„Mehr als ich sagen kann,“ entgegnete der Forstrat und trat ans Fenster, um seiner tiefen Bewegung Meister zu werden. Nach einigen Minuten kehrte er mit verändertem Ausdruck zu Frau Reinwald zurück: „Ich gehe jetzt. Ich will heute noch mit dem Arzt sprechen, ich habe vielleicht schon zu lange gesäumt.“
„Ja, zögern Sie nicht länger,“ sagte Frau Reinwald, „und haben Sie guten Mut! Jetzt sieht es wohl traurig bei Ihnen aus, aber so Gott will, haben Sie übers Jahr eine gesunde Frau und Tochter.“ Er drückte dankbar ihre Hand und ging.
Gretchen erfuhr von dieser Unterredung nur, daß Ruths Mutter ihre Einwilligung nicht geben wolle. Sie war schmerzlich enttäuscht und wollte sich gar nicht zufrieden geben. Auch das freundliche Versprechen der Mutter, daß Gretchen, wenn auch ohne Ruth, doch einige Zeit bei Fräulein Trölopp und den Kindern zubringen dürfe, konnte sie nicht fröhlich stimmen. Der Gedanke an die blasse Kleine in der dumpfen Schlafstube bei den aufgeregten Eltern verfolgte sie, und sie konnte nicht verschmerzen, daß der schöne Plan ohne triftigen Grund aufgegeben werden sollte.
Sie begleitete am nächsten Tag Hermine und ihre Schwester Mathilde aus der Schule heim und erzählte ihnen von ihrer bitteren Enttäuschung. Sie ahnte nicht, welche Nachwirkung dieses Gespräch haben sollte.
Mathilde Braun machte am folgenden Sonntag ihrer Freundin Ruth einen Krankenbesuch. Sie wußte nicht, daß Ruth von dem ganzen Plan, der sie betraf, nichts erfahren hatte, besann sich auch nicht, ob sie ihr denselben mitteilen dürfe; sie berichtete über alles, was sie Gretchen in den schönsten Farben hatte schildern hören, und sprach auch von Gretchens bitterer Enttäuschung. Die Kleine lauschte begierig. Sie war nicht unternehmungslustig, aber mit „ihrem Fräulein“ fortzureisen, aus der heißen Stadt hinaus aufs Land, dahin wo die lustigen Kleinen Rudi und Betty waren, das schien doch auch ihr verlockend, und daß Gretchen sich so sehr gefreut hatte und nun so bekümmert war, das beglückte sie, das war Liebe.