Unglückliche Frau, rief Meister Abraham nochmals mit einem Ton, der von seiner innern Bewegung zeugte, arme, unglückliche Frau! Ruhe, Zufriedenheit vermeinst Du gewonnen zu haben, und ahnst nicht, daß es die Verzweiflung war, die — ein Vulkan, — alle flammenden Gluten aus Deinem Innern hinausströmen ließ, und 207daß Du nun die tote Asche aus der keine Blüte, keine Blume mehr sproßt, in starrer Betörung für das reiche Feld des Lebens hältst, das Dir noch Früchte spenden soll. — Ein künstliches Gebäude willst Du aufführen auf dem Grundstein, den ein Blitzstrahl zermalmte und befürchtest nicht, daß es einstürzen wird in dem Augenblick, da lustig bunte Bänder wehen von der Blumenkrone, die den Sieg des Baumeisters verkünden soll? — Julia — Hedwiga — ich weiß es, für sie wurden jene Pläne künstlich gewoben! — Unglückliche Frau, hüte Dich, daß jenes unheilbringende Gefühl, jene eigentliche Verbitterung, die Du mit großem Unrecht meinem Johannis vorwirfst, nicht aus Deinem eignen tiefsten Innern hervortritt, so daß Deine weisen Entwürfe weiter nichts sind, als das feindliche Auflehnen gegen ein Glück, das Du niemals genossest, und das Du nun selbst Deinen Lieben mißgönnst. — Ich weiß mehr von Deinen Entwürfen als Du es glauben magst, mehr von Deinen gerühmten Verhältnissen des Lebens, die Dir Ruhe bringen sollen und die — Dich verlockten zu strafbarer Schande!
Ein dumpfer, unartikulierter Schrei, den die Benzon bei diesen letzten Worten des Meisters ausstieß, verriet ihre tiefe Erschütterung. Der Meister hielt inne, da aber die Benzon ebenfalls schwieg ohne sich von der Stelle zu rühren, fuhr er gelassen fort: Zu nichts wenigerm habe ich Lust, als mich in irgendeinen Kampf mit Ihnen zu begeben, Gnädige. Was aber meine sogenannten Taschenspielerkünste betrifft, so wissen Sie ja recht gut, werteste Frau Rätin, daß seit der Zeit, da mein unsichtbares Mädchen mich verlassen — In dem Augenblick erfaßte den Meister der Gedanke an die verlorne Chiara mit einer Gewalt, wie seit langer Zeit nicht mehr, er glaubte ihre Gestalt zu erblicken in der dunklen Ferne, er glaubte ihre süße Stimme zu vernehmen. O Chiara! — meine Chiara! So rief er in der schmerzlichsten Wehmut! —
Was ist Euch, sprach die Benzon sich schnell nach ihm umwendend, Meister Abraham! — welchen Namen nanntet Ihr? — Doch noch einmal, laßt ruhen alles Vergangene, beurteilt mich nicht nach jenen seltsamen Ansichten des Lebens, die Ihr mit Kreislern teilt, versprecht mir das Vertrauen nicht zu mißbrauchen, daß Euch Fürst Irenäus geschenkt, versprecht mir nicht entgegen zu sein, in meinem Tun und Treiben.
So ganz vertieft in das schmerzliche Andenken an seine Chiara war Meister Abraham, daß er kaum vernahm was die Rätin sprach und nur unverständliche Worte zu erwidern vermochte.
208Weiset mich nicht zurück, Meister Abraham, fuhr die Rätin fort, Ihr seid, wie es scheint, in der Tat mit manchem mehr bekannt, als ich vermuten durfte, doch ist es möglich, daß ich auch noch Geheimnisse bewahre, deren Mitteilung Euch sehr viel wert sein würde, ja, daß ich Euch vielleicht einen Liebesdienst erzeigen könnte, an den Ihr gar nicht denkt. Laßt uns zusammen diesen kleinen Hof beherrschen, der in der Tat des Gängelbandes bedarf. — Chiara rieft Ihr mit einem Ausdrucke des Schmerzes der — Ein starkes Geräusch vom Schlosse her unterbrach die Benzon. Meister Abraham erwachte aus Träumen, das Geräusch — —