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埃布纳-埃申巴赫德语寓言:Zwei Gräber.
日期:2024-08-06 09:00  点击:268
In ein Massengrab, das eben geschlossen werden sollte, wurde ganz zuletzt noch ein schmales Särglein gesenkt, und Leute, die der Arbeit zusahen, fragten: »Wer war der, der so wenig Platz beansprucht in der Mutter Erde?«
 
»Ja,« antwortete ein Handlanger, »das war der Seift. Taglöhner seines Zeichens, haben ihn aber nirgends behalten. Ist dann herumgezogen mit der Guitarre und hat in den Höfen der Häuser gesungen, um ein Stück Brot, um ein Paar Stiefel, sehr oft umsonst.«
 
Wie der Mann so erzählte, bat eine verhüllte Gestalt heran, warf Blumen auf den schmalen Sarg und blickte lange wehmüthig zu ihm nieder.
 
In ehrfurchtsvoller Scheu wichen die Anderen zurück; ein überirdisches Wesen erschien sie ihnen; Niemand wagte sie anzureden. Sie selbst aber sprach: »Hier ward ein Poet begraben.«
 
Eine Stunde später kam, von einer unabsehbaren Menge begleitet, ein prachtvoller Leichenzug auf dem Friedhofe an. Der kostbare Sarg, ganz bedeckt mit Lorbeerkränzen, barg einen gefeierten Schriftsteller. Er wurde in die Gruft gesenkt, und der berühmteste Redner der Stadt weihte dem Dahingeschiedenen einen Nachruf voll dithyrambischen Schwunges.
 
Plötzlich hielt er inne ... Er hatte die Herrliche erblickt, die noch immer an der Ruhestätte der Armen stand.
 
»Gebt Raum,« rief er ins Gedränge. »Die hohe Göttin, deren Gunst unsern großen Todten beglückte, naht heran, mit uns um ihn zu trauern. Gebt Raum der hohen Göttin!«
 
Die Anwesenden gehorchten, und sofort öffnete sich für die nächste, die edelste Leidtragende ein Weg zur Gruft.
 
Sie betrat ihn nicht — sie schüttelte das Haupt; über ihr schimmerndes Antlitz flog ein Lächeln himmlischer Verachtung, und sie sprach: »Der Todte war mir fremd; Ihr habt einen Taglöhner begraben.« 

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