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Sechzehntes Kapitel. Wiege und Sarg.-3
日期:2024-11-12 16:17  点击:282
Gretchen hielt sie auf. „Bleibe bei mir,“ sagte sie, „ich erzähle dir etwas.“ Und nun erfuhr Ruth zuallererst, daß Gretchen Patin werden sollte und wegen der Taufe den Pfarrer sprechen müsse. Die Kleine sah mit noch mehr Achtung als bisher zu ihr auf. „Ich bleibe bei Ihnen stehen, bis unser Pfarrer die Treppe heraufkommt,“ sagte sie.
 
Die beiden lehnten am Treppengeländer und sahen hinunter, Gretchen in wachsender Ungeduld, Ruth in voller Teilnahme. Aber der Pfarrer kam nicht und war auch jetzt noch nicht in Sicht, als das Zeichen zum Beginn des Unterrichts gegeben wurde. Miß Hampton, die englische Lehrerin, war schon längst die Treppe hinaufgegangen; Gretchen konnte nicht mehr länger zögern, sie mußte unverrichteter Dinge hinaufeilen.
 
Ruth hatte nicht recht verstanden, was Gretchen mit dem Pfarrer besprechen wollte; sie fürchtete, daß nun die Taufe und Patenschaft gar nicht zustande komme, und war ganz unglücklich, daß gerade heute der Pfarrer später als gewöhnlich kam. Und wie ärgerlich – kaum eine Minute später hörte sie seinen raschen Tritt auf der Treppe. Im Bewußtsein, daß sie auch zu spät daran war, ging sie rasch durch den Gang bis an die Türe des Schulzimmers. Aber vor dieser machte sie Halt. Sollte sie nicht dem Pfarrer sagen, daß Gretchen ihn so gern gesprochen hätte? Er konnte es dann gewiß nach der Stunde möglich machen. Den Pfarrer aufzuhalten und anzusprechen, war ein heldenmütiger Entschluß für die schüchterne Kleine, aber für ihr Fräulein wollte sie das schon tun. Mit klopfendem Herzen ging sie dem Pfarrer ein paar Schritte entgegen. Er gab ihr die Hand und sagte: „Heute sind wir spät daran, nicht wahr?“ Und Ruth? Ruth sagte kein Wörtchen und ging tiefbetrübt über ihr Schweigen hinter dem Pfarrer in die Klasse.
 
Zum Glück war Gretchen nicht so ängstlich. Ein paar Minuten vor Schluß der englischen Stunde bat sie Miß Hampton, sie zu entlassen, und erhielt die Erlaubnis. Gretchen lauschte vor der Türe der zweiten Klasse.
 
„Nun wollen wir Schluß machen für heute,“ hörte sie den Pfarrer sagen, und kurz darauf stand er vor ihr und sagte freundlich: „Hast du auf mich gewartet oder wolltest du zu den Kleinen?“
 
„Ich möchte Sie etwas fragen.“
 
„Komm mit mir an das Fenster.“
 
„Ich soll Sie fragen, in welcher Woche Sie die Taufen in der Altstadt haben. Der Kutscher Bauer und seine Frau möchten gern, daß ihr Kind von Ihnen getauft wird.“
 
„Das wollen wir gleich nachsehen.“ Der Pfarrer nahm seinen Taschenkalender zur Hand. „In der nächsten Woche ist die Reihe an mir.“
 
„O, das ist recht,“ rief Gretchen, und nun wollte sie erzählen, daß sie zu Gevatter gebeten sei. Daheim hatte sie sich gefreut, es ihm mitzuteilen, aber jetzt, da sie ihm gegenüberstand, kam es ihr plötzlich in den Sinn, daß sie für solche Würde eigentlich zu gering sei. Er, der solche Verpflichtungen so ernst nahm, konnte es gewiß nicht gut heißen, wenn man ein Schulmädchen wie sie zu Gevatter bat.
 
Während sie sich darüber Gedanken machte, hatte der Pfarrer gefragt: „Kennst du diese Familie?“ und Gretchen hatte ganz mechanisch geantwortet: „Ich kenne die Familie.“ Der Pfarrer sah seine Schülerin erstaunt an; er kannte sie ja so genau und merkte wohl, daß sie etwas in ihren Gedanken bewegte, etwas Peinliches, wie ihm schien. Nun aber sagte sich Gretchen: Erfahren muß er’s doch, also lieber gleich, und ganz unvermittelt kam es nun heraus: „Ich bin zu Gevatter gebeten bei dem Kind.“ „Du, Gretchen?“ fragte der Pfarrer überrascht. „Du sollst Patin werden, und du sagst mir das, wie wenn es dir gar keine Freude wäre, daß man dir dies Vertrauen erweist und dir solch ein kleines Menschenkind ans Herz legen will? Sieh, da hätte ich gedacht, das müßte dir eine wahre Wonne sein!“ „O, dann ist’s mir gleich eine,“ rief Gretchen wieder in ihrem natürlichen, fröhlichen Ton. „Ich habe nur Angst gehabt, es möchte Ihnen nicht recht sein, weil ich noch so jung bin.“ 

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