Albert-Ludwigs-Universitaet Freiburg
PNDS Sommersemester 1997 Textwiedergabe
Ueber das Glueck
Ein altes chinesisches Sprichtwort sagt:Wenn du eine Stunde gluecklich sein willst,betrinke dich.Willst du drei Tage
gluecklich sein,dann heirate.Wenn du aber fuer immer gluecklich sein willst,werde Gaertner.
Moderne Gluecks-Forscher bestaetigen diese Spruchweisheit.Seit Mitte der 70er Jahre versucht eine wachsende Zahl von
Wissenschaftlern herauszufinden,wie das Gluecksempfinden zustande kommt.
Weil den Forschern aber das Wort Glueck zu ungenau erschien,wurde es durch eine Reihe modernerer Begriffe ersetzt z.B.
Zufriedenheit,Erfolg,Lebensqualitaet.Die Wissenschaftler einigten sich auf folgende Arbeitsdefinition:Glueck ist subjektives
Wohlbefinden.
Zuerst fragten sie Menschen verschiedener Altergruppen,was sie unter Glueck verstehen.Fuer einige der Befragten war Glueck
z.B. nur der Zeitraum zwischen den Zeiten des Ungluecklichseins,das Nachlassen eines Schmerzes oder die Abwesenheit von
Stress.
Dann untersuchten die Gluecksforscher,welche Menschen sich selbst als gluecklich empfinden.Sie fragten ausserdem,wann und
warum sich jemand als gluecklich einschaetzt.Sie kamen zu folgenden Ergebnissen:
1. Glueckliche Menschen sehen sich als Meister ihres Lebens.Sie empfinden gute und schlechte Erlebnisse nicht als
unabaenderliches Schicksal,sondern fuehlen sich in der Lage,ihr Leben zum groessten Teil selbst zu bestimmen.
2. Nicht nur materieller Wohlstand,auch andere Lebensumstaende,die haeufig als ideale Voraussetzungen fuer das Lebensglueck
angesehen werden,haben erstaunlich wenig Einfluss darauf,ob ein Menschsich sich gluecklich fuehlt oder nicht.So wurde
beispielsweise der Zusammenhang von koerperlicher Schoenheit und Glueck ueberschaetzt.Schoene und kluge Menschen,die oftmals
beneidet werden,waren der Untersuchung nach nicht gluecklicher als der Durchschnitt.Umgekehrt koennen Menschen auch dann
wieder gluecklich werden,wenn ihnen ein grosses Unglueck zugestossen ist.Selbst eine schwere koerperliche Verletzung macht
die Betroffenen nicht fuer den Rest des Lebens ungluecklich.Etwa ein Jahr nach dem Unfall,das zeigte eine Untersuchung,stieg
das Gluecks-Empfinden der Verletzten wieder auf das durchschnittliche Niveau.Die Gluecksforscher erklaeren dieses Phaenomen
mit der Anpassungsfaeigkeit der Psyche.
3. Glueckliche Menschen sind aktive Menschen,die ihr Selbstwertgefuehl dadurch erhoehen,dass sie anspruchsvolle Aufgaben
loesen.Aber glueckliche Menschen sind auch in der Lage,locker zu lassen und zu entspannen.
4. Glueckliche Menschen finden in ihrem Leben viele kleine Anlaesse,sich wohlzufuehlen und sich zu freuen.Wer sich dagegen zu
sehr auf die wenigen Grossereignisse des Gluecks konzentriert,zum Beispiel auf das eigene Haus,das erste Kind,die grosse
Weltreise usw.,wird meist enttaeuscht.
5. Glueckliche Menschen investieren viel Zeit und Energie in ihre sozialen Beziehungen.Sie pflegen die Beziehungen zu den
Menschen,die ihnen wichtig sind.
Insgesamt zeichnen sich glueckliche Menschen durch Eigenschaften aus,die sie teils ererbt,teils erworben haben,z.B. erhoehen
Optimismus und ein ausgepraegtes Selbstwertgefuehl eindeutig die Chancen darauf,sich gluecklich zu fuehlen.
Kann man Gluecklichsein lernen?Die Gluecksforscher geben darauf eine zweiteilige Antwort:
a) Das Temperament eines Menschen wird groesstenteils erblich bestimmt.Biologische Faktoren entscheiden darueber,wie
anfaellig ein Mensch zum Beispiel fuer negative Gefuehle ist.Die Neigung zum Aerger,zur Aengstlichkeit,zur Melancholie oder
zum Pessimismus wird sehr stark von chemischen Vorgaengen im Gehirn beeinflusst.1996 hat eine Gruppe deutscher und
amerikanischer Forscher ausserdem ein Gen gefunden,das die Gefuehle,vor allem die Aengstlichkeit,reguliert.
b) Wenn auch die Neigung zu negativen Gefuehlen teilweise biologisch programmiert ist,so verhindert diese Veranlagung
keineswegs schicksalhaft die Chancen darauf,sich gluecklich zu fuehlen.Denn wie stark und wie oft wir positive Gefuehle
erleben,haengt auch von unserer Umwelt und unseren Lebensbedingungen ab.Mit anderen Worten:Die Anfaelligkeit fuer negative
Gefuehle kann ererbt sein,aber die Faehigkeit zum Gluecklichsein wird nicht nur vom Erbgut bestimmt,sondern kann erlernt und
trainiert werden.