„Ja, aber mitten im Kochen kann ich’s doch nicht überziehen,“ war die Antwort. „Und wann hätte ich’s wohl tun sollen? Vielleicht heute morgen? Da habe ich geputzt und das Frühstück gemacht für unten und das Frühstück für oben, die Kleinen gewaschen und den Oskar in die Schule gerichtet, und dann fortgerannt auf den Markt und heimgerannt, damit ich gewiß wieder da bin, ehe der Herr fortgeht, denn die Kleinen soll man ja keine Stunde allein lassen. Und wie ich dann schnell die Überzüge herbeisuche und will überziehen, dann klingelt die Frau, es seien keine Kohlen mehr droben; dann muß ich wieder in den Souterrain und Kohlen hinaufschleppen bis ins Gastzimmer im obersten Stock, und dann ist’s höchste Zeit zum Kochen. Nein, mehr kann man nicht verlangen; ich möchte wohl wissen, wann ich das Bett hätte überziehen sollen!“
Bei diesem stürmischen Ausbruch fuhr Rieke hin und her in ihrer Küche, daß man ihr gern aus dem Weg ging, und die Kleinen hielten sich vorsichtig außer Schußweite. Gretchen merkte, daß dieser Zorn nicht eigentlich ihr galt, sondern daß er sich von langer Zeit angesammelt hatte, wie es leicht geht, wenn die Arbeit die Kräfte übersteigt.
„Sie sollen mein Bett nicht überziehen,“ sagte sie in dem freundlichen Ton, in dem sie ihre Mutter immer zu dem Mädchen sprechen hörte, „das kann ich schon tun.“
„O lassen Sie’s nur, Sie kommen doch nicht damit zurecht, aber es wird ja so schrecklich nicht pressieren; unsere Kinder schlafen nicht mehr nach Tisch, aber Sie vielleicht noch?“
Das war grob! Aber Gretchen nahm sich zusammen. „Ich bin extra hierhergereist, um zu helfen, dann will ich nicht noch Mühe machen; ich überziehe mein Bett selbst,“ entgegnete sie, und da Rieke keine Antwort weiter gab, ging sie mit den Kindern hinaus. „Die Rieke ist eine alte Brummerin,“ rief der kleine Rudi sehr entrüstet; „wenn ich erst groß bin, dann leide ich das nicht.“
Nach solch beruhigender Versicherung konnte ja Gretchen wohl an ihr Geschäft gehen. Betty wich ihr nicht von der Seite und verfolgte aufmerksam all ihr Tun. Und dies Tun war nicht so einfach. Die wollene Bettdecke mußte in das Leintuch eingeknüpft werden, aber Gretchen kam damit nicht zurecht. Es war so ganz anders als daheim; Knöpfe und Knopflöcher wollten gar nicht zusammen stimmen. Immer mußte sie wieder aufknüpfen, was sie soeben zugeknüpft hatte; das Leintuch sah schon bedenklich verkrüppelt aus und Gretchens Backen wurden immer röter; ein leichtes Stampfen mit dem Fuß verriet, daß ihre Geduld am Ende war. Die kleine Betty verstand diese Sprache. Immer bedenklicher wurde der Ausdruck ihres Gesichtchens, als sie ihre neue Freundin so in Verlegenheit sah.
Aber jetzt kam ihr ein Gedanke. Sie ging an ihr eigenes Bettstättchen und bemühte sich, ihre kleine Decke herauszuziehen. Sie schleppte mit aller Anstrengung die Decke bis zu Gretchen und sagte: „Ich schenke dir meine Decke, tu sie nur gleich in dein Bett.“
„Du gutes Herz,“ sagte Gretchen gerührt, und indem sie dem Kind die unbequeme Last abnahm, bemerkte sie, daß das kleine Deckchen nach demselben System eingeknüpft war, wie es bei der großen sein sollte; so brauchte sie sich nur nach diesem Vorbild zu richten. Wirklich, jetzt klappte alles; jeder Knopf fand sein Knopfloch. Gretchen war sehr befriedigt und der Kleinen dankbar, die ihr durch ihre Teilnahme zu Hilfe gekommen war, wenn auch anders, als sie gemeint hatte.
Als Gretchen eben mit diesem schwierigen Werk fertig war, ertönte draußen dreimal nacheinander ein Glockenzeichen. „Das ist Papa,“ riefen die Kinder. Gretchen hörte, daß die Treppentüre geöffnet wurde, aber gleichzeitig vernahm sie lautes Schelten der Köchin.
„Es ist nicht Papa gewesen, es ist Oskar, der aus der Schule kommt,“ sagte Rudi, „und Rieke zankt mit ihm, weil er so klingelt, wie nur Papa klingeln darf.“ Aus dem lauten Wortwechsel zwischen Rieke und Oskar entnahm Gretchen, daß der kleine Bursche seines Vaters Klingeln nachahmte, damit ihm rascher geöffnet würde. Rieke aber wollte dem Jungen nicht dasselbe Vorrecht einräumen wie ihrem Herrn.