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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:6. Kapitel (Das Alte und auch etwas Neues)-2

时间:2023-08-03来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung

Als nun alles so gut ging, fiel einem der Buben ein, nun müßte einmal der ganze Zug anhängen, nämlich ein Schlitten an den anderen gebunden werden. So wollte man hinunterfahren, das müßte im Mondenschein ein ganz besonderer Spaß werden. Unter großem Lärm und allgemeiner Zustimmung ging man gleich ans Werk.

Für Miezchen fand Otto die Fahrt doch ein wenig gefährlich, denn manchmal gab es dabei einen großartigen Umsturz sämtlicher Schlitten und Kinder. Das konnte er für das kleine Wesen nicht riskieren. Er ließ seinen Schlitten zuletzt anbinden, der Miezchens aber wurde freigelassen. So fuhr es, wie immer, hinter dem Bruder her. Nur konnte er jetzt nicht, wie sonst, seinen Schlitten langsamer fahren lassen, wenn Miezchen zurückblieb, denn er war in der Gewalt des Zuges. Jetzt ging es los, und die lange, lange Kette sauste die glatte Bahn hinunter.

Mit einemmal hörte Otto ein furchtbares Geschrei, und er kannte die Stimme. Es war Miezchens Stimme. Was war da geschehen? Otto hatte keine Wahl, er mußte die Lustpartie zu Ende machen, wie groß auch sein Schrecken war. Aber kaum unten angelangt, riß er sein Schlittenseil los und rannte den Berg hinauf. Alle anderen liefen hinter ihm drein, denn fast alle hatten das Geschrei vernommen und wollten auch sehen, was los war. An der halben Höhe des Berges stand das Miezchen neben seinem Schlitten, schrie aus Leibeskräften und weinte. Atemlos stürzte Otto heran und rief: "Was hast du? Was hast du?"

"Er hat mich—er hat mich—er hat mich", stieß Miezchen schluchzend hervor und kam nicht weiter vor Aufregung.

"Was hat er? Wer denn? Wo? Wer?" rief Otto.

"Der Mann dort, der Mann, er hat mich—er hat mich totschlagen wollen und hat mir—und hat mir—furchtbare Worte nachgerufen." So viel kam endlich heraus unter immer neuem Geschrei.

"So sei doch nur still jetzt, Miezchen, tu doch nicht so. Er hat dich ja doch nicht totgeschlagen. Hat er dich denn wirklich geschlagen?" fragte Otto ganz zahm, denn er hatte Angst.

"Nein. Aber er wollte, mit einem Stecken—so hat er ihn gehoben und gesagt: 'Wart du!' Und ganz furchtbare Worte hat er mir nachgerufen."

"So hat er dir eigentlich gar nichts getan", sagte Otto und atmete beruhigt auf.

"Aber er hat ja—er hat ja—und ihr wart alle schon weit fort, und ich war ganz allein." Und vor Mitleid mit sich selbst brach Miezchen noch einmal in lautes Weinen aus.

"Bscht! Bscht!" beschwichtigte Otto. "Sei doch still jetzt, ich gehe nun nicht mehr von dir weg, und der Mann kommt nicht mehr. Und wenn du nun gleich ganz still sein willst, so gebe ich dir den roten Zuckerhahn vom Christbaum."

Das wirkte. Mit einemmal trocknete Miezchen seine Tränen und gab keinen Laut mehr von sich. Denn den großen roten Zuckerhahn vom Christbaum zu bekommen, war Miezchens allergrößter Wunsch gewesen. Er war aber bei der Teilung auf Ottos Teil gefallen, und Miezchen hatte den Verlust nie verschmerzen können. Wie nun alles in Ordnung war und die Kinder den Berg hinaufstiegen, wurde besprochen, was es für ein Mann gewesen sein könne, der das Miezchen habe totschlagen wollen.

"Ach was, totschlagen", rief Otto dazwischen. "Ich habe schon lange gemerkt, wer es war. Wir haben ja im Herunterfahren den großen Mann mit dem dicken Stock auch angetroffen, er mußte unseren Schlitten ausweichen, in den Schnee hinein. Das machte ihn böse, und als er dann hintennach das Miezi allein antraf, hat er es ein wenig erschreckt und seinen Zorn an ihm ausgelassen."

Diese Erklärung fand allgemeine Zustimmung. Das war ja so natürlich, daß jedes meinte, es sei ihm selber so in den Sinn gekommen. So wurde die Sache vergessen und lustig drauflos gerodelt. Endlich aber mußte auch dieses Vergnügen ein Ende nehmen, denn es hatte längst acht Uhr geschlagen, die Zeit, da aufgebrochen werden sollte.

Auf dem Heimweg schärfte der Otto dem Miezchen ein, zuhause nichts zu erzählen von dem Vorfall, sonst könnte die Mutter Angst bekommen. Und dann dürften sie nie mehr im Mondschein Schlitten fahren. Den Zuckerhahn würde Miezchen gleich bekommen, aber es müsse versprechen, nichts zu erzählen.

Miezchen versprach hoch und heilig, kein Wort zu sagen. Die Spuren seiner Tränen waren auch längst verschwunden und konnten nichts mehr verraten.

Längst schon schliefen Otto und Miezchen auf ihren Kissen, und der rote Zuckerhahn spazierte durch Miezchens Träume und erfüllte sein Herz mit einer so großen Freude, daß es im Schlaf lächelte. Da klopfte es unten an die Haustür, so laut, daß der Oberst und seine Frau vom Tisch auffuhren, an dem sie eben gemütlich gesessen und sich über ihre Kinder unterhalten hatten. Und die alte Trine rief in strafendem Ton zum Fenster hinaus: "Was ist das für eine Manier!"

"Es ist ein großes Unglück geschehen", tönte es von unten herauf.

"Der Herr Oberst soll doch herunterkommen, sie haben den Schreiner

Andres tot gefunden."

Damit lief der Bote wieder davon. Der Oberst und seine Frau hatten genug gehört, denn auch sie waren zum offenen Fenster gegangen. Augenblicklich warf der Oberst seinen Mantel um und lief zum Haus des Schreiners. Als er in die Stube trat, fand er schon eine Menge Leute da. Man hatte den Friedensrichter und Gemeindeamtmann geholt, und eine Schar Neugieriger und Teilnehmender war mit ihnen gekommen. Andres lag am Boden in einer Blutlache und gab kein Lebenszeichen von sich. Der Oberst trat näher.

"Ist denn jemand zum Doktor gelaufen?" fragte er.

Es war niemand dorthin gegangen. Da sei ja doch nichts mehr zu machen, meinten die Leute.

"Lauf, was du kannst, zum Doktor", befahl der Oberst einem Burschen. "Sag ihm, ich lasse ihn bitten, er soll auf der Stelle kommen." Dann half er selbst den Andres vom Boden aufheben und in die Kammer hinein auf sein Bett legen. Erst jetzt trat der Oberst an die schwatzenden Leute heran, um zu hören, wie der Vorfall sich zugetragen hatte, ob jemand etwas Näheres wisse.

Der Müllerssohn trat vor und erzählte, er sei vor einer halben Stunde vorbeigekommen, und da er noch Licht gesehen habe in des Schreiners Stube, habe er im Vorbeigehen schnell fragen wollen, ob seine Aussteuersachen auch rechtzeitig fertig werden. Er habe die Tür der Stube offen stehend, den Andres tot im Blut liegend am Boden gefunden. Der Matten-Joggi, der dabeistand, habe ihm lachend ein Goldstück entgegengestreckt, als er hereingetreten sei. Er habe dann den Leuten zugerufen, daß der Gemeindeamtmann kommen solle.

Der Matten-Joggi, der so hieß, weil er unten in der 'Matte', im Tal wohnte, war ein schwachsinniger Mensch, der davon lebte, daß ihn die Bauern mithelfen ließen. Er schleppte Steine und Sand, las Obst auf oder machte im Winter Holzbündelchen. Daß er Böses getan hätte, hatte man bis jetzt nicht gehört. Der Müllerssohn hatte ihm gesagt, er solle da bleiben, bis auch der Präsident noch da sein werde. So stand Joggi noch immer in einer Ecke, hielt seine Hand fest zugeklemmt und lachte halblaut.

Jetzt trat der Doktor in die Stube und hinter ihm her auch noch der Präsident. Der Gemeindevorstand stellte sich nun mitten ins Zimmer und verhörte die Leute. Der Doktor ging sofort in die Kammer hinein, und der Oberst folgte ihm. Der Doktor untersuchte genau den unbeweglichen Körper. 
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