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44 Das Gänsemädchen Åsa und Klein-Mats:Die Krankheit

时间:2020-09-18来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Gänsemädche
In dem Jahre, wo Nils Holgersson mit den Wildgänsen umherzog, wurde viel von zwei Kindern gesprochen, die durch das Land wanderten. Sie waren von Småland aus dem Bezirke Sunnerbo, und sie hatten einst mit ihren Eltern in einem Häuschen draußen auf der großen Ljungheide gewohnt. Als die Kinder noch ganz klein waren, klopfte eines Abends eine arme Frau bei den Leuten an und bat um ein Obdach. Obgleich die Hütte knapp Raum für die eigenen Bewohner hatte, wurde die arme Frau doch eingelassen, und die Mutter machte ihr ein Lager auf dem Boden zurecht. Die ganze Nacht hindurch hustete das arme Weib so fürchterlich, daß es den Kindern war, als sollte ihnen das Haus über dem Kopfe einstürzen, und am Morgen war sie so krank, daß sie nicht mehr weiter konnte.
 
Der Mann und die Frau waren so gut gegen sie wie nur möglich. Sie ließen sie in ihrem eigenen Bette liegen und schliefen selbst auf dem Fußboden, und der Mann ging zum Doktor und holte Tropfen für sie. Während der ersten Tage war die Frau auch wie gar nicht recht bei sich gewesen, sie hatte nur immerfort gefordert und verlangt, aber nie ein Wort des Dankes gesagt; allmählich jedoch wurde sie milder, sie taute auf und wurde demütig und dankbar. Schließlich bat sie nur immer, man möge sie vors Haus und auf die Heide hinaustragen, damit sie da draußen sterbe. Und als die Leute ihr Begehren nicht erfüllen wollten, erzählte sie ihnen, sie sei in den letzten Jahren mit einer Schar Zigeuner umhergezogen, obgleich sie nicht von Zigeunern abstamme; sie sei die Tochter eines Hofbauern, aber von Hause davongelaufen und dann bei den Zigeunern geblieben. Und jetzt glaube sie, eine Zigeunerin, die einen Haß auf sie gehabt habe, die habe ihr die Krankheit angewünscht. Aber nicht genug damit, das Zigeunerweib habe ihr auch gedroht und gesagt, ebenso schlimm, wie es ihr selbst gehen werde, solle es auch allen denen gehen, die sie unter ihrem Dach aufnähmen und gut gegen sie seien. Und an diese Drohung glaube sie, sagte die Kranke, und deshalb bitte sie so inständig, daß [397] man sie zum Hause hinauswerfe und sich gar nicht mehr um sie kümmere, denn über so gute Leute wolle sie kein Unglück bringen. Aber die Eltern hatten nicht nach dem Willen der Kranken getan. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß sie ein wenig Angst bekamen, aber sie hatten eben doch nicht das Herz, so eine arme todkranke Frau vor die Tür zu setzen.
 
Bald darauf starb das Weib, und dann war das Unglück über die armen Leute hereingebrochen. Früher hatte eitel Freude in ihrem Hause geherrscht; arm waren sie allerdings immer gewesen, aber ganz verarmt waren sie doch nicht. Der Vater verfertigte Webkämme, und die Mutter und die Kinder halfen bei der Arbeit. Der Vater schnitzte die Kämme, die Mutter und die große Schwester fügten sie zusammen. Die kleinern Kinder hobelten die Zapfen und schnitzten sie zurecht. Die ganze Familie arbeitete vom Morgen bis zum Abend; aber sie waren immer fröhlich und guter Dinge, besonders wenn der Vater von der Zeit erzählte, wo er durch ferne Länder gewandert war und Webkämme verkauft hatte. Der Vater hatte einen glücklichen Humor und erzählte oft so lustig, daß die Mutter und alle Kinder sich beinahe krank lachten.
 
Die Zeit nach dem Tode der armen Frau stand vor den Kindern immer wie ein böser Traum; sie wußten nicht mehr, ob sie kurz oder lang gewesen war, sie erinnerten sich nur, daß daheim ein Begräbnis nach dem andern stattfand. Ihre Geschwister starben und wurden zu Grabe getragen, eines nach dem andern. Sie hatten zwar nicht mehr als vier Geschwister gehabt, aber den Kindern kam es vor, als seien es viel mehr gewesen. Schließlich war es außerordentlich still und drückend daheim in ihrer Hütte geworden. Es war, als fände jeden Tag ein Begräbnis statt.
 
Die Mutter hielt den Mut einigermaßen aufrecht, aber der Vater wurde ein ganz andrer Mensch. Er konnte nicht mehr arbeiten und auch nicht mehr scherzen, sondern saß nur vom Morgen bis zum Abend da, den Kopf in den Händen vergraben, und grübelte.
 
Einmal – es war nach dem dritten Begräbnis – brach er in wilde verzweifelte Reden aus, vor denen die Kinder Angst bekamen. „Nein, ich kann es nicht begreifen, warum ein solches Unglück über uns hereingebrochen ist!“ rief er. „Wir haben doch nur eine gute Tat getan, als wir der Kranken halfen. Ist denn das Böse in der Welt mächtiger als das Gute?“ Die Mutter hatte versucht, ihn mit vernünftigen Worten zu trösten; aber es gelang ihr nicht, ihn so ruhig und ergeben zu machen, wie sie selbst war.
 
Ein paar Tage später hatten sie den Vater verloren. Aber er war nicht gestorben, sondern auf und davon gegangen. Ach, da war gerade die älteste Schwester erkrankt, und diese war von jeher der Liebling des Vaters gewesen! Als er dann sah, daß sie auch sterben mußte, entfloh er dem ganzen Elend. Die Mutter sagte nur, es sei gewiß besser für den Vater, daß er jetzt nicht da sei. Er wäre sonst am Ende noch verrückt geworden. Er grüble sich ja von Sinn und Verstand, wenn er nur immerfort darüber nachgrübelte, ob [398] Gott es denn zulassen könne, daß ein böser Mensch so viel Unglück auf Erden anrichte.
 
Nachdem der Vater auf und davon gegangen war, wurden sie sehr arm. Im Anfang hatte er ihnen noch Geld geschickt; aber dann war es ihm wohl selbst schlecht gegangen, denn er schickte nichts mehr. Und an dem Tag, wo die älteste Schwester begraben wurde, schloß die Mutter das Haus zu und verließ mit den beiden letzten Kindern, die ihr noch geblieben waren, die Heimat. Sie ging mit ihnen nach Schonen, weil sie hoffte, dort Arbeit auf den Rübenfeldern zu bekommen, und sie erhielt auch eine Stellung in der Zuckerfabrik zu Jordberga. Die Mutter war eine tüchtige Arbeiterin und hatte ein fröhliches, offenes Wesen. Jedermann hatte sie gern; viele verwunderten sich, daß sie nach allem, was sie durchgemacht hatte, noch so ruhig sein könnte; aber sie hatte ein starkes, geduldiges Herz. Wenn jemand die beiden prächtigen Kinder lobte, erwiderte sie nur: „Sie werden auch bald sterben.“ Und dies sagte sie, ohne daß ihre Stimme zitterte und ohne daß ihr die Tränen in die Augen traten. Sie hatte sich daran gewöhnt, nichts andres mehr zu erwarten.
 
Aber es kam nicht so, wie sie erwartete. Statt dessen wurde sie selbst krank. Es ging rasch zu Ende mit ihr, noch rascher als mit den kleinen Geschwistern. Im Anfang des Sommers war sie nach Schonen gezogen; und als der Herbst kam, waren die Kinder allein.
 
Während die Mutter krank lag, sagte sie immer wieder zu ihren Kindern, sie habe nie bereut, daß sie die arme Frau damals bei sich aufgenommen hätten, und das sollten sie niemals vergessen. Denn wenn man recht gehandelt habe, dann sei das Sterben nicht schwer. Alle Menschen müßten sterben, dem Tode könne keiner entrinnen; das aber habe man selbst in der Hand, ob man mit einem guten oder einem schlechten Gewissen sterben müsse.
 
Ehe die Mutter starb, suchte sie noch einigermaßen für die Kinder zu sorgen. Sie bat die Leute, bei denen sie wohnte, sie möchten die Kinder doch in der Kammer, wo sie alle drei zusammen gewohnt hätten, auch ferner verbleiben lassen. Wenn die Kinder nur einen Aufenthaltsort hätten, würden sie niemand zur Last fallen; sie könnten sich selbst versorgen, das wisse sie. Die Kinder durften dann wirklich die Kammer behalten; sie mußten aber dafür die Gänse hüten, denn für diese Arbeit findet man nur schwer die richtigen Kinder. Es ging dann wirklich, wie die Mutter gesagt hatte: die beiden Kinder sorgten selbst für ihren Unterhalt. Das kleine Mädchen konnte Hustenzucker kochen, und der Junge konnte aus Holz allerlei Spielzeug verfertigen, das er ringsum auf den Höfen verkaufte. Die Kinder hatten Handelstalent, und nach einiger Zeit fingen sie an, bei den Bauern Eier und Butter aufzukaufen, die sie dann wieder an die Arbeiter der Zuckerfabrik verkauften. Sie waren sehr ordentlich und pünktlich, und man konnte ihnen alles anvertrauen, was es auch immer sein mochte. Das Mädchen war das ältere von den beiden, und mit dreizehn Jahren war sie schon so zuverlässig wie ein Erwachsenes. Sie war still und ernst, aber der Junge war redselig und lustig, und die [399] Schwester sagte immer von ihm, er schnattere mit den Gänsen auf der Wiese um die Wette.
 
Als die Kinder zwei Jahre auf Jordberga gewohnt hatten, wurde eines Abends in der Schule ein Vortrag gehalten. Der Vortrag war zwar eigentlich nur für Erwachsene bestimmt, aber die beiden småländischen Kinder saßen auch unter den Zuhörern; die Kinder selbst rechneten sich gar nicht zu den Kindern, ja die Erwachsenen taten es kaum. Der Redner sprach von jener traurigen Krankheit, der Tuberkulose, die jedes Jahr so viele Menschen in Schweden zum Opfer fordere. Er sprach sehr klar und leicht verständlich, und die Kinder verstanden jedes Wort.
 
Nach dem Vortrag blieben sie vor der Schule stehen und warteten. Als der Redner aus dem Hause trat, faßten sie einander bei der Hand, schritten feierlich auf ihn zu und fragten ihn, ob sie etwas mit ihm besprechen dürften.
 
Der Redner schaute wohl ein wenig verwundert drein, als er diese beiden Kinder sah, die da vor ihm standen mit ihren runden, rosigen Kindergesichtern und mit einem Ernst sprachen, der dreimal so alten Leuten angestanden hätte; aber er hörte sie doch sehr freundlich an.
 
Die Kinder erzählten, was sie daheim erlebt hatten, und fragten dann den Redner, ob er glaube, daß ihre Geschwister und die Mutter an der Krankheit gestorben seien, die er eben in seinem Vortrag beschrieben habe. Ja, das sei sehr wahrscheinlich, antwortete der Redner. Es könnte wohl kaum eine andere Krankheit gewesen sein.
 
Die Kinder fragten weiter: Wie, wenn nun Vater und Mutter das, was die beiden Kinder an diesem Abend erfahren hatten, damals schon gewußt und sich in acht genommen hätten, wenn sie die Kleider der Kranken verbrannt und auch das Bett nicht mehr benutzt hätten, – wären dann vielleicht alle die noch am Leben, um die sie jetzt trauern müßten?
 
Der Redner antwortete, das könne niemand ganz bestimmt sagen, aber er könne sich wohl denken, daß keines von ihren eigenen Angehörigen hätte zu sterben brauchen, wenn sie es verstanden hätten, sich vor der Ansteckung zu hüten.
 
Jetzt zögerten die Kinder ein wenig, ehe sie ihre nächste Frage vorbrachten; aber sie rührten sich nicht von der Stelle, denn die Frage, die sie jetzt beantwortet haben wollten, war die allerwichtigste. Schließlich kam die Frage heraus: Ob es dann nicht wahr sei, daß die Zigeunerin die Krankheit über sie herabbeschworen habe, weil sie der armen Frau, auf die das Zigeunerweib seinen Haß geworfen hatte, geholfen hätten? Ob es nicht ein Fluch gewesen sei, der sie getroffen habe?
 
Nein, das sei durchaus nicht der Fall gewesen, erwiderte der Redner, das könne er ihnen getrost versichern. Kein Mensch habe die Macht, auf solche Weise eine Krankheit über einen andern zu bringen. Und sie wüßten ja, daß sich die Krankheit im ganzen Lande in fast allen Häusern eingenistet habe, obgleich sie nicht überall so viele weggerafft habe wie bei ihnen.
 
Hierauf bedankten sich die Kinder und gingen miteinander nach Hause.
 
Am nächsten Tage aber erschienen die Kinder bei ihrem Brotherrn und [400] kündigten ihre Stelle. Sie sagten, sie könnten in diesem Jahre die Gänse nicht hüten, sie müßten wo anders hin. Ja, wohin sie denn wollten? fragte er. Sie müßten ausziehen und ihren Vater suchen, lautete die Antwort, denn sie müßten ihm sagen, daß die Mutter und die Geschwister an einer gewöhnlichen Krankheit gestorben seien, und nicht an einem Fluche, den böse Menschen auf sie herabbeschworen hätten. Sie seien selbst so froh darüber, daß sie dies erfahren hätten; aber deshalb hielten sie es jetzt für ihre Pflicht, es ihrem Vater mitzuteilen, denn er grüble gewiß noch bis zu diesem Tage darüber nach.
 
Zuerst begaben die Kinder sich in ihre alte Heimat auf der Heide bei Sunnerbo, und als sie dort ankamen, stand zu ihrer großen Verwunderung das Häuschen in hellen Flammen.
 
Hierauf gingen sie ins Pfarrhaus, und da erfuhren sie, daß ein Mann, der bei der Eisenbahn beschäftigt war, ihren Vater bei Malmberget hoch droben in Lappland gesehen habe.
 
Damals habe er in den Erzgruben gearbeitet, und er tue das vielleicht noch, aber ganz sicher sei es nicht. Als der Pfarrer hörte, daß die Kinder ausziehen wollten, ihren Vater zu suchen, holte er eine Landkarte herbei, zeigte ihnen darauf, wie weit es nach Malmberget war, und riet ihnen von der Reise ab. Aber die Kinder sagten, es sei durchaus notwendig, sie müßten versuchen, ihren Vater zu finden. Er sei aus seiner Heimat geflohen, weil er etwas geglaubt habe, was sich gar nicht so verhalten hätte, und nun müßten sie ihm sagen, daß er sich getäuscht habe.
 
Die Kinder hatten sich von ihrem Handel etwas Geld erspart; aber sie wollten es lieber nicht für die Eisenbahn ausgeben, und so entschlossen sie sich, zu Fuß zu gehen. Und sie bereuten es nachher ganz und gar nicht, denn es war eine wunderbar schöne Fußreise.
 
Noch ehe sie Småland hinter sich hatten, gingen sie eines Tages in einen Bauernhof hinein, etwas zu essen zu kaufen. Die Hausfrau war fröhlich und redselig, sie fragte die Kinder, wer sie seien und woher sie kämen, und die Kinder erzählten ihr ihre ganze Geschichte. „Ach du lieber Gott! Ach du lieber Gott!“ rief die Frau ein Mal ums andere, während die Kinder erzählten. Dann tischte sie ihnen viel Gutes zu essen auf, und sie durften durchaus nichts dafür bezahlen. Als sie sich bedankten und zum Weitergehen anschickten, fragte die Bäuerin, ob sie nicht im nächsten Dorfe bei ihrem Bruder einkehren wollten, und sie sagte ihnen auch, wie er hieß und wo er wohnte. Ja, das wollten die Kinder natürlich sehr gerne.
 
„Ihr sollt ihn von mir grüßen und ihm erzählen, was ihr alles erlebt habt,“ trug ihnen die Bäuerin zuletzt noch auf.
 
Die Kinder taten es, und der Bruder der Bäuerin nahm sie auch sehr freundlich auf. Er fuhr sie auf einen Hof im nächsten Dorfe, und da wurde ihnen auch eine gute Aufnahme zuteil. So oft sie nun von einem Hofe weggingen, hieß es immer: „Wenn ihr da oder dorthin kommt, dann geht nur hinein und erzählt, was ihr erlebt habt!“
 
[401]
 
In den Höfen, wohin die Kinder gewiesen wurden, war immer irgend jemand brustkrank. Und ohne daß sie es wußten, wanderten nun diese beiden Kinder durchs Land und belehrten die Menschen darüber, welche gefährliche Krankheit das war, die sich in den Heimstätten eingeschlichen hatte, und wie sie am besten bekämpft werden könnte.
 
In den alten Zeiten, wo die Pest, die der schwarze Tod genannt wurde, das Land verheerte, sollen der Sage nach ein Junge und ein Mädchen von Hof zu Hof gewandert sein. Der Junge trug eine Harke in der Hand, und wenn er vor einem Hause anhielt und mit seiner Harke vor der Tür rechte, so bedeutete das, daß darinnen viele, aber doch nicht alle sterben würden, denn die Zähne einer Harke stehen weit voneinander ab und nehmen nicht alles mit. Das Mädchen aber trug einen Besen in der Hand, und wenn sie vor einer Tür kehrte, dann bedeutete es, daß alle, die darinnen wohnten, sterben müßten; denn der Besen ist ein Gerät, das vollständig rein fegt.
 
Ist es nun nicht merkwürdig, daß in unseren Tagen zwei Kinder einer schweren und gefährlichen Krankheit wegen durchs Land ziehen mußten? Aber diese Kinder schreckten die Leute nicht mit Harke und Besen, sie sagten im Gegenteil: „Wir dürfen uns nicht daran genügen lassen, nur den Hof zu rechen und den Boden zu scheuern. Wir müssen auch Schrubber und Bürste und Seife gebrauchen. Vor unserer Tür soll rein gefegt sein, sowohl innerhalb als außerhalb, und wir selbst sollen uns auch rein halten. Auf diese Weise werden wir schließlich Herr über die Krankheit werden.“ 
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