Der Herzog August Erasmus kam sehr brummig von seiner Spazierfahrt zurück. Er hatte Kasperle strafen wollen und hatte sich selbst gestraft, denn er hatte den lustigen kleinen Quirlewind sehr vermißt. Er befahl also, man solle schnell Kasperle holen, meinte, der könnte ihm die schlechte Laune vertreiben.
Der Haushofmeister ging selbst das Kasperle holen. Er blieb an der Türe stehen und rief freundlich: „Komm, mein Kasperle, komm!“
Aber er konnte lange rufen, kein Kasperle kam. Nur ein seltsames Stöhnen und Schnarchen war zu hören, und der Haushofmeister sah endlich den kleinen Burschen an der Erde liegen. Eingeschlafen ist der arme Kerl, dachte er mitleidig; er mag sich recht gefürchtet haben. Und er ging hin, rüttelte und schüttelte Kasperle, doch der schnarchte und stöhnte weiter. Nun hob ihn der Haushofmeister auf und trug ihn aus dem Keller. Draußen rief er nach Veit, und beide versuchten Kasperle zu wecken.
Vergeblich, der wurde nicht munter. Veit kam auf den Gedanken, ihm ein Wassergüßlein über den Kopf zu gießen. Er holte ein Glas Wasser und goß es Kasperle auf die Nase. Da strampelte und zappelte der eine Weile und — schlief weiter.
Inzwischen klingelte der Herzog ungeduldig. „Kasperle soll kommen!“ rief er.
„Kasperle schläft,“ meldete der Diener.
„Er schläft? Ja, da weckt ihn doch auf! Wie kann er schlafen, wenn ich ihn sprechen will!“ schrie der Herzog.
„Er wacht nicht auf,“ stotterte der Diener erschrocken.
„Er wacht nicht auf? Aber das ist ja unerhört! Man gieße ihm Wasser über den Kopf!“ Der Herzog war ganz aufgeregt, und als er hörte, Veit habe Kasperle schon das zweite Wassergüßlein über den Kopf gegossen, bekam er Angst. Er verlangte den Leibarzt, und dann lief er selbst, sich das schlafende Kasperle anzusehen.
Der schlief und schlief, grunzte, stöhnte und schnarchte, und der Leibarzt schüttelte bedenklich den Kopf. „Er ist krank,“ sagte er, „ganz bestimmt ist er krank oder — er schläft nun wieder einmal viele, viele Jahre. Bei einem Kasperle kann man eben nicht wissen, wie eine Sache ausgeht.“
Der Herzog wurde leichenblaß. „Lieber Leibarzt,“ flehte er, „machen Sie mir das Kasperle munter! Zwölf Jahre lang habe ich alles versucht, um Kasperle zu bekommen, und nun — ja, nun schläft er vielleicht länger, als ich noch lebe. Oh, oh, ist das eine dumme Geschichte!“
Der Leibarzt legte den Finger an die Nase, schüttelte wieder den Kopf und begehrte ganz genau zu wissen, was eigentlich Kasperle zuletzt getan hatte.
„Eingesperrt war er in einem dunklen Keller,“ brummte der Haushofmeister.
„Ach, da haben wir’s! Eingesperrt in einem dunklen Keller — nein, das verträgt kein Kasperle,“ rief der Leibarzt. Er war froh, etwas sagen zu können, und weil er auch fand, der Herzog sei zu streng mit dem kleinen Schelm gewesen, schüttelte er immer wieder ernsthaft den Kopf. „Schlimm, schlimm, schlimm!“ murmelte er, „sehr schlimm!“ Er verordnete, Kasperle müsse im Bett liegen und kalte Umschläge bekommen, und immer solle jemand neben ihm sitzen, damit, wenn er aufwache, er gleich ordentlich geschüttelt werden könne.
„Alles soll geschehen, nur machen Sie mir mein Kasperle wieder gesund,“ rief der Herzog.
„Ja, das geht nicht so schnell!“ Der Leibarzt runzelte die Stirne, wiegte wieder den Kopf hin und her und sagte wieder: „Schlimm, schlimm, sehr schlimm!“
Kasperle wurde nun in sein Bett getragen, und eine ganze Stunde saß der Herzog neben seinem Bett. Und Kasperle schnarchte, stöhnte, ein paarmal murmelte er auch etwas im Schlaf, und jedesmal dachte der Herzog: Jetzt wacht er auf. Und er neigte sich über ihn und fragte zärtlich: „Bist du munter, mein Kasperle?“
Und weil der nicht aufwachte, ließ er wieder den Leibarzt holen, und gerade da fing Kasperle an zu brummeln und zu murmeln, und als sich der Herzog über ihn beugte und sanft fragte: „Mein Kasperle, was fehlt dir denn?“ griff Kasperle plötzlich nach des Herzogs Nase und schrie: „Hallo, hallo, Michele, der Kasperlemann! Hallo, hallo!“
Und dabei zerrte und zog Kasperle an des Herzogs Nase, als wäre dies eine Klingelschnur. Zipp zapp, zipp zapp! Dem Herzog verging Hören und Sehen. Er brüllte laut und suchte sich zu befreien, die andern halfen, und da schlug Kasperle auf einmal seine Augen auf, gähnte erschrecklich, klappte die Augen wieder zu und schnarchte rissel, rassel weiter.
„Oooh!“ rief der Herzog und hielt sich seine Nase. Kasperle hatte schon einen festen Griff und die Nase war feuerrot geworden.
„Eine sehr böse Krankheit! Er hat Fieber.“ Der Leibarzt schüttelte wieder den Kopf und sah wieder höchst besorgt drein. „Ruhe, Ruhe!“ sagte er.
Und dann gingen alle. Der Herzog hielt sich seine Nase und der Leibarzt sagte, er müsse kalte Umschläge machen. Der Herzog war böse und traurig zugleich. Das Nasenanfassen und daß Kasperle ihn Kasperlemann genannt hatte, war verdrießlich. Aber freilich, Kasperle war krank, und wer weiß, ob es jemals wieder aufwachte!
Kasperle schlief und schlief. Im Schloß fragte von Viertelstunde zu Viertelstunde einer den andern: „Ist er wieder ausgewacht?“ Doch das Kasperle dachte nicht daran, das schnarchte weiter, rissel, rassel, sogar im Treppenhaus war es zu hören.
Alle glaubten, das Kasperle sei wirklich furchtbar krank, nur der alte Haushofmeister nicht. Der wußte besser im Schloß Bescheid als der Herzog selbst; er kannte alle verborgenen Türen und Winkel. Sein Vater, der auch schon Haushofmeister gewesen war, hatte sie ihm verraten. Und als sich alle um das Kasperle sorgten, ging er ganz leise unten in den Keller hinein. Er meinte nämlich, von Kasperle sei ein Düftlein ausgegangen, das an Wein mahnte. Das verborgene Pförtchen fand er schnell und gelangte in des Herzogs geheimen Weinkeller, zu dem dieser den Schlüssel wohl verwahrt hatte. Und richtig, da fand der Haushofmeister Kasperles Spuren: alle drei Fässer leer, die Zapfen am Boden. „Ei, du heilloser Schelm, du kleiner Nichtsnutz, du, ein Schwipslein hast du!“ schalt der alte Mann, aber er lachte leise dazu. Dann steckte er in jedes Faß den Zapfen und ging wieder zu dem verborgenen Türchen hinaus. Das schloß er sorgfältig und brummelte dabei vor sich hin: „Na, die Prinzessin Gundolfine wird böse sein!“ Die Weine aus dem Keller liebte die Prinzessin nämlich sehr; allemal wenn sie zu Besuch kam, stieg der Herzog selbst in den Keller und holte ein Krüglein herauf.
Was der Haushofmeister wußte, sagte er keinem Menschen. Nur als Veit klagte: „Kasperle wird noch sterben!“ sagte er heiter: „I wo, der stirbt nicht! Paß auf, morgen ist er putzmunter.“
Es dauerte aber wirklich lange, ehe Kasperle aufwachte. Vierundzwanzig Stunden schlief er wie ein Säcklein, und der Herzog stand gerade wieder traurig an seinem Bett und der Leibarzt sagte: „Sehr schlimm!“, da schlug Kasperle auf einmal die Augen auf. Er sah den Herzog, den Doktor und etliche Hofherren an seinem Bett stehen, und alle staunten sie ihn an.
Wie sonderbar das war! Kasperle lag ein Weilchen, rührte und rappelte sich nicht und sah mit seinen schwarzen Glitzeräuglein nur immer in die verdutzten Gesichter. Er fand das ungemein spaßhaft, bis er plötzlich ein heftiges Grimmen in seinem Bäuchlein spürte. Das knurrte los und der Herzog drehte sich erschrocken rundum. „Man jage den Hund aus dem Zimmer!“ rief er. „Wo ist der Hund, der so knurrt?“
Und alle drehten sich um, suchten und suchten, bis Kasperle jäh in ein lautes, heftiges Geschrei ausbrach. „Hunger, Hunger!“ jammerte er, und da merkten es erst alle: Kasperles Magen knurrte.
„Er hat Hunger!“ Der Herzog sank vor Erstaunen auf einen Stuhl, der Leibarzt schüttelte wieder den Kopf, er sagte aber doch: „Man bringe schnell etwas zu essen, ein Süppchen und ganz kleine Brötchen!“
Kasperle, der Schelm, merkte wohl, alle waren in Angst um ihn. Er verstand zwar nicht recht warum, denn er konnte sich erst gar nicht besinnen, was mit ihm geschehen war. Das Angsthaben machte ihm aber den größten Spaß. Er verdrehte seine Äuglein, schnitt fürchterliche Gesichter und wiederholte kläglich: „Hunger, Hunger!“
„Schnell, schnell, bringt doch etwas!“ rief der Herzog.
Da rannte auch schon ein Diener herbei, der brachte Suppe und ein paar hauchfeine Schinkenschnittchen, mehr nicht. Kasperle machte plötzlich sein Räubergesicht, steckte schwipp, schwapp sämtliche Schnitten in den Mund; schluck, schluck! weg waren sie und der Strick schrie: „Mehr, mehr, ich sterbe!“
„Merkwürdig!“ Der Leibarzt sah das Kasperle verwundert an, der Herzog aber rief: „Mehr, bringt mehr!“ Und weil er selbst gern Schokolade lutschte, holte er eine feine silberne Dose aus der Tasche, reichte sie Kasperle und sagte: „Nimm eins!“
Ein Schokoladeplätzchen, jemine! Kasperle nahm die Dose, und weg waren alle Plätzchen, verschwunden in seinem großen Mund. Kasperle aber schrie jetzt richtig unnütz: „Mehr, mehr!“
Da rannte schon ein Diener in das Zimmer mit einer Platte, auf der die leckersten Dinge standen, und der Herzog sagte gerade: „Man muß ihm etwas aussuchen, er darf nicht zuviel essen,“ da schluckte das Kasperle schon.
Himmel, wie das ging! Dem Herzog, dem Leibarzt, den Hofherren, allen blieb der Mund vor Staunen offen. Wie ein richtiger kleiner Gierschlund war Kasperle. Belegte Schnittchen, Kuchen, Braten, ein Schüsselchen Gemüse, alles schluckte er hinab, und zuletzt nahm er sich den großen Pudding, der auch auf der Platte stand, und von dem er nur kosten sollte, und schnabulierte darauf los.
„Es wird zuviel,“ schrie der Herzog und wollte selbst den Pudding wegnehmen, aber Kasperle hielt seinen Pudding fest, er schmauste und schmauste und sah dabei so vergnügt drein, daß der Leibarzt plötzlich sagte: „Es scheint, er ist gesund.“
„Aber er überißt sich. Kasperle, mein liebes Kasperle, gib den Pudding her!“ bat der Herzog.
„Nä!“ Kasperle grinste, und als der Herzog wieder nach der Schüssel greifen wollte, schnitt er ein Hexengesicht.
„Oooh!“ Der Herzog wich erschrocken zurück.
Da sagte auf einmal der alte Haushofmeister: „Es ist genug, Kasperle.“ Und dabei sah er Kasperle freundlich und doch streng an, und der kleine Schelm spürte plötzlich, der gütige alte Mann meinte es am allerbesten mit ihm. Er gab ohne ein Widerwort die Schüssel zurück und streckte sich ganz still und brav in seinem Bett wieder aus.
Der Leibarzt, der etwas sagen wollte und nicht recht wußte, was er sagen sollte, denn in seinem Leben hatte er noch kein Kasperle behandelt, murmelte: „Er muß im Bett bleiben.“
Doch da redete der alte Haushofmeister freundlich dazwischen, es wäre wohl am besten, Kasperle stünde auf und liefe im Park herum. Dies wäre gewiß gesund.
„Vortrefflich, ganz vortrefflich!“ sagte der Leibarzt, und da stimmte auch der Herzog zu. Er ordnete freilich an, ein Diener müsse Kasperle zum Schutz begleiten, und der alte Haushofmeister sagte ferner, ja, das könne Veit tun. So war es dem Herzog recht. Kasperle durfte aufstehen und in den Park laufen und Veit sagte: „Geh nur an den Bach, das traurige Marlenchen wartet schon.“
Marlenchen saß wirklich am Bach, und es war heute wieder ganz traurig. Es hatte das blasse Gesichtchen über das Wasser geneigt und drehte darin Stein um Stein um. Plötzlich aber schrie es auf. Kasperles Bild erschien im Wasserspiegel, und nun sah das traurige Marlenchen gleich ein klein wenig nach Sonne aus. „Du bist da?“ sagte sie erfreut zu dem kleinen, unnützen Freund. „Ach, ich dachte schon, du kämst nie wieder.“
Kasperle schoß vor Vergnügen über die Freiheit und das Zusammensein mit dem traurigen Marlenchen einen Purzelbaum und platschte dabei ins Wasser; es spritzte hoch auf, und erst als das Kasperle klitschnaß war, setzte es sich neben Marlenchen und begann zu erzählen, wie es ihm ergangen war. So nach und nach fiel ihm alles ein. Da erzählte er auch den Streich aus dem Keller und Marlenchen rief erschrocken: „Aber Kasperle!“
Kasperle senkte die Nase. Er schielte seine kleine Freundin seitwärts an, wie es die rechten Schelme tun, und er sah so unnütz und drollig aus, daß Marlenchen ein ganz klein wenig lachen mußte.
„Hach, du lachst!“ Kasperle streckte die Beine in die Luft vor Vergnügen, und dann fing er an zu schwatzen, schneller als die Elstern in der hohen Ulme. Das Bächlein erschrak ordentlich, es rann und lief, gluckste und plätscherte, dachte: Nein, der unnütze Strick da darf nicht flinker reden, als ich renne. Die Elstern erhoben auch ihre Stimmen lauter, und es war im sonst so stillen Waldtälchen ein Geschwätz und Gelärme um das traurige Marlenchen herum, wie noch nie.
Aber auch die Stunden hatten Eile wie das Bächlein; viel zu früh, meinten Kasperle und Marlenchen, kam Veit, und die beiden ungleichen Kamerädles mußten Abschied nehmen.
Das war bitter. Marlenchen sagte betrübt: „Vielleicht wirst du nun wieder eingesperrt.“
Kasperle seufzte. Ach, es war schon schwer, in des Herzogs Dienst zu stehen! Die Sehnsucht nach dem Waldhaus stieg wieder heiß in ihm empor. Traurig gab er Marlenchen die Hand und sagte, er werde wiederkommen. „Und wenn er mich nicht läßt, dann brenne ich durch,“ fügte er trotzig hinzu.
„Aber Kasperle!“
„Ja, ich tu’s.“ Und Kasperle schnitt ein Teufelsgesicht, ein Räubergesicht, sah wie eine Hexe drein, und Marlenchen begann sich ordentlich zu fürchten. Sie wich erschrocken an das Bächlein zurück. Doch gleich machte Kasperle wieder ein so liebes, betrübtes Schelmengesicht, daß sie ihn flink streichelte: „Armes Kasperle!“ sagte sie. „Aber ausreißen mußt du nicht, denn sonst — bin ich wieder ganz allein.“
„Ich reiße nicht aus,“ versprach Kasperle gleich, und als er mit Veit dem Schlosse zuging, nahm er sich vor, ungeheuer brav zu sein, damit der Herzog ihn nicht wieder einsperren brauchte. Marlenchen sollte nicht wieder vergeblich auf ihn warten.
Er saß auch wirklich stumm und stocksteif am Abendtisch, und der Herzog verwunderte sich sehr über Kasperle. Er dachte aber: Er ist müde, gewiß ist er doch noch krank, und dann fragte er sehr freundlich: „Willst du schlafen gehen, Kasperle?“
Nun war der Kleine kein bißchen müde nach seinen vierundzwanzig Stunden Schlaf, er riß darum seinen Mund weit auf und schrie, so laut er konnte: „Nä!“
„Mein Himmel, ich bin doch nicht taub!“ sagte der Herzog beleidigt. „Schäme dich, so zu schreien!“
Kasperle senkte den Kopf. Jemine, war es schwer bei Hofe, den rechten Ton zu treffen! Einmal war er zu laut, einmal zu leise; sagte er viel, war es nicht recht, sagte er gar nichts, auch nicht; Vor lauter Ärger schnitt er sein Teufelsgesicht und der Herzog rief wieder vorwurfsvoll: „Aber Kasperle!“
Es saß aber einer an diesem Tage am Tisch des Herzogs, das war ein lustiger und gütiger Mann; der Oberstallmeister war es. Dem hatte Kasperle schon viel Spaß gemacht, und er begann sehr herzhaft über das Teufelsgesicht zu lachen. Da merkte Kasperle gleich: Der versteht dich, und er schnitt flugs böse und lustige Gesichter durcheinander, wie es ihm einfiel. Zuletzt mußte selbst der Herzog lachen und er sagte, Kasperle dürfe an diesem Abend bei ihm bleiben. Da trieb Kasperle die allergrößten Narrenpossen, und zuletzt sollte er dem Herzog noch etwas erzählen, als der schon im Bett lag und nicht einschlafen konnte.
Kasperle hockte neben ihm auf einem Stuhle und machte das allerdümmste Gesicht von der Welt, als der Herzog sagte: „Erzähle mir etwas!“ Dazu hatte er keine Lust. Den Herzog allein wollte er auch nicht unterhalten; er dachte an das Einsperren und das kranke Marlenchen. Da drehte er den Kopf schief und schaute den Herzog böse an.
„So ein Gesicht sollst du nicht machen!“ rief der Herzog zornig. „Gleich erzähle mir: Wer hat alles im Waldhaus gewohnt?“
Im Waldhaus! Bei der Erinnerung daran vergaß Kasperle seinen Zorn auf den Herzog; sein unnützes Schelmengesicht bekam einen lieben, zärtlichen Ausdruck, und als der Herzog mahnte: „Erzähle mal vom Waldhaus! Lebt denn der Meister Friedolin noch?“ Da fing Kasperle an. Wie das Bächlein so flink ging seine Rede. Er vergaß, daß es der Herzog war, der im Bett lag, er war auf einmal wieder im Waldhaus bei Meister Friedolin und Mutter Annettchen. Er schwatzte von der schönen Liebetraut und Herrn Severin, von seinem Michele, von dem am meisten. So etwas hatte der Herzog noch nie gehört. Daß man abends nur Milchsuppe und ein Stück Brot aß und Feste feierte, wenn das erste Schneeglöckchen, die ersten Primeln blühten, die Singvögel heimkehrten, kam ihm wie ein Märchen vor.
Kasperles Augen glänzten. Er redete und redete, er erzählte von den Rehen, die ganz zahm waren und manchmal in die große Waldhausstube hereinschauten, und wie sie stille standen, wenn jemand aus dem kleinen Haus kam, und sich streicheln ließen. Und von dem zahmen Eichkätzchen, von dem Hasen Wackelbart und der Ziege Ludowisia erzählte Kasperle.
Der Herzog lag ganz still und lauschte. Er meinte den Wald rauschen und die Vögel singen zu hören, und am liebsten wäre er aufgestanden und hätte gesagt: „Komm, Kasperle, wir gehen ins Waldhaus!“
Da zupfte plötzlich der Kammerdiener Kasperle am Jackenzipfel und sagte leise: „Komm hinaus, sieh doch, der Herzog ist eingeschlafen!“
Der war wirklich eingeschlafen, er lag und träumte vom Waldhaus, und er sah dabei gar nicht böse und streng wie sonst aus, sondern ganz milde. Kasperle schüttelte erstaunt den Kopf und brummelte: „Da liegt ’n anderer im Bett drin!“
„I bewahre!“ flüsterte der Kammerdiener, „es ist schon unser Herzog. Freilich, so freundlich hat er lange nicht dreingesehen. Lieber Himmel, ja, wenn er doch immer so aussehen möchte, dann diente ich ihm auch lieber! So, und nun gehe in dein Bett, Kasperle, und schlafe, es ist Zeit!“