Ein Wochenmarkt ist etwas Helles, Lebendiges, Reichliches und Lustiges. Durch die breite, sonst so stille Straße ziehen sich zwei lange, von Lücken unterbrochene Reihen Warenstände, belegt und behängt mit allem, was Haushaltungen und Familien tagtäglich nötig haben. Die Sonne, die sonst hier herum herrisch und träge liegen kann, hat heute zu springen und zu blitzen, sozusagen zu fuchteln, denn jedes bewegliche Ding, das hier herumrührt, jeder Gegenstand, jeder Hut, jede Schürze, jeder Topf, jede Wurst, alles will angeblendet sein. Würste in Sonnenschein gebadet sehen prächtig aus. Das Fleisch prahlt und prunkt von den Haken, an denen es hängt, stolz und purpurrot herunter. Das Gemüse grünt und lacht, Apfelsinen scherzen in prachtvoll gelben Mengen, Fische schwimmen in breiten wassergefüllten Kübeln. Man steht so, und dann tut man einen Schritt. Man tut. Es kommt so genau nicht darauf an, ob der geplante, probierte und ausgeführte Schritt wirklich ein wahrhaftiger Schritt ist. Dieses fröhliche, einfache Leben, wie es bescheiden anzieht, wie es einen kleinbürgerlich und häuslich anlacht. Dazu ist der Himmel von einem allererstklassigen Blau. Erstklassig! Man will sich nicht zu dem Wort »süß« versteigen. Wo man Poesie empfindet, bedarf's keinerlei poetischer Anwandlungen. »Drei Abbelsinen for'n Jroschen.« Wie oft, Mann, hast du das eigentlich schon bald mal gesagt? Welche Auswahl prächtiger, dicker Weiber. Unfeine Menschenfiguren mahnen so recht an die Erde, an das Landweben und -leben, den Gott selbst, der sicher auch keinen gar so übertrieben schönen Leib hat. Gott ist das Gegenteil von Rodin. Wie entzückend ist das: an etwas Bäurischem ein wenig, wenn auch nur für einen »Jroschen« Geschmack empfinden zu dürfen. Frische Eier, Landschinken, Land- und Stadtleberwürste! Ich muß es heraussagen: ich stehe und taugenichtse gern in der Nähe von lockenden Eßwaren umher. Wieder erinnert's ans lebhaft Vergängliche, und das Lebendige ist mir lieber als das Unsterbliche. Hier sind Blumen, dort Kachelgeschirre, nebenan Käse, Schweizer, Tilsiter, Holländer, Harzer, und entsprechender Geruch dazu. Wenn man nun in die Ferne schaut, so wimmelt es von Landschaftsmalmotiven, schaut man zur Erde, so entdeckt man Schalen von Äpfeln und Nüssen, Fleischabfälle, Papierreste, halbe und ganze Weltblätter, einen Hosenknopf, ein Strumpfband. Blickt man hoch auf, so ist es ein Himmel, blickt man gerade vor sich, so ist es ein Durchschnittsmenschengesicht, von Durchschnittstagen und -nächten redet man nicht, von einer Durchschnittsnatur auch nicht. Ist denn nicht das Durchschnittliche das Festeste und Beste? Ich bedanke mich für Genietage und -wochen, oder für einen außergewöhnlichen Herrgott. Das Bewegliche ist stets das Gerechteste. – Und wie zierlich können einen Bauernweiber angucken. Mit welch seltsamen leisen Gebärden sich hin und her drehen. Der Markt läßt immer ein Stück Landahnung im Stadtviertel zurück, gleichsam, um es aus seinem monotonen Hochmut aufzurütteln. Wie hübsch ist das, daß alle diese Kaufgegenstände in der freien, frischen Luft liegen. Jungens kaufen sich warme Würste, sie lassen sich dieselben der ganzen saftigen Länge nach an- und abstreichen, damit sie sie gleich kunstgerecht verzehren können. Essen paßt so gut unter den blauen, hohen Himmel. Wie reizend sehen mir da die üppigen Blumenkohlbüschel aus. Ich vergleiche sie (nicht ganz gern) mit weiblichen straffen Brüsten. Der Vergleich ist impertinent, wenn er nicht klappt. Wieviel Frauen da um einen herum sind. Aber der Markt geht, sehe ich, zu Ende. Die Zeit des Abrüstens ist da. Obst wird in Körbe zusammengescharrt. Bücklinge und Sprotten werden eingepackt, Buden abgeschlagen. Das Gewimmel hat sich verzogen. Nach kurzer Zeit wird die Straße wieder ihr vorheriges Aussehen zurückerwischt haben. Adieu Farben. Adieu vielerlei. Adieu Gesprenkel von Lauten, Düften, Bewegungen, Schritten und Lichtern. Übrigens habe ich ein Pfund Wallnüsse eingehandelt. So kann ich nun nach Hause traben, in meine Wi-wi- und Wä-wä-Kindergeschrei-Wohnung. Ich esse so ziemlich alles gern, aber wenn ich Nuß esse, bin ich direkt glücklich.