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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:5. Kapitel (Wie es weitergeht und Sommer wird)-1

时间:2023-08-03来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung

Als die alte Trine mit dem Bericht auf den Berghang zurückkam, daß Wiselis Mutter gestorben und das Kind soeben von seinem Patenonkel geholt worden sei, entstand ein großer Aufruhr im Haus. Die Mutter klagte, daß sie den Besuch bei der Kranken nicht mehr gemacht hatte, den sie zu machen sich schon seit einigen Tagen bestimmt vorgenommen hatte. Aber sie hatte keine Ahnung gehabt, daß das Ende der armen Frau so nahe sein konnte.

Otto lief aufgeregt im Zimmer auf und ab und rief immer wieder: "Es ist eine Ungerechtigkeit! Es ist eine Ungerechtigkeit! Aber wenn er ihm etwas zuleide tut, dann kann er nachher nur seine Rippen zählen, wie manche davon noch ganz ist!"

"Wen meinst du denn eigentlich, Otto, von wem sprichst du?" unterbrach die Mutter den Sohn.

"Vom Chäppi", erwiderte er. "Was kann er dem Wiseli alles tun, wenn es mit ihm zusammen wohnen muß! Das ist eine Ungerechtigkeit! Aber er soll es nur probieren…" Hier wurde Otto wieder unterbrochen, denn ein wiederholtes, heftiges Stampfen übertönte seine Stimme.

"Was machst du für ein hirnerschütterndes Gerumpel, du Miez hinter dem Ofen!" rief er aus, indem sich seine Aufregung nun nach dieser Seite wandte. Miezchen kam hinter dem Ofen hervor und stampfte noch einmal mit großer Gewalt auf den Boden, denn es war bemüht, seine Füße wieder in die völlig nassen Stiefel hinein zu zwingen, die ihm die alte Trine vor kurzer Zeit mit der größten Mühe ausgezogen hatte.

Die Arbeit war sehr schwierig, und feuerrot vor Anstrengung keuchte Miezchen hervor: "Kein Mensch kann in diese Stiefel hineinkommen ohne Stampfen."

"Und warum müssen denn die Stiefel wieder an die Füße, da ich sie gerade eben heruntergezogen habe, damit sie nicht mehr dran sind?" rief die Trine, die noch im Zimmer stand.

"Ich gehe zum Buchenrain und hole auf der Stelle das Wiseli zu uns, es kann mein Bett haben", erklärte das Miezchen entschlossen.

Ebenso entschlossen kam jetzt die alte Trine auf das Miezchen zugeschritten, hob es in die Höhe, setzte es fest auf einen Stuhl und zog mit einem Ruck den halb angezwängten Stiefel wieder weg. Aber sie beschwichtigte das zappelnde Kind, indem sie zustimmend sagte: "Schon recht! Schon recht! Aber ich will's schon für dich besorgen, du brauchst nicht zwei Paar Strümpfe und zwei Paar Schuhe dafür naßzumachen. Dein Bett kannst du schon hergeben, du kannst dann in die Rumpelkammer hinaufziehen zum Schlafen, da ist Platz genug."

Aber das Miezchen hatte ganz andere Gedanken. Es hatte entdeckt, daß es sich plötzlich von einem großen und täglich wiederkehrenden Ungemach befreien könne, und nahm sich fest vor, es zu tun. Jeden Abend nämlich, gerade wenn Miezchen im besten Zug der Unterhaltung war, erklang auf einmal der Befehl, ins Bett zu gehen. Hierauf erfolgten jedesmal große innere, häufig auch äußere Kämpfe, die waren peinlich und dazu noch nutzlos. Wenn es nun sein Bett an das Wiseli verschenkt hatte, so war mit einemmal allem abgeholfen, denn da war keins mehr vorhanden, und Miezchen konnte für immer aufbleiben.

Diese Aussicht beglückte das Miezchen so sehr, daß alle seine Gedanken darauf gerichtet waren und es erst gar nicht bemerkte, wie die schlaue Trine nur darauf bedacht war, ohne Kampf der nassen Stiefel habhaft zu werden, ihr aber gar nicht einfiel, das Wiseli zu holen. Als sie nun befriedigt mit ihren Stiefeln davonging und Miezchen die Täuschung entdeckte, fing es so mörderisch zu schreien an, daß Otto sich beide Ohren zuhalten und die Mutter ernstlich einschreiten mußte.

Sie versprach dann dem Miezchen, die Sache mit dem Papa besprechen zu wollen, sobald er erst wieder zuhause sein würde. Denn er war an dem Morgen dieses Tages mit onkel Max abgereist, um einen lange verabredeten Besuch bei einem alten Freund zu machen. So wurden denn endlich die Ruhe und der Friede im Haus wiederhergestellt.

Erst nach vier Tagen kamen die Herren von ihrem Ausflug zurück, und die Mutter hielt Wort. Noch am Abend seiner Rückkehr besprach sie mit dem Vater den Tod von Wiselis Mutter und seine neue Unterkunft. Und es wurde gleich beschlossen, der Vater sollte am folgenden Tag hingehen, um sich mit dem Herrn Pfarrer zu beraten, was für Wiseli getan werden könnte.

Dies wurde ausgeführt, und der Oberst brachte die Nachricht, daß am vergangenen Sonntag, zwei Tage vorher, der Gemeindevorstand die Sache schon geordnet hatte, wie sie nun bleiben würde. Wiseli sollte ein Unterkommen haben, und da seine Mutter nichts hinterlassen hatte, mußte die Gemeinde für das Kind sorgen, bis es selbst sein Brot verdienen konnte. Nun hatte der Patenonkel sich gleich angeboten, das Kind für eine geringe Summe bei sich zu behalten. Er war als rechtschaffener Mensch bekannt, und da seine Forderung so billig war, wurde ihm das Kind vom Vorstand sehr bereitwillig zuerkannt. Und so war es denn fest und unabänderlich, daß Wiselis neue Heimat das Haus des onkels geworden war.

"Es ist eigentlich gut so", sagte der Oberst zu seiner Frau. "Das Kind ist wohlversorgt. Was hätte man auch mit ihm machen wollen ? Es ist ja noch viel zu klein, um irgendwo angestellt zu werden, und alle elternlosen Kinder kannst du doch nicht ins Haus nehmen. Da müßtest du ein Waisenhaus gründen."

Seine Frau war ein wenig bestürzt über die Nachricht, daß schon alles festgesetzt sei. Sie hatte gehofft, es würde sich noch eine andere Unterkunft für das Kind finden. Denn das zarte Wiseli in dem Haus zu wissen, wo es viel Roheit hören und fühlen mußte, tat ihr sehr leid. Doch hätte auch sie keinen Rat gewußt, und nun war auch weiter nichts mehr zu tun, als die Sache hinzunehmen und sich ab und zu um das Kind zu kümmern.

Als am Morgen darauf Otto und Miezchen hörten, wie es mit Wiseli stehe, da brach freilich noch einmal ein Sturm los. Otto erklärte, Wiseli ginge es nun so wie Daniel in der Löwengrube, und probierte dabei seine Faust auf dem Tisch—offenbar mit dem heimlichen Wunsch, sie so auf Chäppis Rücken niedersausen zu lassen. Das Miezchen lärmte und heulte ein wenig, teils aus Mitleid für Wiseli, teils für sich selbst und seine vereitelten Hoffnungen auf ein glückliches Entrinnen aus der täglichen Betthaft. Aber auch diese Aufregung legte sich wie jede andere, und die Tage gingen wieder ihren gewohnten Gang.

Inzwischen hatte Wiseli nach und nach sich ein wenig eingelebt im Haus des Onkels. Sein Bett war angekommen. Es schlief nicht mehr auf der Ofenbank, sondern, wie der onkel gesagt hatte, in einem Verschlag in dem schmalen Gang zwischen der Kammer des Ehepaars und derjenigen der Buben. In dem Verschlag hatten gerade sein Bett Platz und eine kleine Kiste, worin seine Kleider lagen und auf die es steigen mußte, um in sein Bett zu kommen, denn da war sonst gar kein Raum mehr. Um sich morgens zu waschen, mußte es an den Brunnen gehen, und wenn es kalt war, so sagte die Tante, das könne es bleiben lassen und sich dann an einem anderen Tag waschen, wenn es wärmer sei. Aber daran war Wiseli nicht gewöhnt. Seine Mutter hatte es gelehrt, sich recht sauber zu halten, und Wiseli wollte lieber frieren als so ausschauen, wie es die Mutter ungern sehen würde. 
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