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关于13-16岁女孩的德语故事:Ausgeliehen-3
日期:2024-09-12 14:42  点击:281

Aber auch die längste Winternacht hat schließlich ein Ende, auch am 16. Dezember wird es endlich Tag, und mit dem Tageslicht kam Gretchen wieder die Reiselust. Sie sah hinaus in die Landschaft, die ihr fast ganz fremd war, denn nur einmal, vor Jahren, hatte sie mit der Mutter diese Fahrt gemacht. Damals hatte sie Onkel, Tante und deren Kinder kennen gelernt, aber sie waren nur kurz beisammen gewesen. An onkel und Tante, sowie ihren ältesten Vetter Hugo, der jetzt krank war, konnte sie sich noch sehr gut erinnern, aber Oskar und die zwei Kleinen, Rudi und Betty, kannte sie noch nicht. So erwartete sie mit steigender Ungeduld das Ende der Fahrt, die ihr sehr langweilig erschien. Bald sah sie durchs Fenster, ob von dem Fluß noch nichts zu sehen sei, über den sie ein paar Stationen vorher kommen mußte, dann zog sie den Fahrplan heraus und verglich die Zeitangaben mit ihrer Uhr, dann studierte sie die Eisenbahnkarte, die an der Wand hing.

 

„Liebes Fräulein,“ sagte plötzlich ihre stille Mitreisende, „seit einer Viertelstunde nützen Sie Ihren Fahrplan und Ihr Uhrtäschchen ab, wenn Sie nur irgend etwas Nützlicheres tun wollten.“

 

Gretchen war ganz verblüfft über diesen unverhofften Überfall ihrer bisher so stillen Begleiterin. Diese war in Sprache und Erscheinung fremdartig. Klein und dick, bekleidet mit auffallendem, bunt schillerndem Reisemantel und einem schreiend gelben Samthut, war sie eher eine abschreckende als eine Vertrauen erweckende Persönlichkeit und ihre Aufforderung, etwas Nützliches zu tun auf der Fahrt in der Bahn, kam Gretchen wunderlich vor. „Was kann man in der Bahn Nützliches tun?“ fragte sie.

 

„Können Sie spanisch?“ war die Gegenfrage der Dame.

 

„Nein, spanisch kann bei uns niemand,“ erwiderte Gretchen.

 

„Ich kann es, ich war zwölf Jahre in Südamerika und komme eben von dort her. Ich werde Ihnen die reine Aussprache lehren. Setzen Sie sich neben mich. Wollen Sie nicht lernen?“

 

„Doch, aber jetzt gerade spanisch?“

 

„Warum nicht? man muß nur immer irgend etwas Nützliches tun, es ist ganz gleich was. Sehen Sie, hier habe ich ein Kärtchen von Spanien, nun werde ich Ihnen die richtige Aussprache von all den Städten und Flüssen lehren, denn es ist mir ein Greuel, wie die Deutschen das alles so falsch aussprechen.“

 

Gretchen wußte gar nicht, wie ihr geschah. Sie war plötzlich Schülerin geworden, und ihre Lehrerin entwickelte großen Eifer. Ganz fremdartig und klangvoll lauteten die geographischen Namen im Munde der Dame, und diese ließ nie nach, bis auch Gretchen ganz den richtigen Ton gefunden hatte. „Sie sind ein gut begabtes Mädchen,“ sagte sie, „und nun werde ich Ihnen zum Schluß eine spanische Canzonetta vorsingen.“ Die Dame erhob sich und sang vor ihrer erstaunten Zuhörerin mit viel Kunstfertigkeit ein eigenartiges Lied. Gretchen wußte gar nicht, was sie von ihrer wunderlichen Reisegenossin denken sollte; aber als der Zug kurz darauf in die Bahnhofhalle von N. einfuhr, reichte ihr die Dame eine Visitenkarte und sagte: „Bitte, empfehlen Sie mich in Ihrem Bekanntenkreis, ich will mich in N. niederlassen und dort Unterricht geben in Gesang und spanischer Sprache, ich wohne im Hotel de l’Europe, General X. kann mich empfehlen. Und nicht wahr, sprechen Sie nie mehr Cordōva, sondern Córdova.“

 

„Ja, Córdova,“ sagte Gretchen, und schon hielt der Zug, Gretchen wurde von ihrem onkel empfangen und sah eben noch beim Verlassen des Bahnsteigs, wie ihre Begleiterin in den Omnibus des Hotel de l’Europe einstieg.

 

Gretchen hatte ihren onkel gleich wieder erkannt, und er war auch leicht zu erkennen. Herr van der Bolten war noch ein jüngerer, schlanker Mann mit hellen blauen Augen. Unter seinem großen Schlapphut kam eine Fülle von langen blonden Haaren hervor. Er stammte aus einer niederländischen Künstlerfamilie, war selbst auch Künstler und hatte als Landschaftsmaler einen guten Namen. 

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11/25 09:54