(Hinzmann schwieg, putzte sich mit der rechten Pfote Ohren, Stirn, Nase und Bart, betrachtete lange unverwandten Blicks die Leiche, räusperte sich aus, fuhr nochmals mit der Pfote übers Gesicht und sprach dann mit erhöhtem Tone weiter.)
O bittres Verhängnis! — o grauser Tod! mußtest du auf solch' grausame Weise den verewigten Jüngling hinraffen in der Blüte seiner Jahre? — Brüder! ein Redner darf dem Zuhörer nochmals sagen, was dieser schon erfahren bis zum Überdruß, darum wiederhole ich, was ihr schon alle wißt, daß nämlich der dahingeschiedene Bruder fiel, als ein Opfer des wütenden Hasses der Spitzphilister. — Dorthin auf jenes Dach, wo sonst wir uns ergötzten in Friede und Freude, wo fröhliche Lieder schallten, wo Pfot in Pfot und Brust an Brust wir ein Herz, eine Seele waren, wollte er hinaufschleichen, um in stiller Einsamkeit mit dem Senior Puff das Andenken jener schönen Tage, wahrer Tage in Aranjuez, die nun vorüber, zu feiern, da hatten die Spitzphilister, die auf jede Weise jede Erneuerung unsers frohen Katerbundes hintertreiben wollten, in die dunklen Winkel des Bodens Fuchseisen hingestellt; in eins derselben geriet der unglückliche Muzius, zerquetschte sich das Hinterbein und — mußte sterben! — Schmerzhaft und gefährlich sind die Wunden, die Philister schlagen, denn sie bedienen sich jederzeit stumpfer, schartiger Waffen, doch stark und kräftig von Natur hätte der Dahingeschiedene der bedrohlichen Verletzung unerachtet wieder aufkommen können, aber der Gram, der tiefe Gram sich von schnöden Spitzen überwunden, in seiner schönen glanzvollen Laufbahn ganz zerstört zu sehen, der stete Gedanke an die Schmach, die wir alle erlitten, das war es, was an seinem Leben zehrte. — Er litt keinen gehörigen Verband, nahm keine Arzenei — man sagt, er wollte sterben! —
(Ich, wir alle konnten uns bei diesen letzten Worten Hinzmanns nicht lassen vor grimmem Schmerz, sondern brachen alle in solch ein klägliches Geheul und Jammergeschrei aus, daß ein Felsen 282hätte erweicht werden können. Als wir uns nur einigermaßen beruhigt hatten, so daß wir zu hören vermochten, sprach Hinzmann mit Pathos weiter.)
O Muzius! o schau herab! schau die Tränen, die wir um dich vergießen, höre die trostlose Klage, die wir um dich erheben verewigter Kater! — Ja, schau auf uns herab oder hinauf, wie es du nun eben vermagst, sei im Geiste unter uns, wenn du noch überhaupt eines Geistes mächtig und derselbige, der dir innegewohnt, nicht schon anderweitig verbraucht worden! — Brüder! — wie gesagt, ich halte das Maul über die Biographie des Erblaßten, weil ich nichts davon weiß, aber desto lebhafter sind mir die vortrefflichen Eigenschaften des Verewigten im Gedächtnis und die will ich euch, meine teuersten, geliebtesten Freunde, vor die Nase rücken, damit ihr den entsetzlichen Verlust, den ihr durch den Tod des herrlichen Katers erlitten im ganzen Umfange fühlen möget! Vernehmt es, o Jünglinge! die ihr geneigt seid nie abzuweichen von dem Pfade der Tugend, vernehmt es! — Muzius war, was wenige im Leben sind, ein würdiges Glied der Katzengesellschaft, ein guter treuer Gatte, ein vortrefflicher liebender Vater, ein eifriger Verfechter der Wahrheit und des Rechts, ein unermüdlicher Wohltäter, eine Stütze der Armen, ein treuer Freund in der Not! — Ein würdiges Glied der Katzengesellschaft? — Ja! denn immer äußerte er die besten Gesinnungen und war sogar zu einiger Aufopferung bereit, wenn geschah was er wollte, feindete auch nur ausschließlich diejenigen an, die ihm widersprachen und seinem Willen sich nicht fügten. — Ein guter treuer Gatte? — Ja! — denn er lief andern Kätzchen nur dann nach, wenn sie jünger und hübscher waren als sein Gemahl und unwiderstehliche Lust ihn dazu trieb. Ein vortrefflicher liebender Vater? Ja! denn niemals hat man vernommen, daß er, wie es wohl von rohen lieblosen Vätern unsers Geschlechts zu geschehen pflegt, im Anfall eines beso
nderen Appetits eines seiner erzielten Kleinen verspeiset; es war ihm vielmehr ganz recht, wenn die Mutter sie sämtlich forttrug und er von ihrem dermaligen Aufenthalt weiter nichts erfuhr. Ein eifriger Verfechter der Wahrheit und des Rechts? Ja! — denn sein Leben hätte er gelassen dafür, weshalb er, da man nur einmal lebt, sich um beides nicht viel kümmerte, welches ihm auch nicht zu verargen. Ein unermüdlicher Wohltäter, eine Stütze der Armen? Ja! denn Jahr aus Jahr ein trug er am Neujahrstage ein kleines Heringsschwänzlein oder ein paar subtile Knöchelchen hinab in den Hof, für die armen 283Brüder, die der Speisung bedurften und ko
nnte wohl, da er auf diese Weise seine Pflicht als würdiger Katzenfreund erfüllte, diejenigen bedürftigen Kater mürrisch anknurren, die außerdem noch etwas von ihm verlangten. Ein treuer Freund in der Not? Ja! denn geriet er in Not, so ließ er nicht ab selbst von denjenigen Freunden, die er so
nst ganz vernachlässigt, ganz vergessen hatte. — Verewigter! was soll ich noch sagen von deinem Heldenmut, von deinem hohen geläuterten Sinn für alles Schöne und Edle, von deiner Gelehrsamkeit, von deiner Kunst-Kultur, von all' den tausend Tugenden, die sich in dir vereinten! Was, sag' ich, soll ich sagen davon, ohne unsern gerechten Schmerz über dein klägliches Hinscheiden nicht noch um vieles zu vermehren! — Freunde, gerührte Brüder! — denn in der Tat an einigen unzweideutigen Bewegungen bemerke ich zu meiner nicht geringen Befriedigung, daß es mir gelang euch zu rühren. — Also! gerührte Brüder! — laßt uns ein Beispiel nehmen an diesem Verstorbenen, laßt uns alle Mühe anwenden, ganz in seine würdige Fußtapfen zu treten, laßt uns ganz das sein, was der Vollendete war, und auch wir werden im Tode die Ruhe des wahrhaft weisen, des durch Tugenden jeder Art und Gattung geläuterten Katers genießen, wie dieser Vollendete! —