Internationales Studienzentrum
der Universitaet Heidelberg
PNDS Herbst 1990/Textwiedergabe
Die Kunst des Aergerns
Der Ausdruck Ich koennte platzen vor Wut?oder “Ich koche innerlich?beschreibt recht gut,was in unserem Koerper vor sich geht,wenn wir uns aergern.Bei Aerger ist der Koerper aktiviert,und die Muskeln sind angespannt.Haeufig treten Kopfschmerzen auf.In diesem Zustand braucht es nur noch den sprichwoertlichen Tropfen,der das Fa?zum Ueberlaufen bringt.Besonders im Berufsleben gibt es viele Anlaesse,sich zu aergern,und wenn dem Aerger auf heftige Weise Luft gemacht wird,kann es passieren,dass der Gegenueber ebenfalls aggressiv reagiert und die ganze Situation eskaliert.Aber auch das Unterdruecken von Aerger hat negative Folgen,denn dadurch aendert sich nichts an der Lage.Wenn immer man spaeter daran zurueckdenkt,kommt der Aerger wieder hoch,und weil man nichts unternommern hat,entsteht ein Gefuehl der Hilflosigkeit,das in extremen Faellen eine Depression hervorrufen kann.
Dabei hat Aerger durchaus seine positiven Seiten.Aerger liefert naemlich Energiereserven,die der Koerper zur Selbstverteidigung mobilisiert.Diese Energie ermoeglicht es,mit vielen schwierigen Situationen zurechtzukommen und Konflikte durchzustehen.Aerger liefert praktisch Treibstoff fuer Auseinandersetzungen.Viele Menschen werden erst durch den Aerger ueber eine Ungerechtigkeit auf die Strasse getrieben und eintwickeln zum Teil aeusserst kreative Ideen,Widerstand auszuueben.Aerger ist ausserdem ein Signal dafuer,dass etwas nicht in Ordnung ist.Dieses Signal fuehrt dazu,dass wir uns ueber gewisse Missstaende Gedanken machen.Und Aerger kann schliesslich ein Weg sein,unseren Mitmenschen Spannungen und negative Gefuehle mitzuteilen.Denn oft stauen sich viele Dinge an,bis wir richtig veraergert und wuetend sind.
Wie aber zeigt man seinen Aerger richtig?Obwohl es keine festen Regeln gibt,wie man in welcher Situation richtig mit Aerger umgeht oder welches Verhalten angebracht ist,existieren einige generelle Ansatzpunkte,wie Aerger am besten zu bewaeltigen ist.Als erste sollte man seine Erwartungen und Annahmen ueber das betreffende Geschehen an der Realitaet ueberpruefen und negative durch positive Gedanken ersetzen.So sollte man den Gedanken: Wenn ich meinen Aerger zeige,wird mich der Chef bestimmt rauswerfen?ersetzen durch den Gedanken: Wenn ich ihm sage,was mich geaergert hat,wird er mich fuer einen Mitarbeiter halten,der kritisch mitdenken kann.?Man sollte auch ueberpruefen,ob solche Woerter wie immer?oder nie?tatsaechlich zutreffen und Verallgemeinerungen vermeiden.Anstatt: Immer kommt er zu spaet zum Essen?lautet dann der veraenderte Gedanke: In den Faellen,in denen er zu spaet zu Essen kam,ist er meistens im Strassenverkehr steckengeblieben.?Zweitens sind,da Aerger mit koerperlicher Anspannung einhergeht,einfache Entspannungsuebungen geeignet,diese wieder abzubauen.Und drittens sollte man sein Verhalten immer wieder daran orientieren,ob es angemessen ist.Seine Aerger-Botschaft?sollte man ruhig und klar vortragen und sich dabei wirklich nur auf die Sache beschraenken,die einen geaergert hat,also keine Pauschalurteile oder Beleidigungen vortragen,sondern statt dessen zum Ausdruck bringen,wie man durch das Verhalten des anderen beeintraechtigt,behindert und veraergert worden ist.
Manche Probleme koennen nicht sofort geloest werden,dann ist es besser zu warten,bis sich die Gemueter wieder abgekuehlt haben.Aber Aerger sollte immer dort,wo er entstanden ist,abreagiert werden:Beruflicher Aerger sollte also nicht mit nach Hause genommen werden.Der richtige Ungang mit Aerger bedeutet eine Entlastung fuer den Koerper.Fuer viele Menschen mit Hypertonie ist es z.B. charakteristisch,dass sie ihren Aerger meist unterdruecken.Darueber hainuas traegt richtiges Aergern dazu bei,dass einige Situationen ueberhaupt nicht mehr als aergerausloesend erlebt werden.