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Sechzehntes Kapitel. Wiege und Sarg.-9
日期:2024-11-25 15:11  点击:229
So blieb Gretchen ganz allein zurück. Es hat etwas Erschütterndes, wenn die Botschaft vom Tode plötzlich eindringt in den Kreis fröhlich feiernder Menschen, und so war auch Gretchen tief ergriffen. Sie stand in Gedanken versunken am Fenster und sah durch den Hof hinüber nach dem Haus, wo die alte Frau ihren letzten Kampf auskämpfte.
 
Eine Weile war alles still im Haus, dann machte mit leisem Stimmchen das junge Leben seine Ansprüche geltend. Drüben das Erlöschen, hüben das Erwachen. Das kleine Gretchen fing an zu schreien, und das große Gretchen ging in die Kammer, in der ihr Patenkind lag. Sie trug es heraus und wiegte es sanft in den Armen, da gab es sich wieder zufrieden. Sie setzte sich auf ein Kinderstühlchen, hielt die Kleine im Schoß und spielte mit ihren winzigen Fingerchen.
 
„Du mein Gretchen, mein Herzblättchen,“ sagte sie bewegt vor sich hin, „dich will ich lieb haben, für dich will ich tun, was ich kann.“ Sie nahm die kleinen Händchen zwischen die ihrigen und sagte leise: „Lieber Gott, mach uns beide fromm, daß wir beide zu dir in den Himmel kommen.“
 
Nach einer halben Stunde kam Lene mit verweinten Augen zurück.
 
„Ist sie wirklich gestorben?“ fragte Gretchen.
 
„Ach ja, sie ist tot, aber wir sind doch noch zu rechter Zeit gekommen, sie hat uns alle noch angeschaut und ein paar Worte gesprochen. Der Herr Pfarrer meinte, es sei wohl ein Herzschlag, der Doktor werde nicht mehr helfen können. Wir haben aber doch nach ihm geschickt, aber bis er gekommen ist, war alles vorbei.“
 
„Es ist doch traurig, daß sie gerade am Tauftag gestorben ist.“
 
„Ich kann mir schon denken, wie das gekommen ist,“ sagte Lene. „Sie hat heute morgen zu mir gesagt: ‚Dem Tauftag zu Ehren könntet Ihr mir wohl ein Schnäpschen holen.‘ Da wollte ich auch nicht Nein sagen und habe es ihr gebracht. Nachher aber hat sie zu jedem von den Buben ebenso gesagt, und jeder hat ihr eins geholt und sie hat alles getrunken, und das war zu viel.“
 
„Wie schrecklich, so zu sterben!“ sagte Gretchen. „Ach, Lene, ich bin doch froh, daß sie nicht zu Euch gezogen ist.“
 
„Und ich bin froh, daß ich es ihr doch noch angeboten habe, und dafür war sie mir auch dankbar.“ Gretchen entgegnete nichts, aber sie hatte über diese Dankbarkeit so ihre eignen Gedanken.
 
„Gretchen, deine Mutter hat mich damals überredet, den Stuhl hinüberzubringen, und das danke ich ihr. Hätte ich mich nicht um die arme Person angenommen, so müßte ich mir jetzt bittere Vorwürfe machen.“
 
Lene drückte ihr Kindchen ans Herz und sah wieder fröhlich aus den verweinten Augen.
 
Zwei Tage später waren dieselben Menschen, die heute um die Wiege gestanden hatten, um den Sarg der alten Frau versammelt. 

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