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狄更斯德语小说:双城记-28 Widerhallende Fußtritte

时间:2017-07-17来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 狄更斯
Wie bereits bemerkt wurde, war die Ecke, an der der Doktor wohnte, eine wunderbare Ecke für Echos. Stets emsig bemüht, den goldenen Faden fortzuspinnen, der ihren Gatten, ihren Vater, sie selbst und ihre alte Beschützerin und Gefährtin zu einem Leben voll stillen Glückes verband, saß Lucie in dem stillen Hause an der ruhigen, dem Echo so zugänglichen Ecke und lauschte auf die widerhallenden Fußtritte.
Obschon sie eine vollkommen glückliche junge Frau war, gab es doch anfangs Zeiten, in denen die Arbeit langsam ihren Händen entsank und ihr Auge sich trübte. Denn in den Widerhallen klang etwas – es war nur leicht, fernab und kaum vernehmlich; aber es regte doch ihr Herz sehr auf. Ein Schwanken zwischen Hoffen und Zweifel – ein Hoffen auf eine Liebe, die ihr zurzeit unbekannt war, und der Zweifel, ob sie auf Erden bleiben werde, um sich dieser neuen Wonne zu erfreuen, machte ihr oft zu schaffen. Unter den Widerhallen erhob sich dann der Ton von Fußtritten an ihrem eigenen frühen Grabe, erhoben sich Gedanken an den Gatten, den sie trostlos und in bitterer Trauer um sie zurücklassen mußte; sie kamen in Wellenbewegungen auf sie zu, um sich an ihr zu brechen.
Diese Zeit entschwand, und die kleine Lucie lag an ihrem Herzen. Nun mischte sich unter die näher kommenden Echos der Tritt winziger Füßchen und kindliches Geplapper. Mochten die lauteren Halle sich hervordrängen, wie sie wollten, die junge Mutter an der Wiege hatte nur ein Ohr für diese. Sie kamen, und das schattige Haus wurde sonnig unter dem Lachen des Kindes, und der göttliche Kinderfreund, dem sie dasselbe in ihren Ängsten empfohlen hatte, schien wie vor alters das junge Wesen auf den Arm zu nehmen, so daß sie eine heilige Lust darüber empfand.
Immer eifrig an dem goldenen Faden beschäftigt, der sie alle zusammenhielt, und den Dienst ihres glücklichen Einflusses unbemerkt überall einflechtend in das Gewebe ihres gemeinsamen Lebens, hörte Lucie in den Echos der Jahre nur freundliche und beruhigende Laute. Der Tritt ihres Gatten klang darin stark und glückverkündend, der ihres Vaters fest und gleichmäßig. Und siehe, auch Miß Proß in ihrem Korsettgerüst weckte das Echo wie ein ungebärdiger Zelter unter der Peitsche, der neben der Platane im Garten schnaubte und die Erde stampfte.
Selbst wenn Töne des Leides sich unter die anderen mischten, so waren sie nicht hart oder grausam. Sogar als goldiges Haar, dem ihrigen gleich, auf einem Kissen lag und eine Glorie bildete um das abgezehrte Gesicht eines Knäbchens, das da mit einem strahlenden Lächeln sagte: »Lieber Papa und Mama, es tut mir leid, euch beide und mein hübsches Schwesterlein zu verlassen; aber ich bin gerufen und muß gehen« – sogar damals, als die junge Seele sich den sorglichen Händen, denen sie vertraut gewesen, entzog, waren es nicht lauter Schmerzenstränen, die die Wange der Mutter befeuchteten. Lasset sie zu mir kommen und wehret ihnen nicht! Sie sehen das Angesicht meines Vaters. Oh, Vater – beseligende Worte!«
So mengte sich das Rauschen eines Engelflügels in die anderen Widerhalle, die nicht mehr ausschließlich der Erde angehörten, sondern auch einen Hauch vom Himmel in sich aufgenommen hatten. Das Seufzen der Winde, die über ein kleines Grab im Garten wehten, trat gleichfalls dazu, und Lucie hörte beides deutlich wie ein leises Geflüster, wie das Atmen einer an dem sandigen Gestade schlafenden sommerlichen See, während die kleine Lucie, die in komischem Eifer ihre Morgenaufgabe lernte oder neben dem Schemel ihrer Mutter eine Puppe ankleidete, in den Zungen der beiden Städte plauderte, die in ihr Leben verwoben waren.
Die Echos bezogen sich nur selten auf die wirklichen Tritte Sydney Cartons. Im höchsten Fall ein Halbdutzendmal des Jahres machte er von seinem Privilegium, uneingeladen kommen zu dürfen, Gebrauch; und dann verlebte er den Abend unter ihnen, wie er früher oft getan hatte. Wenn er erschien, war er nie vom Wein erhitzt. Und noch einen anderen Umstand, von dem seit Menschenaltern alle wahren Echos geflüstert haben, brachten die lispelnden Widerhalle mit ihm in Verbindung.
Nie hat ein Mann wahrhaft ein Weib geliebt, sie verloren und der Frau und Mutter, wenn er sie sah, eine reine und unveränderliche Anhänglichkeit bewahrt, ohne daß von ihren Kindern eine eigentümliche Teilnahme, ein instinktartiges Gefühl des Mitleids für ihn an den Tag gelegt worden wäre. Welche zarten, geheimen Gefühle in einem solchen Falle berührt werden, erzählt kein Echo. Aber die Sache ist einmal so und verhielt sich hier in derselben Weise. Carton war der erste Fremde, dem die kleine Lucie ihre runden Ärmchen entgegenbreitete, und er behielt sein Plätzchen bei, als sie größer wurde. Auch das Knäblein hatte fast noch im letzten Augenblick von ihm gesprochen. »Der arme Carton! Küss ihn für mich!«
Mr. Stryver schuftete sich durch das Rechtsgeschäft wie ein mächtiges Dampfschiff durch trübes Wasser und zog seinen nützlichen Freund als ein Schleppboot in seinem Kielwasser nach. Da ein so begünstigtes Fahrzeuglein gewöhnlich arg umhergestoßen wird und sich meist unter Wasser befindet, so fehlte es auch Sydney nicht an entsprechender Überschwemmung. Aber gleichgültig und von den Banden der Gewohnheit umstrickt, die mächtiger auf ihn wirkten als irgendein spornendes Gefühl seiner Verlassenheit und Herabwürdigung, fand er sich in seine Lebensweise. Er dachte ebensowenig daran, sich aus seiner Schakalstellung erheben zu wollen, wie man von einem wirklichen Schakal annehmen kann, er trage sich mit der stolzen Absicht, selbst ein Löwe zu werden. Stryver war reich; er hatte eine noch blühende Witwe mit einem schönen Vermögen und drei Buben geheiratet, an denen sich jedenfalls nichts Glänzendes bemerken ließ als das glattgestrichene Haar auf ihren Knödelköpfen.
Diese drei jungen Gentlemen hatte Mr. Stryver, der aus jeder Pore Gönnerschaft der allerwiderlichsten Art schwitzte, wie ebenso viele Schafe vor sich her nach der stillen Ecke in Soho getrieben und Lucies Gatten mit den zarten Worten als Schüler angeboten: »Holla, da bring' ich drei Stücke Käsbrot zu Eurem ehelichen Picknick, Darnay.« Ob der höflichen Zurückweisung dieser Zugabe zum Diner war Mr. Stryver vor Entrüstung so aufgeschwollen, daß er später von dem Umstande eine stetige Nutzanwendung auf die Erziehung der gedachten jungen Gentlemen machte, indem er sie anwies, sich vor dem Bettelstolz, wie ihn dieses Schulmeisterlein zur Schau stelle, in acht zu nehmen. Er pflegte auch, wenn er bei seinem Rotwein saß, gegen Mrs. Stryver über die Kunstgriffe, die Mrs. Darnay früher in Anwendung brachte, um ihn zu »fangen«, und über den Diamantenschliff seiner eigenen Schlauheit zu deklamieren, die ihn vor den ihm gelegten Schlingen bewahrte. Einige seiner guten Freunde vom Kingsbench, die gelegentlich sich seinen Roten schmecken ließen und die Lüge mit anhörten, entschuldigten diese durch die Annahme, er habe sie so oft erzählt, daß er jetzt selbst daran glaube, obschon dies eigentlich nur eine so unverbesserliche Erschwerung eines ursprünglichen Vergehens wäre, daß man gut daran tun würde, einen derartigen Übeltäter nach einem gehörig verborgenen Plätzchen zu nehmen, um ihn abseits aufzuhängen.
Solche Stimmen machten sich unter den Echos bemerklich, auf die Lucie bisweilen gedankenvoll, bisweilen belustigt und lachend in ihrer widerhallenden Ecke lauschte, bis ihr Töchterlein sechs Jahre alt war. Wie nahe ihrem Herzen die Widerhalle von den Tritten ihres Kindes, ihres teuren, stets tätigen, geisteskräftigen Vaters und ihres geliebten Gatten gingen, brauchen wir nicht erst zu sagen – ebensowenig, wie das leichteste Echo ihres gemeinsamen Haushalts, der unter ihrer weisen, das Zierliche wahrenden Wirtlichkeit sogar reicher erschien als bei einer verschwenderischen Ausstattung, Musik für ihr Ohr war. Besonders süß klangen ihr aber die Widerhalle, die ihr die Worte ihres Vaters zutrugen, daß er sie seit ihrer Verheiratung, wenn es möglich sei, sogar noch liebevoller gegen ihn finde als vorher, oder von ihrem Gatten ihr die Versicherung gaben, er bemerke nicht, daß irgendeine Sorge oder Pflicht ihrer Liebe zu ihm und ihrer treuen Handreichung Abtrag tue, sondern müsse vielmehr fragen, worin doch der geheime Zauber liege, daß sie einander so alles in allem sein können, als wären sie in eins verschmolzen, ohne daß es je den Anschein gewinne, es sei zuviel Geschäft vorhanden oder müsse etwas übereilt werden.
Es gab aber auch andere Echos, die während dieser ganzen Zeit aus der Ferne drohend sich vernehmlich machten. Und um die Zeit von Lucies sechstem Geburtstag waren sie allmählich in einen schrecklichen Ton übergegangen, als kämpfe in Frankreich ein mächtiger Sturm mit einer furchtbar hochgehenden See.
Gegen die Mitte des Juli, im Jahre Siebzehnhundertneunundachtzig, kam eines Abends Mr. Lorry noch spät von Tellsons her und setzte sich neben Lucie und Charles im Dunkeln an das Fenster. Es war ein drückend schwüler Abend, und alle drei gedachten jenes Sonntagabends, als sie von der nämlichen Stelle aus den Blitzen zugesehen hatten.
»Ich glaubte schon«, sagte Mr. Lorry, seine braune Perücke zurückschiebend, »ich werde die Nacht über bei Tellsons bleiben müssen. Wir haben den ganzen Tag so alle Hände voll zu tun gehabt, daß wir nicht wußten, wo wir anfangen und wo wir enden sollten. In Paris ist eine solche Unruhe, daß man uns vor lauter Vertrauen fast niederrennt. Unsere Kunden über dem Wasser drüben scheinen uns ihre Gelder nicht schnell genug zusenden zu können. Es ist eine wahre Manie unter ihnen, ihr Eigentum nach England zu schicken.«
»Das sieht schlimm aus«, versetzte Darnay.
»Schlimm, sagt Ihr, mein lieber Darnay? Ja, aber wir wissen nicht, ob Grund dafür vorhanden ist. Die Leute sind oft so unvernünftig. Wir bei Tellsons werden zum Teil alt, und man sollte uns nicht ohne genügende Veranlassung aus unserem gewohnten Gange bringen.«
»Ihr wißt ja«, sagte Darnay, »wie düster und drohend der Himmel ist.«
»Das weiß ich freilich«, pflichtete Mr. Lorry bei, indem er sich zu überreden suchte, daß er wirklich ärgerlich und brummig sei, »aber ich bin einmal entschlossen, nach der Plackerei des langen Tages verdrießlich zu sein. Wo ist Manette?«
»Hier«, sagte der Doktor, der eben in das dunkle Zimmer getreten war.
»Freut mich, daß ich Euch zu Hause treffe; denn das Gedränge und das Unkengeschrei, von dem ich den ganzen lieben Tag umgeben war, hat mich mehr, als sich der Mühe verlohnt, angegriffen. Ihr wollt doch hoffentlich nicht ausgehen?«
»Nein, ich bin bereit, mit Euch ein Brettspiel zu spielen, wenn Ihr wollt«, sagte der Doktor.
»Wenn ich aufrichtig sprechen soll, heut ist mir's nicht darum zu tun. Ich bin nicht in der Stimmung, heute abend Euren Gegenpart zu machen. Ist das Teebrett noch da, Lucie? Ich seh' es nicht.«
»Natürlich. Man hat auf Euch gewartet.«
»Danke, meine Liebe. Ist mein Engelchen schon zu Bett gebracht?«
»Schläft schon gesund.«
»Recht so; alles gut und wohlbehalten. Gott sei Dank, ich weiß wahrhaftig nicht, warum hier nicht alles gut und wohlbehalten sein sollte. Aber man hat mir den ganzen Tag so zugesetzt, und ich bin nicht mehr so jung, wie ich war. Danke schön. Jetzt kommt und nehmt Euren Platz im Kreise; wir wollen ruhig zusammensitzen und auf die Echos lauschen, über die Ihr Eure eigene Theorie habt.«
»Keine Theorie, nur Phantasie.«
»Also schön, Phantasie also, mein weises Lämmlein«, sagte Mr. Lorry, ihre Hand streichelnd. »Sie sind sehr zahlreich und sehr laut, nicht wahr? Wir wollen hören.« –
Ungestüme, tolle und gefährliche Fußtritte, die sich gewaltsam in das Leben anderer drängen – Fußtritte, die nicht leicht wieder zu verwischen sind, wenn sie einmal ihre roten Spuren zeigen, toben weit weg in Saint Antoine, während der kleine Kreis zu London im dunkeln Stübchen am Fenster sitzt.
Saint Antoine war an jenem Morgen eine unabsehbare schwarze Masse hin und her wogender Vogelscheuchen gewesen, und über den Wellen von Köpfen sah man Stahlklingen und Bajonette in der Sonne blitzen und blinken. Ein furchtbares Getöse brüllte aus der Kehle von Saint Antoine, und ein Wald von nackten Armen in der Luft glich dürren Baumzweigen im Winterwinde: die Finger hielten krampfhaft jede Waffe oder jedes als Waffe brauchbare Gerät umkrallt, das aus der Tiefe unten, gleichviel wie weit weg, sich in die Höhe gearbeitet hatte.
Wer sie austeilte, woher sie kamen, wo es den Anfang nahm, durch welche Vermittlung sie schockweise zumal, fast mit Blitzesschnelle über den Häuptern der Menge so wirr zitterten und umherzuckten, darüber konnte der Haufen selbst keine Auskunft geben; aber Musketen waren verteilt worden, Patronentaschen, Pulver, Kugeln, eiserne und hölzerne Stangen, Messer, Äxte, Piken, kurz, was der Scharfsinn der Verzweiflung in eine Wehr umzuwandeln vermochte. Männer, die nichts anderes auftreiben konnten, rissen sich die Hände blutig an den Steinen und Ziegeln, die sie aus den Mauern brachen. Jeder Puls, jedes Herz in Saint Antoine verriet eine fieberhafte Spannung und loderte in wilder Fieberhitze. Jedes lebende Wesen achtete sein Leben gering und war im Wahnsinn der Leidenschaft bereit, es zu opfern.
Wie ein Wirbel kochenden Wassers einen Mittelpunkt hat, so umkreiste dieses tobende Gewühl Defarges Weinschenke, und jeder menschliche Tropfen in dem Kessel bekundete das Streben, sich nach der Stelle hintreiben zu lassen, wo Defarge selbst, bereits von Schweiß und Pulver geschwärzt, Befehle ausgab, Waffen verteilte, den einen zurückstieß, den andern vorwärtszog, dort einem die Wehr abnahm, um sie einem andern zu geben, und im wildesten Gewühl des Aufruhrs sich abarbeitete.
»Halt dich in meiner Nähe, Jacques Drei«, rief Defarge, »und ihr, Jacques Eins und Zwei, trennt euch und tretet an die Spitze von so vielen dieser Patrioten, wie sich euch anschließen wollen. Wo ist mein Weib?«
»Hier bin ich«, entgegnete Madame so ruhig wie immer, obschon sie diesmal nicht strickte. Ihre entschlossene Rechte hatte, statt der gewöhnlichen leichteren Beschäftigung, zu einer Axt gegriffen. Auch trug sie eine Pistole und ein Schlachtmesser im Gürtel.
»Wohin willst du, Frau?«
»Vorderhand mit dir«, versetzte Madame. »Gelegentlich wirst du mich an der Spitze der Weiber sehen.«
»So kommt!« rief Defarge mit dröhnender Stimme. »Patrioten und Freunde, wir sind bereit! Die Bastille!«
Mit einem Gebrüll, als habe aller Atem Frankreichs sich in diesem verabscheuten Worte zusammengedrängt, erhob sich die lebende See Woge an Woge und überflutete die Stadt nach dieser Richtung hin. Lärmglocken läuteten, Trommeln wirbelten, die See tobte und donnerte an ihr neues Gestade. Der Angriff begann.
Tiefe Gräben, eine doppelte Zugbrücke, dicke Steinmauern, acht feste Türme, Kanonen, Musketen, Feuer und Rauch. Durch Feuer und Rauch, im Feuer und Rauch – denn die Masse warf ihn hinauf gegen eine Kanone, und im Nu war er der Kanonier – arbeitete Defarge von der Weinschenke zwei heiße Stunden wie ein mannhafter Krieger.
Ein tiefer Graben, eine einfache Zugbrücke, dickes Steingemäuer, acht starke Türme, Kanonen, Musketen, Pulver und Rauch. Eine Zugbrücke niedergelassen! »Strengt euch an, ihr Kameraden alle, strengt euch an. Drauf, Jacques Eins, Jacques Zwei, Jacques Eintausend, Jacques Zweitausend, Jacques Fünfundzwanzigtausend; im Namen aller Engel oder aller Teufel, wie ihr wollt, ans Werk!« So rief Defarge von der Weinschenke, noch immer bei seiner Kanone stehend, die längst heiß geworden war.
»Mir nach, ihr Weiber!« rief Madame Defarge. »Wie, können wir nicht so gut totschlagen wie die Männer, wenn der Platz genommen ist?«
Und ihr nach strömten mit schrillem, durstigem Geschrei Schwärme von Weibern in verschiedener Bewaffnung, von Hunger und Rachsucht getrieben.
Kanonen, Musketen, Feuer und Rauch. Aber noch immer der tiefe Graben, die dicken Mauern und die acht festen Türme. Kleine Verschiebungen in dem wogenden Meere, veranlaßt durch das Stürzen der Verwundeten. Blitzende Waffen, hellodernde Fackeln, von nassem Stroh dampfende Lastwagen, unverdrossene Arbeit in allen Richtungen an den benachbarten Barrikaden, Geschrei, Musketensalven, Flüche, Tapferkeit sondergleichen, krachendes grobes Geschütz und Rottenfeuer, und das wütende Brüllen der lebendigen See. Aber noch der tiefe Graben, die einzelne Zugbrücke, das dicke Gemäuer und die acht festen Türme; Defarge von der Weinschenke noch immer an seiner Kanone, und die Kanone doppelt heiß nach einem Dienst von vier heißen Stunden.
Eine weiße Fahne aus dem Innern der Festung und Unterhandlung – man bemerkte dies nur undeutlich im tobenden Sturme, und von Hören war gar nicht die Rede. Plötzlich hob sich die See unermeßlich weiter und höher und fegte Defarge von der Weinschenke über die niedergelassene Zugbrücke hin, an dem dicken steinernen Außengemäuer vorbei und hinein zwischen die übergebenen acht festen Türme.
So unwiderstehlich war die Gewalt des Meeres, das ihn dahin trug, daß er, als kämpfe er mit einer Brandung der Südsee, nicht zu atmen und den Kopf umzuwenden vermochte, bis er im äußeren Hofe der Bastille gelandet war. Hier hielt er sich an eine Mauerecke und versuchte umherzuschauen. Jacques Drei war in seiner Nähe. Madame Defarge, noch immer an der Spitze von einigen Weibern, befand sich, das Messer schwingend, weiter entfernt, gleichfalls im Innern. Überall war Tumult, Jubel, betäubende und tolle Verwirrung, haarsträubender Lärm und wütendes Gebärdenspiel.
»Die Gefangenen!«
»Die Listen!«
»Die geheimen Kerker!«
»Die Folterwerkzeuge!«
»Die Gefangenen!«
Unter all diesen Rufen und zehntausend andern, die man nicht verstand, wurde der, der »die Gefangenen« betraf, vorzugsweise aufgegriffen von der See, die hineinrauschte, als wäre die Menschenmenge so endlos wie Zeit und Raum. Als die vordersten Wogen vorbeirollten, die Gefängnisbeamten mit sich führten und sie mit augenblicklichem Tode bedrohten, wenn sie nicht auch über den verborgensten Winkel Aufschluß gaben, faßte Defarge mit starker Faust einen dieser Männer, einen Graukopf, der eine brennende Fackel in der Hand trug, an der Brust, riß ihn beiseite und brachte ihn zwischen sich und die Mauer.
»Zeigt mir den Nordturm!« sagte Defarge. »Rasch!«
»Recht gern«, versetzte der Mann, »wenn Ihr mit mir kommen wollt. Aber es ist niemand dort.«
»Was hat Einhundertundfünf, Nordturm, zu bedeuten?« fragte Defarge. »Nun, wird's bald?«
»Was es zu bedeuten hat, Herr?«
»Ist's ein Gefangener, eine Gefängnisnummer, oder will es so viel besagen, daß ich Euch den Schädel einschlagen soll?«
»Nieder mit ihm!« krächzte Jacques Drei, der gleichfalls herangekommen war.
»Monsieur, es ist eine Zelle.«
»Zeigt sie mir.«
»So folgt mir.«
Jacques Drei mit seiner gewöhnlichen Hungermiene, den es augenscheinlich verdroß, daß das Zwiegespräch nicht, wie es den Anschein gehabt, mit einem Blutvergießen endete, faßte Defarge am Arme, als dieser den Schließer festhielt. Sie hatten während des kurzen Gespräches die Köpfe ganz nahe zusammenstecken müssen, um sich verstehen zu können; so furchtbar war das Getöse des lebenden Meeres bei seinem Eindringen in die Festung und bei seinem Überfluten der Höfe, Gänge und Treppen. Und auch draußen schlug es gegen die Mauern mit heiserem Gebrüll, aus dem hin und wieder tumultuarische Einzelrufe wie weißer Gischt gen Himmel spritzten.
Durch finstere Gewölbe, die nie das Licht der Sonne erleuchtet hatte, vorbei an schrecklichen Türen zu dunklen Löchern und Keuchen, ausgetretene Treppenfluchten hinab und wieder aufwärts auf steilen, verwitterten Stein- oder Ziegeltreppen, die man mit trockengelegten Wasserfallbetten vergleichen konnte, eilten die drei aneinander geklammerten Männer, Defarge, der Schließer und Jacques Drei, dahin, so schnell es nur gehen mochte. Hin und wieder, namentlich anfangs, faßte sie die Flut und riß sie mit fort. Als es aber mit dem Abwärtssteigen ein Ende hatte und das Klettern im Turme begann, waren sie allein. Durch die dicken Mauern und Gewölbe vernahmen sie den Sturm, der in und außerhalb der Feste wütete, nur noch wie ein dumpfes Getöse, als seien sie durch den Lärm, aus dem sie kamen, taubhörig geworden.
Der Schließer machte vor einer niederen Tür halt, steckte einen Schlüssel in ein klirrendes Schloß, öffnete langsam und sagte, als sie mit gebeugten Köpfen hineingingen:
»Hundertundfünf, Nordturm.«
Hoch in der Wand befand sich eine kleine, stark vergitterte Fensteröffnung ohne Scheiben und davor ein steinerner Schirm, so daß man den Himmel nur sehen konnte, wenn man sich tief niederduckte und aufwärtsschaute. Ein kleiner, mit schweren Querstangen geschützter Kamin ragte um ein paar Fuß herein. Auf dem Herde sah man ein Häufchen alter, federiger Holzasche. Es war noch ein Schemel, ein Tisch und ein Strohbett vorhanden. In einer der vier geschwärzten Wände steckte ein rostiger eiserner Ring.
»Leuchtet mit der Fackel langsam an den Wänden herum, daß ich sie sehen kann«, sagte Defarge zum Schließer.
Der Mann gehorchte, und Defarges Augen folgten aufmerksam dem Lichte.
»Halt! – Schau her, Jacques.«
»A.M.«!« krächzte Jacques Drei lesend.
»Alexander Manette«, sagte ihm Defarge ins Ohr, während er mit dem vom Pulver geschwärzten und verbrannten Zeigefinger den Buchstaben folgte. »Und hier steht geschrieben: »ein armer Arzt«. Ohne Zweifel war er es auch, der hier in den Stein einen Kalender einkritzelte. Was hast du in der Hand? Ein Hebeisen? Gib es mir!«
Er hatte noch den Zündstock seiner Kanone in der Hand; nachdem er diesen rasch gegen das andere Werkzeug ausgewechselt, machte er sich an den wurmstichigen Tisch und Schemel und schlug sie mit ein paar Streichen in Stücke.
»Halt das Licht höher!« rief er zornig dem Schließer zu. »Untersuche diese Trümmer sorgfältig, Jacques. Und sieh, da hast du mein Messer«, er warf es ihm hin; »schlitz' das Bett auf und untersuche das Stroh. Höher mit dem Licht, du!«
Mit einem drohenden Blick auf den Schließer kletterte er auf den Herd, sah sich im Kamin um, klopfte mit seinem Brecheisen an die Seiten desselben und machte sich dann über das darüber angebrachte eiserne Gitter her. Nach einigen Minuten löste sich stäubend der Mörtel ab, und er wandte sein Gesicht beiseite, um den niederfallenden Stücken auszuweichen. Dann tastete er mit vorsichtiger Hand in den Kamin, in der alten Holzasche und in einem Spalt des Kamins, in dem sein Werkzeug sich verfangen oder den es gerissen hatte, umher.
»Nichts in dem Holz und nichts in dem Stroh, Jacques?«
»Nichts.«
»So wollen wir's mitten in die Zelle auf einen Haufen schaffen. Gut. Jetzt zünd' an, du!«
Der Schließer steckte das Holzhäuflein in Brand, das bald hoch und heiß aufloderte. Dann schlüpften sie wieder gebückt durch die niedere Türwölbung, ließen hinter sich brennen und kehrten nach dem Hofe zurück. Auf dem Wege dahin schien sich allmählich ihr Gehör wieder zu schärfen, bis sie sich aufs neue in dem tobenden Wellenspiele befanden.
Dort kochte und brandete es, um Defarge zu suchen. Saint Antoine wollte durchaus seinen Weinwirt an der Spitze der Wache über den Gouverneur sehen, der die Bastille verteidigt und auf das Volk geschossen hatte. Es stand sonst zu befürchten, derselbe möchte nicht an das Stadthaus zum Gericht abgeliefert werden, sondern er könnte entkommen und das Blut des Volkes, das nach so vielen Jahren der Mißachtung plötzlich einigen Wert gewann, ungerächt bleiben.
In dem heulenden Knäuel von Kampf und Leidenschaft um den verabscheuten Offizier her, der sich durch seinen grauen Rock und die roten Dekorationen auszeichnete, befand sich nur eine einzige feststehende Figur, und zwar die eines Weibes. »Seht, da ist mein Mann!« rief sie, auf ihn hindeutend. »Da ist Defarge!« Sie trat auf den schrecklichen alten Offizier zu und hielt sich beharrlich an seiner Seite, während Defarge und die übrigen ihn durch die Straßen schleppten. Sie wich nicht von ihm, als er in die Nähe seines Bestimmungsortes kam und ein schwerer Regen von Hieben und Stichen gegen ihn losbrach; und sie war ihm, als er endlich tot niedersank, so nah, daß sie, die nun plötzlich Leben zeigte, ihren Fuß auf seinen Nacken setzen und ihm mit dem lange bereit gehaltenen Schlachtmesser den Kopf vom Rumpf trennen konnte.
Die Stunde war da, in der Saint Antoine seinen schrecklichen Gedanken, statt der Laternen Menschen emporzuziehen, auszuführen gedachte, um zu zeigen, was er sein und tun konnte. Saint Antoines Blut wallte auf, während das der Tyrannei und des Herrschens mit der eisernen Hand drunten war – drunten auf den Stufen des Stadthauses, wo der Leichnam des Gouverneurs lag – drunten an der Schuhsohle der Madame Defarge, als sie auf den Körper trat, um für die Verstümmelung festen Halt zu gewinnen. »Herunter mit der Laterne dort!« rief Saint Antoine, der mit blutgierigen Blicken sich nach neuen Todeswerkzeugen umsah. »Da ist einer von seinen Soldaten; er soll Wache bei ihm halten!« Der Posten ward in die Luft aufgepflanzt, und die See rauschte weiter.
Eine See schwarzen, drohenden Wassers, die zerstörend Welle gegen Welle schleuderte, unergründet in ihren Tiefen und unerkannt in ihrer Kraft! Eine erbarmenlose See wild hin und her bewegter Gestalten, rachedürstender Stimmen und in dem Glutofen der Leiden so sehr gehärteter Gesichter, daß der Finger des Mitleids keinen Eindruck mehr auf sie machen konnte!
Aber in dem Meer der Gesichter, auf denen Trotz und Wut einen so wild lebendigen Ausdruck gewonnen, gab es zwei Gruppen, je sieben an der Zahl, die so sehr gegen die übrigen abstachen, daß nie eine rollende See denkwürdigere Schiffstrümmer vor sich hergetrieben hatte. Sieben Gesichter von Gefangenen, plötzlich durch den Sturm befreit, der ihre Gräber zerbrochen, wurden über den Häuptern der Menge dahingetragen. Sie waren verschüchtert, verwirrt, erstaunt und verwundert, als sei der Jüngste Tag gekommen und als gehe der gräßliche Jubel um sie her von den Seelen der Verdammten aus. Dann gab es noch sieben andere Gesichter sie wurden noch höher getragen und waren die Gesichter von Toten, deren gesenkte Lider und halb sichtbare Augen des Jüngsten Tages harrten. Unbewegliche Gesichter, aber doch mit einem Ausdrucke von Spannung darauf, der sich nicht vernichten ließ; Gesichter gewissermaßen in einer schrecklichen Ruhe, als wollten sie bald die gesenkten Augen wieder erheben und mit blutlosen Lippen Zeugnis ablegen: »Das hast du getan!«
Sieben befreite Gefangene, sieben blutige Köpfe auf Piken, die Schlüssel zu dem fluchbeladenen Fort mit seinen acht festen Türmen, einige aufgefundene Papiere und andere Denkwürdigkeiten von Gefangenen aus alter Zeit, denen die Herzen längst im Tode gebrochen waren – dies und Ähnliches mischte sich in den lauten Widerhall der Fußtritte, als Saint Antoine in der Mitte des Juli Eintausendsiebenhundertneunundachtzig durch die Straßen von Paris zog. O Himmel, zerstreue Lucies Phantasien und halte diese Fußtritte fern von ihrem Leben! Denn sie sind ungestüm, toll und gefährlich und lassen sich so lange nach der Zeit, da das Faß vor der Tür von Defarges Weinschenke barst, nicht leicht wieder säubern, wenn sie einmal rot geworden sind. 
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