‚Ach, ich denke an jene Nacht, wo ich dein Seehundfell versteckte,‘ antwortete der Fischer; er fühlte sich ihrer jetzt vollkommen sicher und meinte, er brauche nichts mehr vor ihr zu verheimlichen.
‚Was sagst du da?‘ fragte die Braut. ‚Ich habe doch nie ein Seehundfell gehabt.‘ Es war, als habe sie alles vergessen.
‚Weißt du denn nicht mehr, wie du mit den Meermädchen getanzt hast?‘ fragte der Fischer.
‚Ich weiß nicht, was du meinst,‘ antwortete die Braut. ‚Du hast wohl heute nacht einen sonderbaren Traum gehabt.‘
‚Wenn ich dir nun aber dein Seehundfell zeige, glaubst du mir dann?‘ fragte der Fischer und steuerte sogleich auf jenen Holm zu. Als sie dort angekommen waren, stieg das Brautpaar aus, und der Fischer zog das Fell unter dem Stein hervor, wo er es damals versteckt hatte.
Aber kaum erblickte die Braut das Seehundfell, als sie es auch schon an sich riß und sich über den Kopf warf. Das Fell schmiegte sich ihr um die Glieder wie etwas Lebendiges, und sie warf sich augenblicklich in den Strom hinein.
Der Bräutigam sah sie fortschwimmen. Rasch sprang er ihr nach ins Wasser, konnte sie aber nicht mehr erreichen. Als er sah, daß er sie nicht mehr zurückhalten konnte, warf er in seiner Verzweiflung seinen Spieß hinter ihr her. Dieser traf besser, als der Fischer gewollt hatte, denn das arme Meerweibchen stieß einen lauten Schrei aus und verschwand in der Tiefe.
Der Fischer blieb am Ufer stehen und hoffte, sie werde wieder an der Oberfläche auftauchen. Aber da sah er, wie sich über das Wasser ringsum ein milder Glanz ergoß, der ihm eine wunderbare Schönheit verlieh. So etwas hatte der Fischer noch nie gesehen; das Wasser glänzte und blinkte und spielte in rosigem und weißem Schimmer, gerade wie Perlmutter in einer Muschel.
Und als die glitzernden Wellen ans Ufer schlugen, sah der Fischer, daß auch dieses sich veränderte. Überall begann es zu blühen und zu duften; ein weicher Glanz breitete sich aus, und es bekam eine Schönheit, die es früher nicht gehabt hatte.
Und der Fischer erriet, woher das alles kam. Die Sache ist nämlich die: Wer ein Meerweibchen sieht, findet es schöner als alle andern Menschenkinder – er kann gar nicht anders – und als sich nun das Blut des Meerweibchens mit dem Wasser vermischte und alsdann mit den Wellen über die Ufer floß, teilte sich ihre Schönheit auch diesen mit; die Schönheit wurde ihnen als Erbteil geschenkt, daß alle, die sie sahen, von der Lieblichkeit dieser Ufer hingerissen wurden und von da an stets von Sehnsucht nach ihnen erfüllt waren.“
Als der vornehme Herr in seiner Erzählung so weit gekommen war, sah er Klement an, und dieser nickte dem Erzähler ernst zu, sagte aber nichts, denn er wollte ihn nicht unterbrechen.
„Und nun paß wohl auf, Klement, was ich dir sage,“ fuhr der vornehme alte Herr fort, und jetzt blitzte es plötzlich schalkhaft in seinen Augen auf. „Von jener [334] Zeit an siedelten sich die Menschen auf den Holmen an. Zuerst waren es nur Bauersleute und Fischer, aber eines schönen Tages kam der König mit seinem Jarl den Strom heraufgezogen. Als er die drei Holme sah, machte er die andern gleich darauf aufmerksam, daß jedes Schiff, das in den Mälar hineinwollte, daran vorbeifahren müsse. Und der Jarl meinte, hier müßte man eigentlich das Fahrwasser unter Schloß und Riegel legen, dann könnte man es nach Belieben öffnen und schließen, also die Handelsschiffe hereinlassen, die Seeräuberflotten aber hinaussperren.
Und siehst du, Klement, dieser Vorschlag wurde ausgeführt,“ sagte der alte Herr, indem er aufstand und von neuem mit seinem Stock in den Sand zeichnete. „Auf der größten der drei Inseln, siehst du, hier, baute der Jarl eine Burg mit einem prächtigen Wachturm, der Kärnan genannt wurde. Und rings um den Holm herum zog er Mauern, siehst du, so. Und hier im Süden machte er ein Tor in die Mauer und setzte einen starken Turm darauf. Er baute Brücken nach den andern Holmen hinüber und versah auch diese mit hohen Türmen. Und draußen auf dem Wasser, in weitem Umkreis um die Holme herum, schlug er einen Kranz von Pfählen mit Querbalken, die geöffnet und geschlossen werden konnten; nun konnte kein Schiff ohne seine Erlaubnis vorbeifahren.
Du siehst also, Klement, die drei Holme, die so lange unbemerkt dagelegen hatten, waren plötzlich in eine starke Festung verwandelt worden. Aber damit war es noch nicht genug. Diese Ufer und Sunde hier zogen die Menschen an, und bald strömten von allen Seiten Leute herbei, die sich auf den Holmen niederließen. Für diese Leute baute der Jarl eine Kirche, die später die Storkyrka genannt wurde. Hier liegt sie heute noch, ganz dicht bei der Burg, und hier, innerhalb der Mauern lagen die kleinen Häuser der ersten Ansiedler. Sie waren nicht großartig, aber damals brauchte es nicht mehr, um den Ort eine Stadt zu nennen. Die Stadt wurde Stockholm genannt, und so heißt sie noch bis auf den heutigen Tag.
Dann kam ein Tag, Klement, wo der Jarl nach seiner großen Arbeit zur Ruhe eingehen durfte; aber Stockholm fehlte es darum doch nicht an einem Baumeister. Mönche kamen dahergezogen, die man die schwarzen Brüder nannte; Stockholm hatte es ihnen angetan, und so baten sie darum, sich da ein Kloster bauen zu dürfen. Das Kloster wurde dann auch wirklich auf dem Stadtholm gebaut, hier gleich hinter der Storkyrkan. Nach einiger Zeit kamen auch noch andere Mönche ins Land, die sich die grauen Brüder nannten. Diese baten auch um Erlaubnis, sich in Stockholm anzubauen. Aber auf dem großen Holm war nun kein Platz mehr für ihr Kloster; es wurde daher auf einem der kleineren, dem Mälar zugekehrten Holme erbaut, und dieser Holm heißt von jener Zeit an der Gråmunkeholm, oder der Holm der grauen Mönche. Auf dem dritten Holm aber siedelten sich fromme Männer an, die sich Brüder vom heiligen Geist nannten und sich besonders um die Krankenpflege annahmen. Sie bauten ein Krankenhaus, und der Holm wurde seit jener Zeit der Helgeandsholm, der Holm des heiligen Geistes, genannt.