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Aufsätze by Robert Walser:In der Provinz

时间:2020-12-04来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Aufsätze by Robert Walser
Ja, in der Provinz, da kann es der Schauspieler etwa noch schön haben. Dort, in den kleinen Landstädtchen, die noch von alten Ringmauern trotzig umschlossen sind, gibt es keine Premieren und keine fünfhundertste Aufführung ein und desselben Salates. Die Stücke wechseln mit den Tagen oder Wochen wie die blendenden Toiletten einer geborenen Fürstin, die zornig würde, wenn einer ihr zumuten wollte, jahrelang immer dasselbe Kleid zu tragen. Auch keine solche schnauzige Kritik gibt es in der Provinz, wie dergleichen der Schauspieler in den Weltstädten zu ertragen hat, wo es nichts mehr Ungewöhnliches ist, mit anzusehen, wie der Künstler von oben bis unten von grimmigen Witzen wie von wütenden Hunden zerrissen wird. Nein, in der guten, ehrlichen Provinz wohnt erstens der Mann mit der Maske vor dem Gesicht im Hôtel de Paris, allwo es toll und urgemütlich zugeht, und zweitens lädt man ihn etwa noch zu Abendgeselligkeiten ein, in feine, alte Häuser, wo es ein ebenso wohlschmeckendes Essen wie eine delikate Unterhaltung mit den ersten Personen der Kleinstadt gibt. Zum Beispiel meine Tante in Madretsch, die gab es nie und nimmermehr zu, daß von den Komödianten in unziemlichem, wegwerfendem Ton geredet wurde, im Gegenteil, nichts war ihr angenehmer und erschien ihr passender, als zum Abendessen, dessen Zubereitung sie selber beaufsichtigte, jede Woche einmal mindestens, so lange sie in der Stadt spielten, diese umherziehenden Leute recht lustig und fidel bei sich zu sehen. Meine Tante, die jetzt gestorben ist, war eine geradezu schöne Frau, auch noch zu einer Zeit, wo andere Frauen beginnen, ältlich und runzelig zu werden. Mit ihren fünfzig Jahren schien sie noch eine der allerjüngsten zu sein, und während in ihrer Umgebung die Frauen plumpe, mißförmige Figuren zur Schau trugen, zeichnete sie sich durch eine feste, üppig-schlanke Körperform zu ihrem eigenen, sehr großen Vorteil aus, daß sie jedermann, der sie ansah, für schön erklären mußte. Nie vergesse ich ihr helles, zartes Gelächter und nie den Mund, aus dessen reizender Öffnung das Lachen heraustönte. Sie wohnte in einem seltsamen, alten Haus; wenn man die schwere Tür auftat und eintrat, in den stets dunkeln Korridor, lispelte einem das Plätschern eines unaufhörlich fallenden Brunnens entgegen, der kunstreich in die Mauer eingefügt worden war. Die Treppen und deren Geländer strotzten und dufteten förmlich von Sauberkeit, und erst die Zimmer. Ich habe nie nachher wieder solche Zimmer gesehen, solche heitere, polierte, zimmerliche Zimmer. Ich glaube, wenn ich mich nicht irre, man sagt Gemach, wenn man von einem Zimmer redet, das traulich und zugleich äußerst vornehm und etwas altertümlich ausgestattet ist. In einem solchen Hause, bitte ich zu beachten, dürfen also in der Provinz Bühnenkünstler aus- und eingehen, dürfen solche Treppen mit ihren wahrscheinlich manchmal ungeputzten Stiefeln berühren, solche Klinken, messingene und rasend peinlich glänzende, mit ihren Händen anfassen, um in solche Gemächer hineinzutreten, und dann einer solchen Frau, wie meiner Tante, ungezwungen Guten Abend zu sagen. Was tut der Schauspieler in der Großstadt? Er schuftet, läuft wie wahnsinnig in die Proben und reibt sich auf, um es ja der säuerlichen Kritik recht zu machen. So etwas gibt es in der Umgegend von Madretsch nicht, meine Damen und Herren. Von Kranksein und Aufreiben wird da kaum die Rede sein dürfen, vielmehr bummelt so ein Kerl, den Zylinder, den er weiß der Himmel woher hat, auf dem Kopf, die Hände in womöglich hellgelben Handschuhen, den Stock in der Rechten, in einem tragischen Mantel, dessen Schöße im Winde flattern, so gegen elf Uhr vormittags oder halb zwölf, um nicht gelogen zu haben, seelenheiter und von allen Passanten auf der Straße für einen illegitimen Fürstensohn gehalten, angeblinzelt von Mädchenaugen, die schöne Promenade entlang, um vielleicht zum See hinauszugehen und dort eine halbe Stunde lang, bis es Zeit zum Essen ist, in die Ferne zu schauen. Das, meine Herren, verschafft Appetit, ist gesund und wohl etwa noch zu ertragen. Wo gibt es in der Großstadt einen See, einen Felssturz, dessen Gipfel von einem im griechischen Stil erbauten, niedlichen Pavillon gekrönt wird, wo man in der hellen Vormittagssonne mit einer Frau, die man eben hat kennen lernen und die, sagen wir mal, dreißig Jahre alt ist, ein seelenvolles Gespräch führen kann? Wo gibt es ein Schulhaus in Weltstädten, in das der Herr jugendlicher Liebhaber, Herr von Beck, so gegen drei Uhr, weil er gerade Lust zu einem solchen Unternehmen hat, eintreten und den kleinen neun- bis zwölfjährigen Schulmädchen einen Schulbesuch abstatten kann? Es ist gerade Religionsstunde, die Mädchen langweilen sich ein bißchen, da tritt Beck ein und frägt an, ob ihm wohl gestattet wäre, dem ihn im höchsten Grade interessierenden Unterricht beizuwohnen. Der Pfarrer, ein durchaus weltmännisch gebildeter, sympathischer Herr, errötet über die Keckheit und weiß nicht recht, was er sagen soll, im ersten Augenblick nämlich, wo ihm die Heldenmanieren eines von Beck den Verstand rauben. Aber schon hat er sich gefaßt und schiebt den Darsteller des Ferdinand in Kabale und Liebe sanft zur Tür hinaus, wohin er ja schließlich, wenn man die Umstände bedenkt, auch gehört. Aber, Hand aufs Herz, ist das etwa nicht reizend, und gibt's in Millionenstädten etwas Derartiges? Wie hübsch dieser Herr Pfarrer gehandelt hat, Herrn Beck zu verbieten, in der edlen Religionsstunde mit den Schülerinnen Allotria zu treiben. Aber wie entzückend wiederum dieser Beck ist, der den Pfarrer zu dem liebenswürdigen Benehmen veranlaßt hat; denn wenn es keine Becks gäbe, die die Unverschämtheit besitzen, den Schulaufsichtsrat zu spielen, am hellen Tag, wo die Sonne überall scheint und es in ganz Madretsch nach Käsekuchen duftet, so gäbe es auch kein pfarrerlich-schönes Betragen, wie denn Spitzbuben nicht fehlen dürfen, wo man noch hoffen will, Tugenden anzutreffen. Solche Dinge ergeben sich in einer Kleinstadt von selber; das reizende Erlebnis nimmt dort noch gern plastische Gestalt an, und wer eignet sich in der Provinz besser zu Erlebnissen aller Art als die Lumpenkomödianten, denen der Ruf des Gefährlichen, Schönen, Geheimnisvollen und Abenteuerlichen immer vorangeht? Da sieht sie der Bewohner von Bözingen oder Mett oder Madretsch in Gruppen vor dem Rathause stehen, gestikulierend und in fremdartigen, eleganten Akzenten sprechend, die Rollen, die sie abends spielen, in den blassen durchgeistigten Händen, so wildfremd, so sehr scheinbar aus Königsschlössern und Mätressenboudoirs herkommend, mit so schönen, hohen Stirnen und mit wenn immer denkbar goldenen Haarlocken! Kann der hauptstädtische oder gar reichshauptstädtische oder gar noch literarische Schauspieler diese Genugtuung auch genießen, eine wildfremde Figur auf Straßen, Plätzen und Promenaden zu sein? Kann er überhaupt auch nur noch tiefer und inniger interessieren, als was auf fünf Spalten im Lokalanzeiger gedruckt paßt? Und wenn er gar berühmt ist und viel genannt wird, was ist das? Ich muß geradezu lächeln, daran zu denken, wie oberflächlich das Interesse im Laufe der Jahre wird, das man Berühmtheiten zollt. Nein und noch einmal nein. Wer gern mag, daß ihm eine rote, warme, saftvolle, gequetschte, spritzende, sprühende und duftende Empfindung dargebracht wird, der werde so rasch wie möglich Schmierenschauspieler. Das bißchen finanzielle und ökonomische Elend, das mit diesem Berufszweig ja allerdings immer verbunden sein wird, ist zu ertragen. Ich mache gern noch auf ein paar Einzelheiten aufmerksam: Schauspieler Beck wird eines Nachts von einem unkultivierten Burschen einfach mir nichts dir nichts Hundsfott genannt. Das ist allerdings starker Schnupftabak. Beck stürzt vor, und beide, der lümmelhafte Sohn des Uhrenfabrikanten und das zierliche Söhnchen der dramatischen Kunst packen einander am beiderseitigen Stehkragen, an den Haaren, beim Genick, am Schopf, bei den Nasen, an den Lippen und Ohren, unterm Knie, rund um die Leiber, um den Kampf zweier erzürnter Gottheiten aufzuführen. Auch nicht denkbar in Reichsmetropolen, wo die Menschen anfangen, so windig gesittet zu werden und ihren Zorn immer in die Taschen stecken, wenn zu befürchten ist, daß er losbrennen will. Im Hôtel de Paris sind immerhin noch ganz andere Sachen möglich. Dort küßt man beispielsweise den Kellnerinnen die Hände, so fein sind sie, und plaudert englisch mit der Leiterin des Geschäfts am Bufett, so lange, bis einer kommt und einem von hinten her quer eins hinüberhaut, bis man genug hat. Und dann die Natur in Kleinstädten. Das ist nun geradezu die Wunderquelle, in der sich Karl Moor bis zum Strotzen gesund baden kann, denn überall lockt's ihn, in Schluchten zu gehen, in denen Wasserfälle schäumend und zischend und kühlend niederbrausen; über ebene, weite Felder bis an den Rand mächtig-hoher und grüner Eichenwälder; über Waldhügel hinüber, allwo er Blumen suchen und sie in seine Botanisierbüchse stecken kann, um sie zu Hause in ein Glas Wasser zu tun; auf breite, tausend Meter hohe Berge, entweder zu Fuß oder zu Roß, wenn er eins auftreiben kann, oder per Drahtseilbahn, zu der entzückend gelegenen Weide mit ihrer Blumen- und Gräserpracht, bis er am Abend, erschöpft und erfüllt von schönen, müden Empfindungen, unter einer hundertjährigen Tanne in die Matte sinkt, um den herrlichen Sonnenuntergang zu betrachten. In Krächen und Schluchten liegt noch der winterliche Schnee, obgleich es schon toller, üppiger Frühling ist. Oder es lockt ihn, in eine leichte, schwankende Gondel zu steigen, die zu haben ist bei Frau Hügli, Schiffsvermieterin, dicht am Ufer des Sees, und aufs schöne, spiegelglatte Wasser hinauszufahren, zwischen knirschenden Schilfgewächsen hindurch, bis er in der Mitte des Sees angelangt ist und, die Ruder fahren lassend, sieht, wie köstlich die Rebberge und Landhäuser und kleinen Jägerschlösser sich im tiefen Wasser naturgetreu widerspiegeln. Und so noch vieles, und zu allen Jahreszeiten, im Winter, Herbst, Sommer und Frühling. Die Natur ist bekanntlich in allen ihren Verkleidungen erfrischend und bezaubernd und immer des ganz und gar innigen Ansehens und Genusses wert. Geht in die Provinz, in Kleinstädte; dort habt ihr noch Hoffnung, daß man euch an euerm Benefizabend einen Lorbeerkranz vor die Füße und Nase wirft, den ihr dankend aufheben und freudig nach Hause tragen könnt. Den schauspielenden Damen nicht minder als den Herren sind diese Städte zu empfehlen, auch sie werden sehr bald finden, daß ich nicht unrecht gehabt habe, ihnen anzuraten, es einmal wieder mit der Provinz zu versuchen. Zu guter Letzt: Es wird gut gekocht an solchen Orten, und es muß ratsam erscheinen, bald einmal hinzugehen und diese vortreffliche Kost zu probieren. Schmackhaftes Essen ist nicht zu verachten.
 
 
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