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Briefwechsel mit Goethes Mutter:Winckel
日期:2024-08-30 17:22  点击:229
Liebe Frau Rat! – Alles, was ich aufgeschrieben habe, das will ich Ihr vorlesen; Sie kann selbst sich überzeugen, daß ich nichts hinzugesetzt habe und das bloß geschrieben, was meine Augen Ihr aus dem Mund gesogen haben, nur das kann ich nicht begreifen, daß es aus Ihrem Mund so gescheit lautet, und daß meine Feder es so dumm wiedergibt; daß ich nicht sehr klug bin, davon geb' ich häufige Beweise. Also das kann ich wohl zugeben, daß Sie zu den Leuten sagt, Sie wünscht, sie wären alle so närrisch wie ich; aber sag' Sie ja nicht, ich sei klug, sonst kompromittiert Sie sich, und der Wirt in Kassel an der großen Rheinbrücke kann den Gegenbeweis führen. Es war so langweilig, bis unsere ganze Bagage an der Douane untersucht war, ich nahm den Mückenplätscher und verfolgte ein paar Mücken, sie setzten sich an die Fensterscheiben, ich schlug zu, die Scheibe flog hinaus und mit ihr die Mücken in die goldne Freiheit, über den großen stolzen Rhein hinüber; der Wirt sagte, das war dumm; und ich war sehr beschämt.
 
Ach Fr. Mutter! Was ist hier in dem Langenwinkel für ein wunderlich Leben; das soll schöne Natur sein und ist es auch gewiß, ich hab' nur keinen Verstand, es zu erkennen. Eh' meine Augen hinüber auf den Johannisberg schweifen, werden sie von ein paar schmutzigen Gassen in Beschlag genommen und von einem langen Feld raupenfräßiger Zwetschen- und Birnenbäume. Aus jedem Gaubloch hängen Perlenschnüre von getrockneten Schnitzeln und Hutzeln; der Lohgerber gegen uns über durchdampft alle Wohlgerüche der Luft; alle fünf Sinne gehören dazu, um etwas in seiner Schönheit zu empfinden, und wenn auch die ganze Natur noch so sehr entzückend wär' und ihr Duft führte nicht auch den Beweis, so wär' der Prozeß verloren.
 
Die Orgel klingt auch ganz falsch hier in der Kirche. Man mußte von Fr. bis Winckel reisen, um eine so grobe Disharmonie zu Ehren Gottes aufführen zu hören.
 
Leb' Sie recht wohl.
 
Bettine 

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