Herr Reinwald kam von einer Fahrt heim. Er hatte in einer Ortschaft der Umgegend geschäftlich zu tun gehabt und der Kutscher Bauer, Lenes Mann, hatte ihn dorthin gefahren. Frau Reinwald saß allein im Zimmer, als ihr Mann zurückkehrte. Er setzte sich zu ihr. „Ich habe heute die Gelegenheit benützt und mit dem Kutscher Bauer gesprochen,“ erzählte er. „Es tut einem leid, wenn man hört, daß zwei so tüchtige Leute, wie Lene und ihr Mann, wenn sie gesunde Kinder haben und guten Verdienst, doch nicht glücklich zusammenhausen. Ich habe ihm ans Herz gelegt, daß er ordentlich zu seiner Frau halten soll, wie sich’s gehört, und sie unterstützen gegenüber der alten Verwandten und den Kindern. Nun wäre es aber sehr gut, wenn du bald einmal Lene besuchen und nachsehen könntest, wo sie es etwa fehlen läßt. Auf deinen Rat gibt sie viel.“
„Ich hatte es schon lange vor,“ entgegnete Frau Reinwald, „nun will ich es aber keine Stunde mehr hinausschieben. Ich richte mich sogleich.“
Lene hatte eine rührende Freude, als Frau Reinwald unerwartet zu ihr kam, aber man sah, daß ihr das Herz schwer war, denn die Tränen traten ihr in die Augen, und es dauerte keine zwei Minuten, so hatte sie das Gespräch auf die „Bas“ gebracht. Sie fing an, der alten Frau allerlei Schlimmes nachzusagen, aber plötzlich unterbrach sie sich und lenkte ein: „Ich weiß ja, daß Sie’s nicht leiden können, wenn man Böses über die Leute redet, und ich will’s auch nicht weiter tun.“
„Doch Lene, tu du das heute nur. Schütte den ganzen Groll, der sich bei dir gegen diese Person angehäuft hat, gegen mich aus; dir tut es gut, und ich möchte klar sehen in dieser Sache.“
Auf diese Aufforderung hin ging’s der base schlecht, denn Lene ließ kein gutes Haar an ihr. Was sie aber am meisten betonte, war, daß die base ihr selbst so viel Böses nachsage und die Kinder dadurch aufhetze. „Hast du denn schon versucht, die base zu beschwichtigen und zu versöhnen?“ fragte Frau Reinwald.
„Da ist doch alle Mühe vergebens, sie ist mir neidisch und mißgünstig, weil ich sie von ihrem Platz in diesem Hause verdrängt habe. Da läßt sich nichts machen, das muß man eben tragen.“
„Lene, ich meine doch, man sollte einmal ein verständiges und freundliches Wort mit dieser Person reden.“
„Ich tu’s nicht; wenn ich zu ihr käme, sie wäre im stand und würfe mich die Treppe hinunter.“
„Wo wohnt sie denn?“
„Da im Nebenhaus hat sie ein Dachstübchen gemietet, da kann sie heruntersehen in unsern Hof und die Buben zu sich rufen, so oft sie will.“
„Sie selbst kommt nicht zu euch ins Haus?“
„Nein, sie ist, glaube ich, gichtleidend und kann die Treppen nicht leicht steigen.“
„So, sie ist leidend? dann will ich ihr einen Krankenbesuch machen.“
Lene stutzte, es schien ihr nur halb recht zu sein. „Lene,“ sprach nun mit allem Ernst Frau Reinwald, „du weißt, ich bin dafür, daß man alles Schwere mit Ergebung trägt, aber erst wenn man getan hat was irgend möglich ist, um sich’s zu erleichtern, und ich möchte doch wissen, ob da gar nichts zu machen ist. So wie’s jetzt ist, bist du nicht glücklich, aber das Glück fällt einem nicht so in den Schoß, man muß sich darum rühren. Ich will einmal hören, ob dir wirklich die Türe gewiesen wird, wenn du da hinüberkommst, und ob ihr zwei nicht Frieden schließen könnt.“