Miesmies sang nun mit seltener Geläufigkeit, mit ungemeinem Ausdruck, mit höchster Eleganz das bekannte: Di tanti palpiti usw. Von der heroischen Stärke des Rezitativs stieg sie herrlich hinein in die wahrhaft kätzliche Süßigkeit des Andantes. Die Arie schien ganz für sie geschrieben, so daß auch mein Herz überströmte und ich in ein lautes Freudengeschrei ausbrach. Ha! — Miesmies mußte mit dieser Arie eine Welt fühlender Katerseelen begeistern! — Nun stimmten wir noch ein Duett an, aus einer ganz neuen Oper, das ebenfalls herrlich gelang, da es ganz und gar für uns geschrieben schien. Die himmlischen Rouladen gingen glanzvoll aus unserm Innern heraus, da sie meistenteils aus chromatischen Gängen bestanden. Überhaupt muß ich bei dieser Gelegenheit bemerken, daß unser Geschlecht chromatisch ist, und daß daher jeder Komponist, der für uns komponieren will, sehr wohl tun wird, Melodien und alles Übrige, chromatisch einzurichten. Leider hab' ich den Namen des trefflichen Meisters, der jenes Duett komponiert, vergessen, das ist ein wackrer lieber Mann, ein Komponist nach meinem Sinn. —
Während dieses Singens war ein schwarzer Kater heraufgestiegen, der uns mit glühenden Augen anfunkelte. „Bleiben Sie gefälligst von dannen, bester Freund, rief ich ihm entgegen, sonst kratze ich Ihnen die Augen aus, und werfe Sie vom Dache hinab, wollen Sie aber eins mit uns singen, so kann das geschehen.“ — Ich kannte den jungen, schwarz gekleideten Mann als einen vortrefflichen Bassisten, und schlug daher vor, eine Komposition zu singen, die ich zwar sonst nicht sehr liebe, die sich aber zu der bevorstehenden Trennung von Miesmies sehr gut schickte. — Wir sangen: Soll ich dich Teurer nicht mehr sehen! Kaum versicherte ich aber mit dem Schwarzen, daß die Götter mich bewahren würden, als eine gewaltige Ziegelscherbe zwischen uns durchfuhr, und eine entsetzliche Stimme rief: wollen die verfluchten Katzen wohl die Mäuler halten! — Wir stoben, von der Todesfurcht gehetzt, wild auseinander in den Dachboden hinein. O der herzlosen Barbaren ohne Kunstgefühl, die selbst unempfindlich bleiben bei den rührendsten Klagen der unaussprechlichen Liebeswehmut, und nur Rache und Tod brüten und Verderben! —
Wie gesagt, das, was mich befreien sollte von meiner Liebesnot, stürzte mich nur noch tiefer hinein. Miesmies war so musikalisch, daß wir beide auf das anmutigste miteinander zu phantasieren vermochten. Zuletzt sang sie meine eignen Melodien herrlich nach, darüber wollte ich denn nun ganz und gar närrisch werden, und quälte mich 177schrecklich ab in meiner Liebespein, so daß ich ganz blaß, mager und elend wurde. — Endlich, endlich, nachdem ich mich lange genug abgehärmt, fiel mir das letzte, wiewohl verzweifelte Mittel ein, mich von meiner Liebe zu heilen. — Ich beschloß, meiner Miesmies Herz und Pfote zu bieten. Sie schlug ein, und sobald wir ein Paar worden, merkte ich auch alsbald, wie meine Liebesschmerzen sich ganz und gar verloren. Mir schmeckte Milchsuppe und Braten vortrefflich, ich gewann meine joviale Laune wieder, mein Bart kam in Ordnung, mein Pelz erhielt wieder den alten schönen Glanz, da ich nun die Toilette mehr beachtete als vorher, wogegen meine Miesmies sich gar nicht mehr putzen mochte. Ich fertigte demunerachtet, wie zuvor geschehen, noch einige Verse auf meine Miesmies, die um so hübscher, um so wahrer empfunden wahren, als ich den Ausdruck der schwärmerischen Zärtlichkeit so immer mehr und mehr heraufschrob, bis er mir die höchste Spitze erreicht zu haben schien. Ich dedizierte endlich der Guten noch ein dickes Buch, und hatte so auch in literarisch-ästhetischer Hinsicht alles abgetan, was von einem ho
netten treuverliebten Kater nur verlangt werden kann. Übrigens führten wir, ich und meine Miesmies, auf der Strohmatte vor der Türe meines Meisters, ein häuslich ruhiges, glückliches Leben. — Doch welches Glück ist hienieden auch nur von einigem Bestand! — Ich bemerkte bald, daß Miesmies oft in meiner Gegenwart zerstreut war, daß sie, wenn ich mit ihr sprach, verwirrtes Zeug antwortete, daß ihr tiefe Seufzer entflohen, daß sie nur schmachtende Liebeslieder singen mochte, ja daß sie zuletzt ganz matt und krank tat. Fragte ich dann, was ihr fehle, so streichelte sie mir zwar die Wangen und erwiderte: „Nichts, gar nichts, mein liebes, gutes Papachen,“ aber das Ding war mir doch gar nicht recht. Oft erwartete ich sie vergebens auf der Strohmatte, suchte sie vergebens im Keller, auf dem Boden, und fand ich sie denn endlich und machte ihr zärtliche Vorwürfe, so entschuldigte sie sich damit, daß ihre Gesundheit weite Spaziergänge erfordere, und daß ein ärztlicher Kater sogar eine Badereise angeraten. Das war mir wieder nicht recht. Sie mochte wohl meinen versteckten Ärger gewahren, und ließ es sich angelegen sein, mich mit Liebkosungen zu überhäufen, aber auch in diesen Liebkosungen lag so etwas Sonderbares, ich weiß es nicht zu nennen, das mich erkältete, statt mich zu erwärmen, und auch das war mir nicht recht. Ohne zu vermuten, daß dies Betragen meiner Miesmies seinen beso
nderen Grund haben könne, wurde ich nur inne, daß nach und nach auch das letzte Fünkchen der Liebe zu 178der Schönsten erlosch, und daß in ihrer Nähe mich die tötendste Langeweile erfaßte. Ich ging daher meine Wege und sie die ihrigen; kamen wir aber einmal zufällig auf der Strohmatte zusammen, so machten wir uns die liebevollsten Vorwürfe, waren dann die zärtlichsten Gatten, und besangen die friedliche Häuslichkeit, in der wir lebten.