In Spanien lebte einst ein armer Landedelmann. Wann immer der Junker einen freien Augenblick hatte – oft auch, wenn sich in Haus und Hof die Arbeit häufte –, steckte er seine Nase in Ritterromane. So war ein großer Teil seines Vermögens für Bücher draufgegangen. Er las Tag und Nacht und träumte von gefährlichen Abenteuern, großartigen Heldentaten, von listigen Zauberern, wilden Drachen und liebreizenden Burgfräulein. Davon wurde sein Kopf immer wirrer, bis er sich schließlich einbildete, selbst ein Ritter zu sein. Dabei war das Ritterhandwerk zu seiner Zeit längst ausgestorben.
Eines Tages klappte er mit einem Ruck sein Buch zu und beschloss, auf Aventüre zu gehen, das heißt Abenteuer zu suchen. Er kramte die verrostete Rüstung seines Uropas vom Dachboden hervor und bastelte sich einen Helm aus Pappe. Diese Arbeit beschäftigte ihn eine ganze Woche. Als das gute Stück endlich fertig war, setzte er es auf, holte mit dem Schwert aus und haute sich zur Probe zweimal über den Schädel. Von der Wucht des Schlages ging die windige Haube sofort in Stücke.
Nun verstärkte der Edelmann den Kopfschutz mit Eisenstäben und band ihn mit einem Strick unter dem Kinn fest. Dann sattelte er seinen klapprigen, alten Gaul. Zusammen waren sie ein tolles Paar – das magere, lahme Ross und sein langer, spindeldürrer Reiter.
Still und heimlich machte sich der eingebildete Ritter aus dem Staub. Unterwegs kam ihm in den Sinn, dass ihm für sein Vorhaben noch ein edles Fräulein fehlte. Denn jeder Ritter, der etwas auf sich hält, braucht eine Dame. An die denkt er immerzu, wenn er mit wilden Riesen oder feindlichen Königen kämpft und abends am Feuer singt er Minnelieder, um das Herz der Schönen zu erweichen.
Da gerade keine Gräfin oder Prinzessin zur Hand war, erklärte der Junker kurz entschlossen eine einfache Bauerntochter aus dem Nachbardorf Toboso zu seiner Herrin. Sie hieß Aldonza Lorenzo und der Junker hatte sie vor Jahren einmal sehr verehrt. Allerdings hatte er ihr nie davon erzählt. Nun gab er seiner Holden insgeheim den Adelstitel Dulzinea, das heißt in etwa die Süße, von Toboso. Sich selbst nannte er nach seiner Heimatgegend Don Quichotte von der Mancha. Das Pferd erhielt den Streitnamen Rosinante.
So zockelten die beiden über die Landstraße. Die Sonne stach vom Himmel. Schon bald flossen die ersten Schweißtropfen über die rostige Rüstung. Don Quichotte glühte das Hirn in Gedanken an seine Herzensdame. Ganz versunken sprach er: „Oh, Prinzessin Dulzinea, Grausamste aller Schönen, warum habt ihr mich verstoßen?“ Plötzlich durchfuhr ihn ein Schreck: Er hatte ja noch keinen Ritterschlag erhalten – also war er gar kein echter Ritter.
In diesem Moment kam er durch ein Dorf. In seinem Wahn schien ihm ein heruntergekommenes Wirtshaus eine stolze Burg. Vor der Tür standen zwei schmutzige Landmädchen. Don Quichotte hielt sie für zwei vornehme Königstöchter. Ein Schweinehirt zog vorbei und blies in sein Horn. Don Quichotte klang das dumpfe Tröten wie Trompetenmusik.
Soeben trat der dicke Wirt aus Schenke. Da fiel Don Quichotte vor ihm auf die Knie und flehte ihn an, ihm den Ritterschlag zu erteilen. Der Wirt sah sofort, dass sein Gast reichlich sonderbar war, dabei aber bis auf die Zähne bewaffnet. Also machte er gute Miene zu dem Spiel und erklärte: „Edler Herr, gleich beim ersten Morgengrauen will ich auch den gewünschten Gefallen tun. Doch zuvor sollt ihr die Nachtwache auf dem Burghof halten.“ Er dachte wohl, die frische Abendluft würde dem rasenden Fremdling schon das Hirn abkühlen.
Sie tischten ihm eine kleine Stärkung auf: Der Fisch war versalzen und das Brot noch schwärzer und schmieriger als Don Quichottes Rüstung. Außerdem musste unser Held seinen Helm mit beiden Händen festhalten, weil das Visier immer wieder herunterklappte. Deshalb steckten ihm die kichernden Dorfmädchen die Bissen in den Mund und der Wirt besorgte ihm ein Stück Schilfrohr als Strohhalm. Don Quichotte aber speiste und trank mit so großem Appetit, als wäre es das feinste Festmahl.
Als es Nacht wurde, begleitete der Wirt seinen seltsamen Gast auf den Hof hinter dem Pferdestall. Dann ging er wieder in die Schenke, atmete tief durch und dachte erleichtert: „Den bin ich los.“ Doch da hatte der Wirt die Rechnung ohne den kampfwütigen Junker gemacht. Schon bald brach draußen ein Riesenkrawall los. Don Quichotte hatte nämlich seine Rüstung ausgezogen und auf einen steinernen Wassertrog gelegt. Da kam ein Eselstreiber des Wegs, der seine Tiere zur Tränke führen wollte. Er sah die rostigen Blechteile, hielt sie für Alteisen und warf sie achtlos zur Seite. Darüber wurde Don Quichotte so wütend, dass er auf den Mann losging und ihn beinahe erschlagen hätte. Ein zweiter Hirt folgte, das Schauspiel wiederholte sich, die Nachbarn warfen Steine auf den Möchtegern-Ritter und dieser schrie ihnen die übelsten Schimpfwörter zu.
Aus Angst um sein Geschäft rannte der Wirt so schnell aus der Schenke, wie die kurzen Beine den feisten Körper nur tragen wollten. Eilends japste er: „Edler Herr, ihr habt eure Tapferkeit zur Genüge bewiesen. Lasst euch zum Ritter schlagen.“ Er versetzte dem Unruhestifter einen kräftigen Klaps im Nacken und entließ ihn mit dem guten Rat:
„Auch ein echter Ritter reitet niemals ohne Geld und saubere Unterwäsche aus.“