene zu einer entsetzten Grimasse der Qualen wurde.
Michaels junger Kollege kam langsam wieder zu sich, als ihn ein verzweifelter Urschrei bis ins Mark erschütterte. Von einer Sekunde zur anderen war sein Puls in die Höhe geschnellt und ein gewaltiger Adrenalinstoß schoss durch seine Adern. Sein Blick klärte sich nur langsam auf. Was er allerdings dann zu sehen bekam, versetzte ihm einen tiefen Schock. Wenige Meter von ihm entfernt kniete Michael und schaute gen Himmel. Tränen rannen ihm die Wangen herunter. Der andere Kerl war verschwunden.
"Hey, was ist passiert?"
Aber Michael reagierte nicht. Stattdessen nahm er die Waffe, die nun vor ihm auf dem Boden lag, in die Hand und schob sich ihr Mündungsende in den Mund.
"NEIN!", schrie der junge Polizist, doch noch ehe sein Ausruf verhallte, drückte Michael ab und sein Hinterkopf platzte auf. Der leblose Körper sackte in sich zusammen.
Die Kriminalpolizei war bereits verständigt worden und sie übernahm jetzt auch die Ermittlungen. Die Nachricht über Michaels Tod sollte seiner Ex-Frau sein langjähriger Kollege und Freund Herbert Tausendsesser überbringen. Zusammen mit zwei KriPo-Ermittlern stand er noch am gleichen Tag vor der Haustür, die von einer schlanken, attraktiven Mittdreißigerin geöffnet wurde. Als sie den Mann, den sie ebenfalls gut kannte, ins Gesicht sah, spürte sie sofort das Unheil.
"Hallo Marga", grüßte Herbert etwas stockend. Er musste all seinen Mut aufbringen, um der Frau in die Augen zu sehen. Unerträgliches Schweigen ließ die Anspannung steigen. Abwechselnd schaute Marga Lochner die drei Männer an. Diese Szene hatte sie in ihrer Ehe immer befürchtet. Doch jetzt, da sie bereits mit einem anderen Lebensgefährten zusammen wohnte, traf es sie nicht minder schwer, wie man an ihrem Gesichtsaudruck ablesen konnte. Herbert zeigte auf seine Begleiter. "Das hier sind die beiden Kriminalbeamten Schmidt und Bogner", stellte er mit trockener Kehle vor. Zu gerne hätte er sofort hinzugefügt, dass es Michael gut ginge. "Dürfen wir reinkommen?"
"Was ist passiert?", wollte Marga wissen, Böses erahnend.
"Es wäre besser, wenn wir das drinnen besprechen könnten", meinte Bogner. Die Frau trat aus dem Weg und die drei Männer folgten ihr ins Wohnzimmer. Dort schaute sie wieder erwartend auf Herbert. Der zögerte, wusste nicht, wie er beginnen sollte. Wieder herrschten einige Augenblicke tiefes Schweigen. Schließlich schüttelte er einfach den Kopf. "Es tut mir leid, Marga. Michael ist tot."
Marga nickte, konnte aber die Tränen nicht verhindern. Sie setzte sich auf das Sofa. Auf diesen Schock hin brauchte sie eine Zigarette.
"Sie haben unser Beileid, Frau Lochner", schloss sich Bogner mitfühlend mit seiner zwar imposanten, jedoch zugleich weichen Stimme an. "Dennoch müssen wir Ihnen leider ein paar Fragen stellen, die keinen Aufschub dulden."
"Fragen Sie!"
Mit einer Handbewegung deutete Herbert dem KriPo-Kommissar an, noch etwas zu warten. Er wollte die Frau zunächst auf schmerzliche Situation vorbereiten.
"Marga, die Umstände sind nicht so ganz einfach. Und was ich dir jetzt sage, schien mir bis heute selbst noch unvorstellbar."
"Er ist tot, was ist daran nicht so ganz einfach?", setzte ihm Marga energisch entgegen.
"Michael hat ..." Herbert konnte es ihr nicht sagen. Er fand einfach nicht den Mut. Wieder mischte sich Bogner in die Unterhaltung ein.
"Es tut uns wirklich leid, Ihnen solche Nachrichten zu bringen, aber Ihr Ex-Mann hat sich während eines Einsatzes in den Kopf geschossen."
Augenblicklich erstarrte Marga in der Bewegung. Diese Nachricht traf sie bis ins Mark, so dass sie sogar fast vergessen hätte zu atmen. Hätte man ihr gesagt, dass sie selbst nicht mehr lange zu leben hätte, wäre sie kaum schockierter gewesen. Michael und Selbstmord? Nein, das konnte einfach nicht wahr sein. Er war vielleicht nie ein guter Ehemann gewesen, aber dennoch hatte er doch das Leben und vor allem seine Kinder geliebt. Niemals würde er sie so einfach in dieser Welt alleine lassen. Die Frau schüttelte den Kopf. "Nein, das ist nicht wahr", widersetzte sie sich gegen diese Nachricht und brach in einen Weinkrampf aus. "Nicht Michael, was sollte er denn für einen Grund haben, sich einfach zu erschießen?"
Herbert fühlte sich ohnmächtig, etwas Hilfreiches in dieser Situation zu tun. Auf der einen Seite wagte er nicht, sich zu der Frau zu setzen, von der er sich einmal gewünscht hatte, sie hätte sich in ihn verliebt. Auf der anderen Seite konnte er sich auch nicht einfach auf seinen Job besinnen und ihr mit der üblichen Routine die Fragen stellen, die jetzt vielleicht besonders informativ für weitere Ermittlungen wären. So stand er nur da und schaute seine Begleiter an. Schließlich ergriff Bogner wieder die Initiative.
"Ich bedaure zutiefst, Sie nach dieser schrecklichen Nachricht noch weiter behelligen zu müssen, Frau Lochner, aber wir müssen Ihnen unbedingt noch einige Fragen stellen."
Marga wusste von Michael, dass Polizisten in solchen Situationen aus Mitgefühl nur sehr ungern auf ein weiteres Gespräch beharrten. Ihr wäre es auch lieber gewesen, könnte sie die Männer jetzt einfach hinausschicken. Doch sie griff nach einem Taschentuch und wischte sich die Tränen ab. Ein paar Minuten würde sie ihnen noch opfern.
"Fragen Sie?"
"Sehr liebenswürdig", erkannte Bogner an. "Sie wüssten also keinen Grund, warum Michael sich das Leben nehmen wollte, wie ich aus Ihrer Reaktion entnehmen konnte." Marga schüttelte den Kopf. Das genügte als Antwort und der Beamte fuhr sofort weiter, um die Angelegenheit schnellstmöglich zu beenden. "Gut, ebenfalls deute ich, dass sie noch ein gutes Verhältnis zueinander pflegten."
"Ja, Michael war stets ein sehr guter Freund und ein sehr guter Vater für seine Kinder." Schluchzend schaute sie kurz zu Herbert. " Nur als Ehemann war er eine absolute Niete."
"Ich verstehe. Wenn Sie sagen, dass er noch immer ein sehr guter Freund war, dann darf ich doch annehmen, dass Sie über einiges seines Privatlebens bescheid wussten. Denken Sie bitte noch einmal darüber nach. Da ist nichts, was ihm vielleicht Sorgen bereitete oder ihn frustrierte?" Bogner wusste genau, wie er zu fragen hatte, um einige Anhaltspunkte zu bekommen. Er galt in seiner Abteilung als gewitzt aber auch mitfühlend. Als er Marga beobachtete, erkannte er, dass sie tatsächlich überlegte. Doch nach ein paar Sekunden schüttelte sie den Kopf. "Es tut mir leid, Michael hat mit mir über fast alles gesprochen, aber ich kann darin nichts entdecken, was ihn zu so etwas bringt."
"Vielen Dank Frau Lochner. Dürfte ich vielleicht noch fragen, wo Ihre Kinder im Augenblick sind?"
"Emmeli, die Jüngere, ist im Ferienlager. Franziska, die Ältere, ist gestern nach dem Schwimmtraining zu einer Freundin gegangen, um dort einen Geburtstag zu feiern und auch zu übernachten. Eigentlich müsste sie schon längst zu Hause sein, aber wahrscheinlich ist sie mit ihren Freundinnen wieder weggegangen ohne bescheid zu sagen."
"Nun, es wäre wohl nicht ratsam, wenn Ihre Töchter diese Nachricht von jemand anderem erfahren. Ich schlage daher vor, dass Sie Ihre jüngere Tochter aus dem Ferienlager abholen, während wir die ältere suchen."
Als gewöhnlicher Streifenpolizist kannte Herbert diese Vorgehensweise nicht. Es überraschte ihn auch ein klein wenig, doch er ließ sich nichts anmerken. Erst als die Männer sich von Marga verabschiedeten und sie bereits wieder die Haustüre geschlossen hatte, fragte er bei Bogner nach.
"Nun, Kollege Tausendsesser, ich möchte ganz einfach die Kinder in Sicherheit wissen. Wie Sie selbst wissen, ist der Tote kein unbeschriebenes Blatt für uns. Unter normalen Umständen hätte er fast jeden einfach mit bulliger Körperkraft in einem Straßenkampf besiegt. In diesem Fall allerdings wurde er regelrecht zu Tode geprügelt, was auf einen besessenen Täter schließen lässt. Nehmen wir weiter an, der Mann, der Sie niedergeschlagen hat, ist dieser Täter. Dann hat Herr Lochner ihn gesehen. Was veranlasst ihn als pflichtbewussten Polizisten und treusorgenden Vater, einen zweifachen Mörder einfach laufen zu lassen und sich selbst das Leben zu nehmen? Was es auch ist, ein besessener Killer läuft da draußen rum und ich denke, wir handeln auch im Sinne des Verstorbenen, wenn wir seine Kinder in Sicherheit bringen. Darf ich diese Aufgabe Ihnen überlassen? Mir schien, Sie kennen Frau Lochner ein wenig. Es jagt der Tochter bestimmt weniger Schrecken ein, wenn ein bekanntes Gesicht sie abholt. Wir müssen noch die Familie Neumüller aufsuchen."
Eigentlich hätte Herbert Tausendsesser nichts mehr mit dem Fall zu tun, da er offiziell an die Kriminalpolizei abgegeben war. Allerdings legte Kommissar Bogner die geltenden Vorschriften gerne etwas großzügig aus. Dass Herbert Franziska suchen und nach Hause bringen sollte, hatte für alle Beteiligten etwas Positives. Der Freund und Kollege von Michael konnte sich in diesem Fall dennoch nützlichen machen, für die Sicherheit des Kindes wurde so gut wie möglich gesorgt und Bogner selbst hatte Zeit, sich um die dringenden Arbeiten zu kümmern, die unbedingt von der KriPo erledigt werden mussten. Dazu gehörte nun ein Besuch bei den Neumüllers, denn das Opfer Thorsten musste erst noch offiziell identifiziert werden. Außerdem konnten seine Eltern vielleicht nützliche Hinweise liefern. So machte sich Herbert auf den Weg zur Adresse des gestrigen Geburtstagskindes.
Etwa zur gleichen Zeit betrat der Mörder wie ein völlig harmloser Passant eine Kneipe mit einem verruchten Ruf. Kaum hatte er die Tür geöffnet, verstärkte sich die Geräuschkulisse, die zuvor wie gedämpft geklungen hatte, bis zur Grenze des Aushaltbaren. Dicke Nebelschwaden blauen Dunstes kamen ihm entgegen. Der "Bunker", wie die Wirtschaft hieß, galt als Treffpunkt von Quartalssäufern, Hehlern und Drogendealern. Schlägereien gab es hier mindestens einmal die Woche. Und für die Befriedigung sexueller Gelüste sollten angeblich einige Mädchen sorgen. Mit seiner dunkelblauen Bundfaltenhose, dem hellen Kragenhemd und der schwarzen Lederjacke passte der neue Gast nicht wirklich in das Bild der übrigen Anwesenden, was einige Blicke auf ihn lenkte. Zielsicher ging er zur Theke, ohne einen der Männer anzusehen. Die Wirtin, eine Frau in den Vierzigern, schenkte ihm gleich ihre Aufmerksamkeit, während sie einige Gläser Bier auf Vorrat zapfte.
"Ein Jack Daniels mit Eis", bestellte er, setzte sich auf einen Hocker und lehnte sich mit stützenden Ellenbogen auf die Theke. Eigentlich widerstrebte ihm ein solches Ambiente und wahrhaftig wohl fühlte er sich auch diesmal nicht. Doch immerhin suchte die Polizei draußen auf den Straßen einen Mörder. Hier glaubte er sich für kurze Zeit sicher. Und er hoffte hier jemanden zu finden. Die Wirtin stellte ihm das Glas hin und er nahm es mit einem dankenden Nicken an. Der erste Schluck rann kalt seine Kehle herunter, hinterließ allerdings eine angenehm weiche Wärme durch den Alkohol. Es erinnerte ihn an die Zeit, in der er regelmäßig getrunken hatte. Die ständige Gier nach dem nächsten Flachmann waren zwar eine Qual, doch wenn er dann die Flüssigkeit auf seiner Zunge gespürt hatte, war dies ein erleichtertes Gefühl gewesen, wie eben in diesen Augenblick. Er wusste, dass er mit diesem Glas wieder zu einem Trinker geworden war, doch das interessierte ihn in diesen Augenblicken nicht. Sein Leben würde eh nur noch wenige Stunden andauern. Es galt nur noch, einen bestimmten Job zu beenden. Und in der Zwischenzeit wollte er sich eben noch ein bisschen vergnügen.
Der zweite Schluck leerte das Glas bis auf die Eiswürfel und mit einer kurzen Geste bestellte der Mann sich ein zweites. Nun drehte er sich auf seinem Hocker herum, um das Geschehen zu beobachten. Der Raum war sehr gut besucht. Um den Billardtisch in der Mitte tummelten sich vier Kerle, die bereits einiges getrunken zu haben schienen. Den Dartautomaten bearbeitete ein anderes Trio. An einem Tisch spielte eine Gruppe Poker mit relativ hohen Geldeinsätzen. Lässig griff der Unbekannte in seine Jackeninnentasche und holte eine einzelverpackte Zigarre hervor. Ein Mann mit solcher Kleidung, der kein Bier, sondern Jack Daniels trinkt und statt Zigaretten Zigarre rauchte, musste hier auffallen. Darauf hatte er es auch angelegt. Sein Plan schien zu funktionieren, als er auf einmal zur Seite blickte.
Der Fremde betrachtete eine junge Frau sehr intensiv. Mit ihrer knappen Bekleidung, einem schwarzen Minirock, hochhackigen Pumps und einem engen Top hatte sie es bestimmt mit Absicht darauf abgesehen, Männerblicke zu erhaschen. Ihre wohlgeformten, langen Beine, ihre schlanke Taille und ihr jugendliches, geschminktes Gesicht taten das Übrige. Auch ihr langes, braunes Haar unterstrich diese erotische Erscheinung. Die Blicke des Mannes mit der Zigarre fielen ihr schnell auf, so dass sie ihm entgegenlächelte. Er erwiderte diese Geste, worauf sie langsam zu ihm kam. Genüsslich zog er an seinem großen Glimmstängel. Laut seinen Informationen konnte es sich nur um eine ganz bestimmte Person handeln.
"Hallo", grüßte sie ihn, mit einer wohlklingenden, freundlichen Stimme. Aus der Nähe wirkten ihre Reize noch anziehender, da ein angenehmer Parfum-Geruch hinzukam. "Dein Gesicht hab ich hier ja noch nie gesehen."
"Das liegt wohl daran, dass ich hier auch noch nie gewesen bin", gab der Raucher zurück.
"Na, so wie du angezogen bist, wohnst du nicht in diesem Viertel", forschte sie gleich und setzte sich neben ihn.
"Das ist richtig, aber heute wollte ich mir mal eine Veränderung gönnen", log er. Sie grinste.
"Spendierst du mir ´nen Bier."
"Gerne, ich könnte Gesellschaft in solch attraktiver Form gebrauchen."
"Oho, mit solchen Komplimenten kommst du garantiert nicht aus der Gegend", meinte sie. Er schmunzelte über ihren Irrtum. Spontan hatte er einen Entschluss gefasst, der ihm ein wenig mehr Sicherheit gab. Dadurch etwas gelassener, bat er die junge Frau an einen freien Tisch.
Die Geburtstagsfeier war in einer Diskothek weitergeführt worden. Seitdem hatte man von Franziska nicht mehr gehört. Herbert Tausendsesser hatte bereits den Wagen vor dem Laden geparkt in das große Gebäude. Dem Sicherheitsdienst erklärte er die Situation soweit wie nötig, doch man konnte ihm nicht weiterhelfen.. Ein ungutes Gefühl beschlich den Mann. Doch noch behielt er seine Vermutungen für sich.
Der Unbekannte, der noch immer von der Polizei gesucht wurde, unterhielt sich angeregt mit seiner jungen Tischnachbarin, die sich als Lisa vorgestellt hatte, und ließ bereits die zweite Runde Bier kommen. Er wusste gekonnt, von seinem eigentlichen Vorhaben hinweg zu täuschen. Ihrer Ansicht nach schien er ein wahrscheinlich verheirateter Mann mit einem gut bezahlten Job zu sein, der einfach mal etwas anderes erleben wollte. Und das sollte er hier von ihr bekommen. Verführerisch lehnte sie sich über die Tischplatte, gab somit einen einladenden Blick in ihr Dekoltee preis und schaute ihren Gönner intensiv an.
"Jetzt mal ehrlich, ich gefalle dir doch, oder?" Dass er auf ihre Brüste schaute, störte sie dabei nicht, im Gegenteil.
"Nun, du hast soeben zwei weitere schöne Argumente auf den Tisch gelegt", formulierte er es, um zu Scherzen aufgelegt zu wirken. Lisa lachte tatsächlich. Ihr Timing hatte wieder einmal perfekt funktioniert, um auf den Punkt zu kommen.
"Nun mal ehrlich, ein Mann wie du ist doch sicher intelligent genug, dass er weiß, dass ich hier kein Gast bin."
"Ich weiß, allerdings bin ich hier, um Spaß zu haben und hasse es, dabei die Dinge so geschäftlich ernst beim Namen zu nennen", entgegnete er gelassen. Seine Art gefiel der jungen Prostituierten. Solchen Freiern begegnete sie selten. Bestimmt würde es mit ihm kein ödes Alltagsgeschäft werden, sondern eine freudige Abwechslung, die vermutlich auch noch mit etwas mehr Geld versüßt würde. Die Vorfreude darauf ließ ihre Augen aufblitzen. Zärtlich ergriff sie seine Hand.
"Ganz recht, du sollst dich hier amüsieren. Was hältst du davon, wenn wir uns mit einer Flasche Champagner nach oben begeben? Ich hab zwei Etagen drüber ´ne hübsche kleine Wohnung."
"Den Champagner lassen wir mal bleiben, aber die hübsche kleine Wohnung würde ich gerne mal sehen, wenn es deine Zeit erlaubt."
"Hey, keine Sorge, da werden wir uns schon einig. Wir kennen uns zwar erst ein paar Minuten, aber für solch einen galanten Typen wie dich mache ich mal eine Ausnahme, was die Konditionen betrifft."
Er nickte zufrieden. Gemeinsam standen sie auf. Sie ging zum Hintereingang voraus, wobei sie der Wirtin einen klärenden Blick zuwarf. Ein dunkler Flur führte zu einem verwahrlosten Treppenhaus. Im zweiten Obergeschoss angekommen, schloss Lisa eine Holztür auf, die man mit Leichtigkeit hätte eintreten können. Drinnen war sofort zu erkennen, dass das Appartement dafür eingerichtet war, Liebesdienste zu leisten. Ein großer Raum zuzüglich einer kleinen Küche und Badezimmer. Das Licht schien direkt auf das große Bett mit rotem Bezug. Der Mörder schaute fasziniert hin. Dies deutete Lisa jedoch fehl. Wie konnte sie auch ahnen, dass er in diesen Augenblicken daran dachte, dass ihn die Polizei hier nicht suchen würde und er sich das letzte Vergnügen seines Lebens bieten dürfte. Und sie konnte erst recht nicht vorhersehen, dass sie sein nächstes Opfer werden sollte. Zärtlich streifte sie ihm die Jacke von den Schultern und drückte ihre Brüste an sein Hemd. Er schaute ihr in die Augen. "Ich habe Zeit und Geld, wenn du verstehst, was ich meine."
Herbert dehnte die Suche weiter aus und fragte in der Disko Kellner und sogar den Geschäftsführer. Der ließ Franziska sogar ausrufen, doch sie tauchte nicht auf. Aber ein junger Mann um die zwanzig Jahre sprach Herbert auf die Geburtstagsgruppe an.
Bei romantischer Musik hatte der Unbekannte plötzlich den Wunsch verspürt zu tanzen. Spontan ging er auf Lisa zu und ergriff ihre Hand. Die junge Frau schaute zunächst ganz überrascht, denn solch ausgelassene Männer hatte sie sonst nicht in ihrer Wohnung. "Hey Boy, du verstehst es wirklich, das Leben zu genießen", lobte sie, und dabei handelte es sich nicht um eine ihrer beruflichen Phrasen. Kurz zog der Mann eine etwas wehmütige Miene, die er schnell wieder überspielte. Ein Mensch, der sein Leben in wenigen Stunden beendet sah, erfreute sich aus verständlichen Gründen intensiver dem letzten Vergnügen. Warum dieses Mädchen zur Prostituierten geworden war, kümmerte ihn nicht. Sie war anwesend, ein junges, schönes weibliches Wesen, das ein wenig bezahltes Glück zum Abschied mit ihm teilte. Zumindest in diesen Augenblicken war sie noch schön. Für einen Moment fühlte er sich geborgen, spürte Verlangen nach ihm Körper. Nach allem, was an diesem Tag geschehen war, konnte er sich dies nicht erklären. Dennoch wollte er ihre weichen Lippen küssen. Was machte es jetzt noch aus? Nichts! Was auch jetzt geschah, er müsste niemandem mehr Rechenschaft ablegen. Warum sollte er nicht den Körper, den er zu quälen gedachte, erst lieben.
Mit einem Ruck drückte er Lisa an sich. Sie schaute ihn an, schaute in seine Augen, die plötzlich eine unglaubliche Kraft ausstrahlten. Ein Schauer überlief ihren Körper, ihre Knie wurden für Bruchteile von Sekunden schwammig. Ein animalisches Charisma umgab den Mann auf einmal. Sein leidenschaftliches Begehren drückte sich in seinem Blick aus. Lisa wusste, wie man Erregungszustände bei Männern hervorrief, aber was sie hier miterlebte, konnte sie kaum beschreiben. Ein Gemisch aus Angst und Neugierde erfüllte sie. Das Bewusstsein, dass es sich bei diesem Mann um einen Kunden handelte, löste sich in ihrem Gehirn zu Rauch auf. Nur einige Sekunden später befand sie sich einfach in seinen Armen und konnte es kaum erwarten, ihm ihre innigste Umarmung zu schenken. Dann küssten sie sich.
Gekonnt schob sie ihn an den Rand des Bettes und stieß ihn dann darauf. Entspannt blieb er auf dem Rücken liegen, wobei er ihren Anblick genoss, während sie ihren Top auszog. Wie eine Katze schlich sie geschmeidig auf ihn zu und beugte sich mit ihrem nackten Oberkörper und verlangendem, weitem Blick zu ihm herunter. Langsam sank sie auf ihn herab. Erwartend schloss er ihren Körper in die Arme. Spielend wälzten sie sich auf dem Bett, wobei sie geschickt seine Hose öffnete und ihm ihre Hand zwischen die Beine schob. Kurz darauf spürte er an gleicher Stelle ihre Lippen und ihre feuchte Zunge. Von der Prostituierten unbemerkt schob er sich schnell eine Tablette in den Mund, von der er bereits eine eingenommen hatte, bevor er in die Kneipe gegangen war. Für sein Vorhaben brauchte er nämlich Zeit, Zeit, die er so angenehm wie möglich verbringen wollte.
Herberts Mobiltelefon klingelte. Hektisch griff er in seine Jackeninnentasche, holte es hervor und nahm das Gespräch an.
"Ja, Tausendsesser!", meldete er sich zügig.
"Hier Bogner, haben Sie das Mädchen abgeliefert?"
"Nein verdammt, die Teenies sind spät abends noch in die Diskos geflitzt und dort verliert sich Franziskas Spur", berichtete Herbert schnell, dass seine Stimme sich fast überschlug."
"Das ist nicht gut", meinte Bogner darauf nur. Seine Ruhe brachte Herbert bald zur Verzweiflung.
"Wissen Sie etwas? Sagen Sie doch schon, Bogner!"
"Tausendsesser, reißen Sie sich zusammen! In laufende Ermittlungen darf ich Sie nicht einweihen, das wissen Sie. Bisher habe ich nur Vermutungen." Diese Zurechtweisung brachte den gewünschten Erfolg. Herbert besann sich wieder auf die Regelungen, die sein Job beinhaltete.
"`tschuldigung, aber mein Gefühl sagt mir, dass hier was nicht stimmt!"
"In Ordnung Tausendsesser. Wenn Sie ein ungutes Gefühl hinsichtlich des Verschwindens des Mädchens haben, sollten Sie dem mit allen Ihnen privat zur Verfügung stehenden Mitteln nachgehen."
Herbert erschrak. Das war deutlich genug, es ging um Leben und Tod und Bogner brauchte jede Hilfe, die er bekommen konnte.
"Verstanden, Bogner!"
"Alles klar, und natürlich habe ich Sie niemals angerufen und werde ich auch unter keinen Umständen erneut anrufen, sobald ich neue Fakten habe. Übrigens, Thorsten Neumüller war der Freund von Anja Hinsberger, der besten Freundin und Schwimmkameradin von Frau Lochners Tochter. Auf Wiederhören!"
Damit war das Gespräch beendet. Herbert steckte sein Telefon wieder in die Tasche. Augenblicklich widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem jungen Mann, der über die Partyclique etwas wusste.
"Wer war da noch dabei?"
Nackt wippte Lisa auf ihrem Freier zum hart erarbeiteten Ende des ersten, langen Aktes. Laut stöhnend warf sie ihren Oberkörper nach vorne. Endlich!, dachte sie bei sich. Der Unbekannte, der ihr nun immer mysteriöser vorkam, hatte bereits angekündigt, dass er noch nicht gehen wollte und ihr als Anzahlung 100 Euro in die Hand gedrückt. Das Geld war schnell in einer Schublade verschwunden. Generell wusste Lisa sehr schnell, mit welcher Sorte Mann sie es zu tun hatte, aus diesem Kerl wurde sie allerdings nicht schlau. Seinem Aussehen nach schätzte sie ihn auf Mitte vierzig, seine körperliche Konstitution konkurrierte jedoch mit der eines Zwanzigjährigen. Außerdem besaß er viel Geld und hatte dennoch diese verrufene Kneipe aufgesucht. Jemand wie er könnte doch bessere Etablissements bezahlen. Anscheinend stellten ihn ihre Qualitäten zufrieden und so ließ sie das Überlegen. Zufrieden räkelte er sich.
"Aah, jetzt einen guten Joint, das wär´s", meinte er. Lisa schaute verwundert zu ihm herüber. "Du kiffst?", fragte sie verwundert. Er nickte gelassen. "Baby, in meinem Job ist Stress an der Tagesordnung. Koks und Tabletten sind bei uns unter der Hand alltäglich. Ich bevorzuge die gute alte Tüte."
Da schüttelte Lisa den Kopf. "Also, jemanden wie dich hab ich auch noch nicht bedient. Ein stressgeplagter Workaholic mit ´nem dicken Geldbeutel, der nach Feierabend in ´ner verruchten Kneipe ´ne Hure aufreißt und zwischendurch mal ´nen Joint raucht." Er lachte.
"Wenn ich nachher gehe, gibst du mir deine Nummer. Ich könnte dir einige Kunden wie mich vermitteln."
"Wenn die alle so nett sind wie du", meinte sie. Wieder lachte er.
"Auf jeden Fall haben die genauso viel oder mehr Kohle als ich. Die meisten haben schon sämtliche teure Puffs durchgemacht. Was die brauchen, ist eine scharfe Mieze, die ihnen zeigt, wo der Hammer hängt."
"Oh, danke für das Kompliment."
Solche Worte klangen ja wirklich viel versprechend, dachte Lisa bei sich. Wenn mehr Männer dieses Kalibers zu ihr gingen, könnte sie ihr Einkommen schnell verdoppeln wenn nicht sogar verdreifachen. Mit ein bisschen Glück könnte sie sich dann eine bessere Wohnung in einem anderen Viertel leisten. Doch zum Träumen besaß sie nun nicht die Zeit. Um solche dicken Brieftaschen an Land zu ziehen, brauchte sie eine gute Empfehlung. Also musste sie ihren jetzigen Freier zufrieden stellen. Spontan griff sie in ihr Nachtschränkchen, in dem auf den ersten Blick nur Kondome der verschiedensten Farben lagen. Doch in diesem Möbel versteckt befand sich auch eine flach gefaltete Tüte, die die junge Frau nun hervornahm.
"Bitte sehr, Papers, Tabak, Gras, alles, was man für ´ne ordentliche Tüte braucht." Flink leerte sie die Tüte auf der Nachttischoberfläche und begann zu basteln. Mit ein wenig mehr Misstrauen hätte sie ihn den Joint bauen lassen. Er konnte so etwas nämlich gar nicht, da er noch nie Drogen, außer Alkohol und Nikotin, konsumiert hatte. Die Frage nach einem Joint war für ihn nur Mittel zum Zweck. Lisa hingegen setzte ihre Finger geübt ein und innerhalb kürzester Zeit überreichte sie ihm das Rauchwerkzeug zusammen mit einem Feuerzeug. Er schaute auf ihre Hand. Nun musste er also diesen Joint anzünden und daran ziehen. Aber würde er im berauschten Zustand noch sein Vorhaben beenden können? Er grinste, um seine Befürchtungen zu überspielen. Er musste Zeit gewinnen.
"Was ist? Greif zu!"
"Hast du schon einmal währenddessen gekifft?", fragte er.
"Du meinst, während wir ..." Er nickte, nahm ihr den Joint ab und legte ihn auf den Nachttisch. Danach küsste er sie lange. Eigentlich hätte sie sich eine etwas längere Verschnaufpause gewünscht, aber hier ging es nicht um ihr Vergnügen, sondern ums Geschäft. Also ließ sie ihre Verführungskünste erneut spielen.
"Sag bloß, du kannst schon wieder", meinte sie seufzend. Er gab keine Antwort, sondern küsste sie erneut.
Plötzlich klingelte sein Mobiltelefon. Augenblicklich hatte er sich aufgerichtet und starrte erschrocken auf seine Jacke, die über einem Stuhl lag. Über diese Reaktion lachte Lisa.
"Hey, entspann dich! Lass es klingeln", riet sie ihm und strich ihm durchs Haar. Er schüttelte allerdings den Kopf. Jetzt galt es die Fassung zu bewahren.
"Tut mir leid Baby, mein Job verlangt eben, dass ich Tag und Nacht erreichbar bin. Unter anderem deswegen mache ich ja so viele Mäuse", log er und kroch aus dem Bett. "Nur kurz, danach schalte ich das Ding aus."
"Das würde ich dir auch raten, wenn du später bekiffst rangehst, schmeißt dich deine Firma bestimmt raus." Er lächelte verstohlen, während er in seine Jacke kramte.
"Meine Firma, du sagst es." Das machte auf Lisa wieder mächtig Eindruck.
Endlich hatte er das Mobiltelefon gegriffen. Wie selbstverständlich schaute er auf das Display. Dann wandte er sich wieder an Lisa. "Vielleicht kannst du dich mal etwas frisch machen. Und mach die Tür hinter dir zu." Die Prostituierte gehorchte. Kaum war sie im Badezimmer verschwunden, nahm der Mann das Gespräch an.
"Ja?"
"Herr Hinsberger?"
Diese Frage traf ihn wie ein Schlag auf den Kopf. Augenblick lief ihm das Blut aus dem Gesicht und er wurde kreidebleich. Von einer Sekunde zur anderen beschleunigte sich sein Puls. Er spürte Hitze im Kopf.
"Wer ist da?", fragte er leise. Er spürte ein leichtes Vibrieren am Ohr, das daher rührte, dass seine Hand, die das Telefon hielt, zitterte. Der Boden drehte sich.
"Mein Name ist Bogner, ich bin von der Kriminalpolizei."
"Was ... wollen Sie?" Die Zunge klebte dem Mörder fast am Gaumen, so trocken war sein Mund auf einmal geworden. Seine Stirn begann im gedämpften Licht zu glänzen.
"Ich möchte, dass Sie sich stellen, damit wir Ihnen helfen können, Herr Hinsberger. Sagen Sie mir bitte, was mit Ihrer Tochter los ist!"
Tränen rannen dem verzweifelten Vater aus den Augenhöhlen. Schweißperlen liefen ihm die Schläfen herunter.
"Sie können mir nicht mehr helfen."
"Herr Hinsberger, Sie haben bereits zwei Menschen ermordet. In der ganzen Stadt wimmelt es von Polizisten. Ihre Beschreibung ist allen bekannt. Man wird Sie finden."
"Das weiß ich. Und es ist mir scheißegal", wimmerte Hinsberger unter Tränen. "Sie haben einen Pakt mit dem Teufels geschlossen. Nun kommt der Teufel seinen Lohn kassieren."
"Herr Hinsberger, Sie und ich wissen doch, dass Sie im Grunde kein Mörder sind. Was hat man Ihrer Tochter angetan, dass Sie deswegen zwei Menschen getötet haben?"
"Sie werden alles erfahren."
"Wann?"
Auf einmal schoss eine Sirene eines Feuerwehrwagens vorbei. Der Mann hatte sie erst im letzten Augenblick gehört. Danach brach er das Gespräch sofort ab. Jetzt hatte er keine Zeit mehr zu verlieren. Eigentlich hatte er sich nur mit Lisa eingelassen, um durch sie an ihren Drogendealer ranzukommen. Aber das hatte sich nun zerschlagen.
Kommissar Bogner rief noch ein paar Mal in seinen Hörer. Wütend stieß er ihn auf die Gabel.
"Mist verdammt!", fluchte er, dass es die ganze Abteilung hörte. "Ich brauch sofort die örtliche Feuerwehr. Ich muss wissen, wo sie in diesen Augenblicken einen Einsatz haben. Er befindet sich in einem Gebäude, in dem man den regen Verkehr durch die Fenster hört. Außerdem hab ich vermutlich ein paar Betrunkene gehört. Suchen wir zuerst nach Kneipen, die an einer viel befahrenen Straße liegen und gleichen die Route des Feuerwehrwagens ab. Tempo, ein Menschenleben könnte davon abhängen!"
Als Lisa wieder ins Schlafzimmer, sah sie den Mörder vom Schwindel bezwungen vor dem Bett kniend. Sein Gesicht glänzte, als sei es mir Öl eingerieben. Langsam drehte er sich zu ihr und schaute ihr in die Augen.
"Hey Süßer, was is´ ´n?"
"Das war´n die Bullen, Darlin´. Ich habe ihnen gesagt, dass ein paar Arschlöcher einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Und nun kommt er kassieren."
"Hast du irgendwas eingeschmissen? Was redest du für ´nen Stuss?"
Von unbändiger Wut geladen, erhob sich Hinsberger blitzschnell, packte Lisa bei den Schultern und warf sie zu Boden.
"Ich rede von Anja Hinsberger und Franziska Lochner, die du deinen Kumpels empfohlen hast, du kleine, dreckige Hure! Sie sind beide tot!"
Tot!, fuhr es Lisa durch den Kopf. Die Namen sagten ihr nichts, aber sie ahnte, auf was ihr Freier anspielte. Diese Bastarde hatten die Mädchen also umgebracht.
"Hör zu, damit hab ich nichts zu tun!"
"Nein? Du hast also nichts mit dem zu tun, was ich dir hier zeige?" Mit diesen Worten nahm Hinsberger das Telefon und suchte im Menüfeld die Funktion "Videoclips" auf. Dann zeigte er Lisa, was Thorsten Neumaier am Boden liegend gefilmt hatte. Lisa schaute auf das Display. Was sie da zu sehen und hören bekam, drehte ihr den Magen um. Der Anblick rief in ihr einen solchen Ekel hervor, dass sie nach ein paar Sekunden erbrach.
Den Deal, den sie mit Thorsten gemacht hatte, hatte völlig harmlos geklungen. Sie hatte doch nur zwei gefährlich aussehende Typen besorgen sollen, die den beiden Mädchen nach dem Training an die Wäsche gehen wollten, damit Thorsten den Helden spielen konnte. Wie hätte sie denn ahnen sollen, dass ihre beiden Kumpel die Situation so ausnutzen würden?
"Ein Polizist wollte mich festnehmen, als ich den Riesen da erledigt hatte", berichtete Hinsberger. "Ich zeigte ihm diesen Clip hier. Dieser Mann war der Vater von Franziska Lochner. Er meinte nur, ich solle mir die Schweine schnappen. Kurz darauf hörte ich einen Schuss. Mir steht das gleiche Ende bevor. Aber vorher werde ich dafür sorgen, dass dich freiwillig keiner mehr vögeln will."
Da krachte auch schon seine Faust auf die Nase, dass das zierliche Wesen zu Boden fiel und ihm Blut ins Gesicht floss. Tränen verschleierten seinen Blick. "Hör zu Mann! Ich hab mit der Scheiße da nichts zu tun. ..." Eigentlich wollte Lisa schnell ein paar erklärende Worte finden, um diesen durchgedrehten Typen zu besänftigen, aber da traf sie auch schon sein Schuh am Kinn. Rückwärts schwang ihr Oberkörper zu Boden. Ihr Kopf brummte, ihre Umwelt drehte sich.
"Es ist mir scheißegal, wieweit du eingeweiht bist, du verdammte Hure. Ich mach dich fertig! Aber zuvor wirst du mir noch verraten, wo ich deinen Dealer finde."
Tausendsessers Mobiltelefon klingelte. Der Polizist hatte es schon in der Hand liegend und hielt es sofort an Ohr.
"Ja?"
"Der Bunker, 2-ter Stock, schnell." Dann wurde wieder aufgelegt. Trotz der hektischen Worte hatte Herbert Bogners Stimme erkannt und er wusste auch, was dieser Anruf sollte. Sein jetziger Standort lag mit dem Wagen zwei Minuten von der Wirtschaft "Bunker" entfernt. So schnell konnte keine Polizeistreife hinfahren. Er machte auf dem Absatz kehrt und sprintete so schnell er konnte zu seinem Auto. In dieses eingestiegen, startete er rasch den Motor, riss den Gang ein und fuhr rasant an.
Mit Schwung flog der leichte, weibliche Körper über das Bett und landete hart auf dem Nachttischschränken, das unter der aufprallenden Wucht mit einem tosenden Krachen, zu dem sich ein Schmerzensschrei mischte, zusammenbrach. Holzsplitter bohrten sich in die Glieder, scharfe Kanten hinterließen Prellungen. Wimmernd lag Lisa am Boden, als der besessene Mörder ihr wie ein Raubtier hinterher sprang. Hart griff er sie im Nacken. Die junge, wehrlose Frau ahnte, was kommen sollte, doch Schwindel und Schmerzen lähmten ihre Körperkontrolle. "Nein, bitte nicht!", flehte sie, da sie sich nicht verteidigen konnte, doch ihr wurde kein Erbarmen geschenkt. Hinsberger schlug ihren Kopf mit dem Gesicht auf die Überreste des zertrümmerten Möbels. Sofort riss er an ihrem Schopf und schaute sie an.
"Also, noch einmal: Wo finde ich deinen Dealer? Oder soll ich dir deine restlichen Zähne auch noch ausschlagen?", brüllte Hinsberger. Lisa spie unter Tränen Blut, welches ihr auch aus Platzwunden an den Wangen herunterlief.
"Er ... er hängt abends auch immer hier im Bunker rum", keuchte sie.
"Danke Schätzchen, warum nicht gleich so?"
"Jetzt weißt du´s. Lass mich jetzt bitte geh´n."
"Tut mir Leid Süße, aber irgendwie muss ich dein Gesicht noch entstellen."
"Nein! Scheiße Mann! Ich hab doch nur ´nem Kumpel ´nen Gefallen getan", winselte sie. "Ich wusste doch nichts von dem Scheiß, ehrlich."
"Okay, lassen wir dein Gesicht. Wie wär´s mit deinen Füßen? Die brauchst du doch beim Bumsen am wenigsten?"
"NEIN! Bitte nicht! Hilfe! Hi..."
Ein Fausthieb stoppte ihren verzweifelten Schrei.
Herbert brauste aus der falschen Richtung in eine Einbahnstraße, um den Weg noch zu verkürzen. Er erntete für seine halsbrecherische Fahrweise ein Hupkonzert und böse Zungen, die ihm die schlimmsten Flüche an den Hals wünschten. Mit einer scharfen Wendung, bei der die Reifen quietschend Gummi auf dem Asphalt ließen, fand er sich schon auf der Straße, an der der "Bunker" lag. Jetzt musste er nur noch eine Kreuzung überstehen. Die Ampel schaltete auf rot um. Die Wagen vor ihm bremsten ab und hielten. Herbert hingegen fuhr auf die Gegenfahrbahn, schoss unter der roten Ampel vorbei, wich einem entgegenkommenden Fahrzeug aus und zog dann die Handbremse. Das Auto hielt mitten auf der Straße direkt vor der Wirtschaft. Herbert stieg aus und rannte so schnell er konnte auf das Gebäude zu.
Hinsberger griff die halb besinnungslose, nackte Prostituierte mit dem mittlerweile mit Blut überströmtem Kopf am Hals und drückte sie auf das Bett. Ihre Augen zeigten ihr ein schwimmendes Farbengemisch. Ihr ganzer Körper gehorchte ihr nicht mehr. Ungnädig stand Hinsberger vor ihr und zündete den Joint mit einem sadistischen Grinsen an. Als der zu glühen begann und der süßliche Geruch aufstieg, kroch der Mann aufs Bett und kniete sich neben sein Opfer, um einen von dessen Unterschenkel in seine Armbeuge zu klemmen. In diesem Augenblick ahnte Lisa, das irgendetwas geschehen würde, doch sie konnte nichts erkennen. Schon spürte die Frau unter unerträglichen Schmerzen, wie die heiße Glut auf der Fußsohle zischte und die Haut verschmorte. Sie schrie aus Leibeskräften, krampfte all ihre Muskeln zusammen. Vor Schmerzen schlug sie um sich, versuchte, ihr Bein zu befreien, doch all ihre Mühe blieb ergebnislos. Innerhalb weniger Sekunden war ihr Pulsschlag auf das Doppelte angestiegen. Schweißperlen glänzten auf dem feuerroten Körper. Schließlich entfernte der Mörder den Joint wieder. Schlaff sackte Lisa in sich zusammen. Sie keuchte wie nach einem anstrengenden Lauf.
"Weißt du jetzt, wie das ist?", brüllte der Wahnsinnige. "Genau das haben deine Kumpels mit meiner Tochter angestellt." Wieder drückte er ihr den brennenden Joint auf den Fuß, dass sie schrie, sich hin und her wälzte und um sich schlug. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg mit einem grauen Dampf auf. Diesmal ließ Hinsberger aber nicht ab. Er bohrte die Glut weiter hinein. Im unerträglichen Schmerz versuchte Lisa sich zu befreien, doch seiner Kraft war sie nicht gewachsen.
Plötzlich zerbarst mit einem explosionsartigen Poltern die Wohnungstür in mehrere Fetzen und Herbert stürzte herein. Hinsberger wich vor Schreck zurück. Kaum war der heiße Joint zu Boden gefallen, da verlor Lisa das Bewusstsein. Sofort kam dem Rächer ein einziger Gedanke. Man hatte ihn erwischt, es gab kein Entkommen mehr. Kaum hatte er den Schock weggesteckt, warf er sich auf Herbert. Es kam zu einem wilden Gerangel. Mittlerweile zeigten sich auch andere Mieterinnen des Hauses, um nachzusehen, woher der Krach herkam. Alle liefen sie jedoch nach unten oder zurück in ihre Wohnungen, um die Polizei zu verständigen. Niemand, auch kein Mann, besaß den Mut, den Kampf zu unterbinden.
Polizeisirenen ertönten. Drei Streifenwagen kamen angebraust. Ihnen rannten einige Passanten aus dem Gebäude entgegen. Bogner rannte mit seinen Kollegen ins Gebäude. Oben in der Wohnung stürzten sich jeweils zwei Beamte auf die kämpfenden Männer. Es dauerte einige Zeit, bis sie Herbert erkannten.
"Lasst mich los Leute", rief er erzürnt. Als sie dann wirklich von ihm abließen zupfte er seine Kleidung zurecht und ergriff seinen Kiefer. Hinsberger wurden in diesen Augenblick Handschellen angelegt. Per Funk beorderte man Verstärkung und einen Krankenwagen herbei. Kommissar Bogner war in die Küche gegangen, um Mittel zur ersten Hilfe zu suchen. Aus dem Eisfach griff er nach Kühlakkus, die er in saubere Handtücher wickelte. Damit kehrte er zur Verletzten zurück, um ihren Fuß zu kühlen. Nun kam Lisa auch wieder zu sich.
"Bringt mir eine Decke und riegelt alles ab. Die Leute sollen den Fahrstuhl benutzen!", befahl er. "Und Hinsberger kommt mit, verstaut ihn im Wagen!" Dann schaute er die junge Frau an. "Keine Sorge, es ist vorbei. Der Krankenwagen ist unterwegs." An der Reaktion der Schwerverletzten erkannte er, dass sie noch immer starke Schmerzen hatte und ihre Umwelt noch nicht deutlich wahrnahm.
Alles geschah so, wie er es wollte. Bis der Krankenwagen eintraf, kümmerte sich Bogner nur um die junge Frau, legte ihr eine Decke über, wischte ihr das Blut aus dem Gesicht und sprach mit sanfter Stimme zu ihr.
"Ein Glück, dass Sie zur Stelle waren, Tausendsesser", meinte er, während er der Verletzten zärtlich das Haar aus dem Gesicht strich. "Sie erinnern sich, dass wir nach Frau Lochner zu den Neumeiers fuhren?"
Herbert nickte.
"Ein Foto brachte mich auf meine Vermutung. Es zeigte drei Jugendliche, Thorsten Neumeier, Anja Hinsberger und Franziska Lochner. Frau Neumeier bestätigte mir, dass ihr Sohn mit Anja zusammen war. Wir eilten also zu den Hinsbergers. Anja war noch nicht wieder aufgetaucht und Herr Hinsberger war nach einem Telefonanruf auch verschwunden. Frau Hinsbergers Beschreibung von ihrem Mann passte auf unseren gesuchten Mörder. Da er ja angeblich das Mobiltelefon von Thorsten bekommen hatte, vermutete ich, dass es sich um das des Jungen handelte und wagte es, dessen Nummer anzurufen. Hinsberger nahm ab und damit hatten wir ihn. Gott sei dank."
"Aber warum ..." Herbert brauchte die Frage gar nicht auszusprechen. Bogner erriet sie bereits.
"Warum er auf einmal so durchdrehte? Nun, das Telefon liegt auf dem Boden." Nun schaute er Lisa an. "Ich nehme an, dass es Videoaufnahmen enthält, die Franziska und Anja zeigen, habe ich Recht?"
Lisa nickte unter großer Anstrengung.
"Michael Lochner war ein pflichtbewusster und guter Polizist. Wenn die Videos ihn dazu gebracht haben, sich zu erschießen, möchte ich sie gar nicht sehen. Es müssen bestialische Aufnahmen sein." Wieder schaute er zu Lisa. Wieder nickte sie gequält. Tränen liefen ihr die Schläfen runter. Plötzlich schaute Bogner mit einem wehmütigen Gesicht zu Herbert.
"Haben Sie Kinder?"
Herbert schüttelte den Kopf.
"Ich hatte mal eine Tochter. Damals wollte ich zunächst auch zur Selbstjustiz greifen. Aber ich war Polizist. Verstehen Sie? Also bewarb ich mich bei der Kriminalpolizei, um meinen Teil dazu beizutragen, solche kriminellen Subjekte zu erwischen." Einige Augenblicke hielt er inne. "Sie sind ein guter Mann, Tausendsesser. Die Frau hier verdankt Ihnen vielleicht ihr Leben. Wenn Sie mal zu uns kommen wollen, werde ich mich für Sie einsetzen."
"Vielen Dank, aber ehrlich gesagt, geht mir der Job etwas zu sehr an die Nieren. Armer Michael!" Mit diesen Worten blickte Herbert zu Lisa. Bogner nickte verständnisvoll.
Mit der Verhaftung Hinsbergers wurde dieser Fall allerdings noch nicht zu den Akten gelegt. Einen Täter galt es noch festzunehmen. Schließlich kam Kommissar Bogner nicht darum herum, die von Thorsten Neumüller mit seinem Mobiltelefon aufgenommenen Videoclips anzusehen. Was er dort zu sehen und hören bekam, ließ ihn das Blut in den Adern gefrieren. Zwei Männer mit Masken und eindeutig unter Drogeneinfluss schlugen die Mädchen, traten sie mit ihren Schuhen und rissen ihr die Kleider vom Leib. Dies alles war in einem geschlossenen Raum, vermutlich einem ausgebauten Keller, geschehen. Die Mädchen und Thorsten waren also vermutlich von der Disko aus entführt worden. Der Dialog der beiden Männer gab ebenfalls interessantes preis. Sie selbst hatten diese Szenerie aufgenommen, um für diesen Film in satanistischen Kreisen dann einen hohen Preis zu erhalten. Daher stießen sie hin und wieder die Worte "Retro Satanas" aus, wobei sie offensichtlich gar nicht wussten, was das bedeutete. Außerdem erwähnten sie Lisa, die "junge Schlampe" aus dem Bunker, die ihnen die Mädchen "vermittelt" hätte. Thorsten, der am Boden gelegen hatte, glaubten sie bewusstlos. Deswegen konnte er wahrscheinlich heimlich diese Clips aufnehmen. In seinem letzten Video demaskierten sich die Täter nach vollbrachter Arbeit. Die Mädchen hatten sie ermordet. Irgendwie musste Thorsten doch die Flucht gelungen sein. Direkt danach hatte er sich mit Anjas Vater an der Brücke getroffen.
Unter der Leitung von Kommissar Bogner wurde bei der Kriminalpolizei ein Team zusammengestellt, das sich darauf konzentrierte, den zweiten Täter zu finden und gleichzeitig den illegalen satanistischen Kreis aufzuspüren, der mit solchen Videos handelte.
Fünf Monate nach dem Vorfall im "Bunker" erhielt Herbert Tausendsesser ganz überraschend einen Anruf, mit dem er niemals gerechnet hätte.
"Tausendsesser?", meldete er sich etwas genervt.
"Hallo Kollege, erinnern Sie sich noch an mich?"
"Kommissar Bogner?"
Die Stimme am anderen Ende der Leitung lachte kurz.
"Sehr gut." Zunächst wusste Herbert nicht, was er sagen sollte. Warum rief Bogner bei ihm an? Er fand dafür keine Erklärung.
"Wie geht es Ihnen?", erkundigte er sich deswegen aus Höflichkeit und um das Gespräch aufrecht zu erhalten.
"Lassen wir das. Ich habe Sie nicht angerufen, um einen Small Talk zu halten", entgegnete Bogner ernst.
"Nun, was ist dann der Grund."
"Erinnern Sie sich noch an Ihre Worte, als ich Ihnen riet zu uns zu kommen?"
"Natürlich, ich empfand es als großes Kompliment von Ihnen. Allerdings ist das nichts für mich."
"Sie sagten, der Job ginge Ihnen etwas zu sehr an die Nieren."
"Erstaunlich, dass Sie das behalten haben", lobte Herbert. Doch als dann plötzlich für einige Sekunden eine totenähnliche Stille herrschte, befürchtete er Unheilvolles. Die nächsten Worte von Bogner sollten ihm recht geben.
"Lisa, die Prostituierte, ist tot. Sie haben sie ermordet."
Herbert stockte der Atem. Auf eine solche Nachricht war er nicht gefasst.
"Wen meinen Sie mit sie?", wollte er wissen.
"Das werden Sie erfahren."
"Kommissar Bogner, was haben Sie vor?"
Plötzlich hörte er ein Wimmern durch den Hörer.
"Tausendsesser, die perversen Schweine haben Anja Neumeier, Franziska Lochner, Lisa und ... meine Tochter auf dem Gewissen. Ich ... hab ... " Nun brach Bogners Stimme völlig unter Tränen zusammen. "... ein Video mit meiner Kleinen gesehen."
Auf einen Schlag begriff Herbert. Kommissar Bogner wollte beenden, was Hinsberger begonnen hatte. Er wusste sehr wahrscheinlich bedeutend mehr, so dass sein Rachefeldzug noch größere Kreise ziehen würde.
"Lassen Sie sich nicht zu irgendetwas hinreißen, was Sie später bereuen!" Etwas anderes fiel Herbert darauf nicht ein.
"Es ist zu spät, Tausendsesser, Sie können mich nicht mehr aufhalten. Hinsberger hatte recht. Die haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Nun kommt der Teufel seinen Lohn kassieren. Wenn Sie einen letzten Rat von mir annehmen wollen: Machen Sie die nächsten Tage Urlaub oder melden Sie sich krank. Von jetzt an nehme ich auf niemanden mehr Rücksicht."
"Die ganze Sache hat Sie extrem belastet, Kommissar Bogner. Ihr Kopf dreht völlig durch. Geben Sie den Fall ab, um Himmels Willen."
"Nein! Eine teuflische Jagd hat begonnen. In Ihrem Interesse hoffe ich, dass wir uns nie wieder sehen."