„Sie ist ausgegangen, aber ob sie wohl gleich wieder kommt oder noch eine Stunde lang schwätzt, weiß ich nicht.“
„Schwätzen tut sie nicht, das weiß ich,“ rief Gretchen, deren Zorn gegen die Buben gleich hell aufloderte. „Ich kenne die Lene besser als ihr, sie war vierzehn Jahre bei uns!“
„Meinetwegen hätte sie auch vierundzwanzig Jahre bei euch bleiben können!“
„Ich wollte auch, sie wäre bei uns geblieben,“ rief Gretchen mit zunehmender Erbitterung, „bei uns hat sie es gut gehabt, ich habe sie so lieb und sie mich, und ihr seid so häßlich gegen sie!“
„So? Woher wißt Ihr denn das? Hat sie uns schon verklagt?“
„Wenn sie euch auch nicht verklagt hätte,“ entgegnete Gretchen, „so hätte ich das schon selbst gemerkt, wenn du gleich sagst: ‚sie schwätzt!‘ und wenn der andere dort auf dem frisch geputzten Tisch herumsteigt, daß Lene gerade wieder von vorn anfangen muß zu putzen!“
„Was kümmert’s Euch?“ rief trotzig der Große, „das ist unser Tisch und unsere Stub, da habt Ihr nichts drein zu reden! Wir können tun, was wir mögen, und Euch geht’s nichts an!“
„Das geht mich freilich an, wenn ihr meine Lene so unglücklich macht,“ rief Gretchen in höchster Erbitterung und mit Tränen der Erregung.
Der Große lenkte ein. „So schlecht sind wir auch nicht, daß wir jemand unglücklich machen! Da ist doch die Bas viel unglücklicher, die heult den ganzen Tag, weil sie aus dem Haus gemußt hat und ganz allein ist, und Eure Lene ist noch nicht ein einziges Mal zu ihr hinübergegangen und hat ihr noch nie einen Teller Suppe gebracht. Das ist doch auch nicht recht, das schreit zum Himmel, sagt die Bas.“
Gretchen horchte hoch auf. „Ist denn die base arm?“ fragte sie.
„Wenn sie doch keinen Verdienst mehr hat!“
„Das weiß gewiß die Lene nicht!“
„Was wird sie’s nicht wissen!“
„Nein, sie weiß es nicht,“ beharrte Gretchen, „man muß es ihr nur sagen, dann bringt sie der base gleich etwas!“
Der Kleine, der mittlerweile doch vom Tisch heruntergestiegen war, hatte nun auch etwas zur Sache zu bemerken.
„Ich hab’ der baseinmal ein Stück Fleisch zugetragen,“ erzählte er, „dann wie die neue Mutter dahintergekommen ist, hat sie mich gescholten. Ja, und sie will uns gar nimmer zur Bas hinüber lassen, die ist ihr schon zu gering, und alles will sie schöner haben, als es vorher war, weil sie der Hochmut plagt, sagt die Bas.“
Gretchen mußte an ihren Vater denken, er hatte wohl recht, Lene machte vielleicht auch nicht alles ganz gut. „Es ist aber auch recht schön bei euch,“ sagte sie begütigend; „wie ich voriges Jahr einmal in eurer Stube war, um den Kutscher zu bestellen, da hat es anders ausgesehen.“
„Schön ist’s, das ist richtig,“ gab der Große zu, „wer ins Haus kommt, rühmt, daß es bei uns so sauber aussehe,“ und er sah mit Stolz um sich.
„Und gut ist sie auch, die Lene!“ rief Gretchen eifrig. „Wie ich noch klein war, hat sie mir am Sonntagnachmittag oft Geschichten erzählt und vorgelesen und mit mir gespielt. Mit euch hat sie gewiß auch schon gespielt?“
„Nicht ein einziges Mal!“
„Aber vorgelesen oder erzählt?“
„Das ist bei uns nicht der Brauch, das hat sie halt bei euch getan, aber wir sind ihr viel zu gering.“