Opas Taschenuhr
Als es an der Tür klingelte, stürmte Ben durch den Flur und öffnete. Draußen stand Opa, auf den er schon den ganzen Tag gewartet hatte.
»Er ist endlich da!«, rief Ben durch das ganze Haus. »Opa ist endlich da!«
Er drückte Opa an sich und führte ihn dann an der Hand ins Wohnzimmer.
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen. Das Letzte Mal ist auch schon wieder viel zu lange her.«
Ben überlegte. Opas letzter Besuch lag schon ganze drei Tage zurück. Das war praktisch eine Ewigkeit.
Opa setzte sich an den großen Esstisch, der im Wohnzimmer stand, kramte in seiner Hosentasche und förderte ein rundes Ding aus metall und Glas zu Tage. Er schob es zu Papa rüber.
»Du bist doch immer so geschickt mit feinem Werkzeug. Kannst du die vielleicht reparieren?«
Ben warf einen Blick auf das schöne Stück.
»Wow!«, staunte er. »Ein echter Kompass. So einen habe ich auch schon mal gehabt. Aber dann habe ich ihn leider im Wald verloren.«
Opa sah Ben zuerst verwundert an. Dann begann er zu lachen.
»Das ist doch kein Kompass. Das ist eine Taschenuhr.«
Ben runzelte die Stirn. »Eine Taschenuhr? Wozu braucht man denn sowas? Ich hab eine Uhr im Handy. Da brauche ich keine zusätzliche Uhr in der Tasche. Die nimmt nur Platz weg. Dann passen weniger Bonbons da rein.«
Opa nickte. Dann holte er eine zweite Taschenuhr hervor.
»Ich habe sogar zwei davon. Die sind sogar sehr praktisch.«, erklärte er, während er den Deckel öffnete und sie Ben zeigte.
»Zuerst ist eine Taschenuhr etwas Schönes. Durch ein Fenster kann man sogar sehen, wie sich die einzelnen Zahnräder drehen. Das könnte ich mir stundenlang anschauen. Außerdem macht sie beruhigende Geräusche. Sie tickt nämlich rund um die Uhr.«
Opa hielt die Taschenuhr an Bens Ohr, der kurz hinhörte und dann nickte.
»Und dann hat eine Taschenuhr natürlich einen ganz großen Vorteil deinem Handy gegenüber.«
»Aha?«, fragte Ben ungläubig. »Kann ich mir nicht vorstellen. Mit so einer Taschenuhr kann man keine Nachrichten schreiben, nicht im Internet surfen und auch keine Spiele spielen.«
»Ja, das stimmt.«, antwortete Opa. »Aber wenn bei deinem Handy der Akku leer ist und du keine Steckdose in der Nähe hast, dann weißt du auch nicht, wie spät es ist. Meine Taschenuhr braucht keinen Akku. Ich drehe ein paar Mal an einem Rädchen und ziehe sie damit auf. Sie braucht keinen Strom.«
Das war wirklich gut. Das musste sogar Ben zugeben. Ein Handy zum Aufziehen wäre eine tolle Erfindung.
»Darf ich die Uhr mal mit in mein Zimmer nehmen? Ich möchte davon mal ein Foto machen und sie meinen Freunden aufs Handy schicken. Die haben bestimmt noch nie so eine alte Uhr gesehen.«
Opa gab Ben vorsichtig die funktionierende Uhr und ließ ihn damit gehen.
Sein Enkel lief ins Kinderzimmer, kam dann aber nicht ins Wohnzimmer zurück. Nach einer Viertelstunde ging ihm Opa dann hinterher. Er wollte sichergehen, dass seiner Taschenuhr nichts passiert war.
Als er Bens Zimmertür öffnete, fand er ihn im Bett liegend mit der Taschenuhr am Ohr. Sein Enkel war eingeschlafen.
Opa nahm die Taschenuhr grinsend an sich und ging zurück ins Wohnzimmer.
»Ben findet Taschenuhren übrigens doch ganz toll.«, sagte Opa.
»Er hat ihr leises Ticken zum Einschlafen benutzt. Das kann sein Handy nämlich auch nicht von allein.«