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德语圣诞故事:Stille Töne
日期:2011-06-29 15:42  点击:12

Die Stadt türmte sich fremd und so hoch vor Sia auf, als gehöre der nächtliche Himmel den Wolkenkratzern allein. Und nicht nur er, denn die Lichter in den Fenstern spiegelten sich im Wasser der Bucht und füllten sie mit zitterndem Glanz, als sei auch am Boden kein Platz für die Menschen, die die Stadt erbaut hatten.

Vielleicht lag Sias Schaudern auch nur daran, dass sie nach dem Flug vom einen Kontinent zum anderen so müde und ausgetrocknet war. Oder dass die Adventswochen einfach die falsche Zeit zum Reisen in die Fremde waren, vor allem wenn man alleine reiste.

"Trink einen Schluck", sagte Tante Lara, die ihr fast ebenso fremd war wie die Stadt. Bis jetzt hatte sie so gut wie nichts gesagt. Vielleicht weil es sie so verblüffte, dass Sia längst kein Kind mehr war, anders als bei ihrem letzten Treffen.

Sia trank aus der Wasserflasche, die ihr Tante Lara nach hinten reichte, während das Auto sich langsam aus dem Lichterwald in eine dunklere Gegend bewegte. Auch das Wasser schmeckte fremd.

Später lag sie in einem unbekannten Zimmer auf einer Matratze und konnte nicht schlafen, denn zuhause war Tag. Doch der Mond tröstete sie. Wenigstens er war derselbe, den sie von der anderen Seite der Erde kannte.

Die nächsten Tage waren ein Gestöber aus Bildern, Gerüchen, Stimmen. Zum Glück beherrschte sie wenigstens die Sprache, als sei es ihre eigene. Das Land, das zur Weihnachtszeit so grün war wie der Frühling selbst, begann sie eigenartig tief zu berühren. Sie lieh sich ein Fahrrad und bahnte sich damit Wege durch das Gras, fand heimliche Bäche und verwilderte Dickichte, in denen nur ihr eigener Atem zu hören war, und stellte fest, dass der Himmel hier sehr wohl groß genug war für alle, trotz der nahen Stadt, die sie immer noch überwältigte.

Doch bei allem anderen begleitete sie der Gedanke an eine Begegnung vom ersten Abend. Eine Gestalt war hereingekommen, als Sia verloren mit ihrem Koffer im Zimmer stand und Tante Lara ihr zeigte, wie die Fensterriegel funktionierten.

"Guten Tag", sagte Sia höflich, obwohl sie erschrocken war. Die Gestalt hatte sie im Dämmerlicht und ihrer Müdigkeit im ersten Augenblick an einen Affen denken lassen. Der Mann war schmal und kaum größer als Sia, ging ein wenig vornüber gebeugt und hatte lange Arme und lange Haare und einen wilden Bart. In dem gewohnten gebügelten Leben, in dem sie aufgewachsen war, kam so jemand nicht vor.

"Oh, das ist nur Terry, ein Freund von Tim", sagte Tante Lara. "Er wohnt eine Weile hier. Er spielt Saxophon, also wundere dich nicht über Lärm. Siehst du, hier musst du dagegen drücken, dann klemmt es nicht so."

Terry warf ihr einen flüchtigen Blick zu, murmelte "Ich geh dann" und verschwand.

Sie sah ihn erst drei Tage später wieder, doch am Abend davor hörte sie, wie eine traurige Jazzmelodie aus Terrys Zimmer tröpfelte. Die Töne krochen unter ihrer Tür hindurch und versammelten sich um ihre Matratze. Sie entsprachen genau ihrer Stimmung. Sia stellte sich vor, wie die Töne zu leuchten begannen, jeder in einer anderen Farbe, wie die vielen Lichter der Stadt, und dann schlief sie ein. Zum ersten Mal schlief sie gut.

Die Wochen vergingen. Tante Lara und Onkel Tim gingen arbeiten, und Sia, die mit dieser Reise die Zeit überbrückte, bis sie in der Heimat ihr Studium antreten konnte, hatte die Tage für sich. Das Haus war sehr leer. Bis auf Terry. Meist blieb er unsichtbar in seinem Zimmer, doch seine Musik machte ihn anwesend, als säße er mitten im Raum und sie müsse um ihn herum fegen.

Das Fegen machte ihr Spaß. Die Parkettfläche war groß und glänzend wie eine Eisbahn und sie jagte Grashalme und Staubflocken und ließ sie in Wirbeln zu der seltsamen Musik tanzen. Dabei konnte sie gut nachdenken. Ihre Gedanken ordneten sich mit den Tönen und riefen einen ungekannten Frieden und erstaunliche Farben in ihr hervor.

Am späten Nachmittag kamen Tante Lara und Tim mit ihrem dreijährigen Sohn Roy, und das Haus füllte sich mit Lachen und Rascheln und Klappern und Schritten. Dann kam meist auch Terry hinter seiner Tür hervor, setzte sich in einen Winkel und spielte mit Roy oder polierte sein Saxophon. Sia beobachtete ihn, sah seinen Händen zu, wie sie Roy hielten oder mit der Nagelschere winzige Autos aus Papier schnitten. Noch nie hatte sie Hände gesehen, die so behutsam mit allem umgingen, was ihnen begegnete. In ihren Bewegungen war dieselbe tiefe Stille wie in der Musik, die sie schufen.
 


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