Es lag etwas in der Luft. Wolfsblut witterte ein nahes Unglück, noch bevor es sichtbar war. "Hören Sie sich das bloß an!", rief Matt eines Abends. Weedon Scott lauschte. Durch die Tür drang ein leises und angstvolles Stöhnen, das wie ein unterdrücktes Schluchzen klang. Dann kam ein lang gezogenes Schnüffeln, als ob Wolfsblut sich überzeugen wollte, dass der Herr noch drinnen sei und nicht wieder allein die Flucht ergriffen hätte.
"Ich glaube wirklich, Wolf hat Verdacht geschöpft", sagte der Hundetreiber.
Weedon Scott blickte seinen Gefährten fast flehend an. "Was, zum Henker, sollte ich wohl in Kalifornien mit einem Wolf anfangen?" Aber er schien selbst nicht zufrieden zu sein. "Die Hunde der weißen Leute können ja gar nicht gegen ihn aufkommen. Er würde sie sofort totmachen, und ich würde entweder durch die Geldstrafen bankrott werden, oder die Behörde würde ihn mir wegnehmen und durch einen elektrischen Schlag töten. Nein, es geht nicht!"
"Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass er höllisch an Ihnen hängt", sagte Matt, als sie von der Tür wieder das schluchzende Stöhnen hörten. "Sie müssten sich jemanden halten, der ihn bewacht."
Scott erwiderte: "Matt, ich weiß nicht, was ich tun soll. Aber wäre es nicht vollkommen lächerlich, den Hund mitzunehmen?"
"Das glaube ich auch", antwortete Matt. "Aber woher weiß er, dass Sie fortreisen? Das geht über meinen Horizont!"
"Über meinen auch", meinte Scott und schüttelte kummervoll den Kopf.
Dann kam der Tag, an dem Wolfsblut den Koffer sah, den sein Herr packte. Er würde wieder auf die Flucht gehen und da er Wolfsblut früher nicht mitgenommen hatte, so würde er auch diesmal zurückgelassen werden. In der folgenden Nacht brach er in ein lang gezogenes Wolfsgeheul aus.
Im Blockhaus waren die beiden Männer eben zur Ruhe gegangen. "Er hat wieder sein Futter stehen lassen", bemerkte Matt. "Wie er es sich damals zu Herzen nahm, als Sie weg waren, sollte es mich gar nicht wundern, wenn er es diesmal nicht überlebt."
"So hören Sie doch endlich auf, mich zu quälen!", schrie Scott.
Am nächsten Tag wurden Wolfsbluts Ruhelosigkeit, seine Angst noch offenkundiger. Er heftete sich an die Fersen des Herrn, wenn dieser das Blockhaus verließ, und wartete draußen auf den Stufen, wenn er drin war. Durch die offene Tür konnte er das Gepäck stehen sehen. Man rollte gerade die Decken und den Schlafsack des Herrn in Wachstuch ein, und Wolfsblut winselte, als er es sah. Zwei Indianer trugen die Sachen weg.
Dann kam der Herr an die Tür und rief Wolfsblut hinein. "Du armer Teufel", sagte er liebevoll, indem er ihn an den Ohren kraute und auf den Rücken klopfte. "Ich muss auf eine weite Reise gehen, mein Alter, wohin du nicht mitkommen kannst. Nun grolle noch einmal zum Lebwohl!"
Aber Wolfsblut wollte nicht. Dafür steckte er den Kopf unter den Arm des Herrn. Vom Yukon ertönte der heulende Ton des Dampfers, und Matt begleitete Weedon Scott zum Fluss. Zuvor verschlossen sie die Türen des Hauses, damit ihnen der Hund nicht folgen konnte.
"Sie müssen gut für ihn sorgen, Matt", sagte Scott, als sie den Hügel hinuntergingen. "Schreiben Sie mir und lassen Sie mich wissen, wie es ihm geht."
"Gewiss", antwortete der Hundetreiber. "Aber hören Sie sich das bloß an!"
Beide blieben stehen. Wolfsblut heulte, wie es Hunde tun, wenn ihre Herrn gestorben sind. Es war eine herzzerreißende Wehklage, sie erhob sich zu lauten Jammertönen und erstarb in zitterndem Weh. Dann brach sie von neuem in ein lautes, kummervolles Geheul aus.
An der Landungsbrücke schüttelte Scott Matt zum Abschied die Hand, als dessen Augen sich plötzlich auf etwas hinter Scotts Rücken hefteten. Dieser drehte sich um und sah Wolfsblut in geringer Entfernung sitzen. Er blickte sie unverwandt an. Schmeichelnd legte er die Ohren zurück. Wie war er aus dem Blockhaus gekommen?
Matt wollte ihn an Land bringen, aber Wolfsblut wich ihm aus und versteckte sich zwischen den Menschenmassen. Als ihn allerdings sein Herr rief, kam er rasch und gehorsam zu ihm. Scott beugte sich über Wolfsblut. Er zeigte Matt einige frische Wunden an der Schnauze und einen Schlitz zwischen den Augen. Dieser fuhr ihm mit der Hand über den Unterleib.
"Wir hatten das Fenster vergessen. Er ist unten ganz zerschnitten und zerrissen. Er muss mit einem Satz durchgesaust sein, zum Donnerwetter!"
Scott hörte nicht auf ihn. Er überlegte rasch, denn die Pfeife der "Aurora" gab das letzte Signal zur Abfahrt.
"Leben Sie wohl, Matt, und was Wolfsblut betrifft, so brauchen Sie nicht über den zu schreiben. Ich werde über ihn an Sie schreiben."
"Was?", schrie der Hundetreiber. "Sie wollen doch nicht …?"
"Ja, ja, ich will!" Das Laufbrett wurde ans Ufer gezogen, und Scott winkte ein letztes Lebwohl hinüber.
Dann drehte er sich um und beugte sich über Wolfsblut, der neben ihm stand. Er streichelte den sich anschmiegenden Kopf und kraute ihm die Ohren.