Dieser Vorfall spielte sich in Prag ab. Ich ging auf der Straße und las eine Zeitung.
Plötzlich klopfte mir jemand leise auf die Schulter.
Ich wandte mich rasch um.
Vor mir stand ein Wachmann, der in schroffem Ton sagte:
»Sie zahlen vier Kronen Strafe!«
Und schon schrieb er ein Strafmandat.
»Erlauben Sie – wofür?«
»Es ist verboten, auf der Straße zu lesen.«
»Ich hab' ja gar nicht gelesen.«
»Was haben Sie denn gemacht?«
»Es war mir heiß, und ich wollte mit der Zeitung meine Stirn abwischen.«
»Mit einer frischgedruckten Zeitung? Ich soll Sie wohl noch wegen Unreinlichkeit bestrafen?«
»Empörend!« rief ich. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß der Präsident mein leiblicher Onkel ist.«
»Ich bedaure ihn, wenn er solche Neffen hat!«
»Halten Sie mich nicht auf, verstehen Sie! Ich muß zum Frühstück bei einem Minister. Wenn ich zu spät komme . . .«
»Dann zeigen Sie ihm das Strafmandat.«
»Hm, das ist also ein Strafmandat! Darf ich lesen, was Sie da geschrieben haben?«
»Bitte . . .«
Ich lächelte boshaft:
»Wie kann ich es lesen, wenn Sie selbst behaupten, daß das Lesen auf der Straße verboten ist!«
Auf der Stirn des Wachmanns zeigten sich Schweißtropfen. Ich wollte ihm meine Zeitung borgen, damit er sich abwischen könne, aber er sagte:
»Kommen Sie mit aufs Kommissariat. Dort können Sie das Mandat durchlesen.«
»Nicht nötig!« rief ich. »Genug gescherzt. Hier haben Sie vier Kronen, und die Sache ist in Ordnung.«
Der Wachmann salutierte, nahm das Geld, übergab mir das Strafmandat und entfernte sich.
Ich bog in eine Seitengasse ein und sah mich nach rechts und links um. Die Straße war menschenleer . . . Da zog ich meine Zeitung aus der Tasche und begann darin zu lesen.
Niemand sah mich!
Dieses Verbrechen hat die Prager Polizei nicht entdeckt.
Und Sie wollen vielleicht noch sagen, daß dies keine leichte und mühelose Arbeit sei, vier Kronen zu verdienen?